Ja sieh,

Ich spreng auf alle Schlösser im Gebirg,

Empöre jedes Herz, bewaffne, wo

Ich's finde, das Gefühl des Rechts, den frech

Verleumdeten zu rächen.

OTTOKAR.

Das Gefühl

Des Rechts! O du Falschmünzer der Gefühle!

Nicht einen wird ihr blanker Schein betrügen;

Am Klange werden sie es hören, an

Die Tür zur Warnung deine Worte nageln. –

Das Rechtgefühl! Als ob's ein andres noch

In einer andern Brust, als dieses, gäbe!

Denkst du, daß ich, wenn ich ihn schuldlos glaubte,

Nicht selbst dem eignen Vater gegenüber

Auf seine Seite treten würde? Nun,

Du Tor, wie könnt ich denn dies Schwert, dies gestern

Empfangne, dies der Rache auf sein Haupt

Geweihte, so mit Wollust tragen? – Doch

Nichts mehr davon, das kannst du nicht verstehn.

Zum Schlusse – wir, wir hätten, denk ich, nun

Einander wohl nichts mehr zu sagen?

JERONIMUS.

– Nein.

OTTOKAR.

Leb wohl!

JERONIMUS.

Ottokar!

Was meinst du? Sieh, du schlägst mir ins Gesicht,

Und ich, ich bitte dich mit mir zu reden –

Was meinst du, bin ich nicht ein Schurke?

OTTOKAR.

Willst

Du's wissen, stell dich nur an diesen Sarg.

 

Ottokar ab. Jeronimus kämpft mit sich, will ihm nach, erblickt dann den Kirchenvogt.

 

JERONIMUS.

He, Alter!

KIRCHENVOGT.

Herr!

JERONIMUS.

Du kennst mich?

KIRCHENVOGT.

Warst du schon

In dieser Kirche?

JERONIMUS.

Nein.

KIRCHENVOGT.

Ei, Herr, wie kann

Ein Kirchenvogt die Namen aller kennen,

Die außerhalb der Kirche?

JERONIMUS.

Du hast recht.

Ich bin auf Reisen, hab hier angesprochen,

Und finde alles voller Leid und Trauer.

Unglaublich dünkt's mich, was die Leute reden,

Es hab der Oheim dieses Kind erschlagen.

Du bist ein Mann doch, den man zu dem Pöbel

Nicht zählt, und der wohl hie und da ein Wort

Von höhrer Hand erhorchen mag. Nun, wenn's

Beliebt, so teil mir, was du wissen magst,

Fein ordentlich und nach der Reihe mit.

KIRCHENVOGT.

Seht, Herr, das tu ich gern. Seit alten Zeiten

Gibt's zwischen unsern beiden Grafenhäusern,

Von Rossitz und von Warwand einen Erbvertrag,

Kraft dessen nach dem gänzlichen Aussterben

Des einen Stamms, der gänzliche Besitztum

Desselben an den andern fallen sollte.

JERONIMUS.

Zur Sache, Alter! das gehört zur Sache nicht.

KIRCHENVOGT.

Ei, Herr, der Erbvertrag gehört zur Sache.

Denn das ist just als sagtest du, der Apfel

Gehöre nicht zum Sündenfall.

JERONIMUS.

Nun denn,

So sprich.

KIRCHENVOGT.

Ich sprech! Als unser jetz'ger Herr

An die Regierung treten sollte, ward

Er plötzlich krank. Er lag zwei Tage lang

In Ohnmacht; alles hielt ihn schon für tot,

Und Graf Sylvester griff als Erbe schon

Zur Hinterlassenschaft, als wiederum

Der gute Herr lebendig ward. Nun hätt

Der Tod in Warwand keine größre Trauer

Erwecken können, als die böse Nachricht.

JERONIMUS.

Wer hat dir das gesagt?

KIRCHENVOGT.

Herr, zwanzig Jahre sind's,

Kann's nicht beschwören mehr.

JERONIMUS.

Sprich weiter.

KIRCHENVOGT.

Herr,

Ich spreche weiter. Seit der Zeit hat der

Sylvester stets nach unsrer Grafschaft her

Geschielt, wie eine Katze nach dem Knochen,

An dem der Hund nagt.

JERONIMUS.

Tat er das!

KIRCHENVOGT.

Sooft

Ein Junker unserm Herrn geboren ward,

Soll er, spricht man, erblaßt sein.

JERONIMUS.

Wirklich?

KIRCHENVOGT.

Nun,

Weil alles Warten und Gedulden doch

Vergebens war, und die zwei Knaben wie

Die Pappeln blühten, nahm er kurz die Axt,

Und fällte vorderhand den einen hier,

Den jüngsten, von neun Jahren, der im Sarg.

JERONIMUS.

Nun das erzähl, wie ist das zugegangen?

KIRCHENVOGT.

Herr, ich erzähl's dir ja. Denk dir, du seist

Graf Rupert, unser Herr, und gingst an einem Abend

Spazieren, weit von Rossitz, ins Gebirg;

Nun denke dir, du fändest plötzlich dort

Dein Kind, erschlagen, neben ihm zwei Männer

Mit blut'gen Messern, Männer, sag ich dir

Aus Warwand. Wütend zögst du drauf das Schwert

Und machtst sie beide nieder.

JERONIMUS.

Tat Rupert das?

KIRCHENVOGT.

Der eine, Herr, blieb noch am Leben, und

Der hat's gestanden.

JERONIMUS.

Gestanden?

KIRCHENVOGT.

Ja, Herr, er hat's rein h'raus gestanden.

JERONIMUS.

Was

Hat er gestanden?

KIRCHENVOGT.

Daß sein Herr Sylvester

Zum Morde ihn gedungen und bezahlt.

JERONIMUS.

Hast du's gehört? Aus seinem Munde?

KIRCHENVOGT.

Herr,

Ich hab's gehört aus seinem Munde, und die ganze

Gemeinde.

JERONIMUS.

Höllisch ist's! – Erzähl's genau.

Sprich, wie gestand er's?

KIRCHENVOGT.

Auf der Folter.

JERONIMUS.

Auf

Der Folter? Sag mir seine Worte.

KIRCHENVOGT.

Herr,

Die hab ich nicht genau gehöret, außer eins.

Denn ein Getümmel war auf unserm Markte,

Wo er gefoltert ward, daß man sein Brüllen

Kaum hören konnte.

JERONIMUS.

Außer eins, sprachst du;

Nenn mir das eine Wort, das du gehört.

KIRCHENVOGT.

Das eine Wort, Herr, war: Sylvester.

JERONIMUS.

Sylvester! – – Nun, und was war's weiter?

KIRCHENVOGT.

Herr, weiter war es nichts. Denn bald darauf,

Als er's gestanden hatt, verblich er.

JERONIMUS.

So?

Und weiter weißt du nichts?

KIRCHENVOGT.

Herr nichts.

 

Jeronimus bleibt in Gedanken stehn.

 

EIN DIENER tritt auf.

War nicht

Graf Rupert hier?

JERONIMUS.

Suchst du ihn? Ich geh mit dir.

 

Alle ab.

Ottokar und Johann treten von der andern Seite auf.

 

OTTOKAR.

Wie kamst du denn zu diesem Schleier? Er

Ist's, ist's wahrhaftig – Sprich – Und so in Tränen?

Warum denn so in Tränen? So erhitzt?

Hat dich die Mutter Gottes so begeistert,

Vor der du knietest?

JOHANN.

Gnäd'ger Herr – als ich

Vorbeiging an dem Bilde, riß es mich

Gewaltsam zu sich nieder. –

OTTOKAR.

Und der Schleier?

Wie kamst du denn zu diesem Schleier, sprich?

JOHANN.

Ich sag dir ja, ich fand ihn.

OTTOKAR.

Wo?

JOHANN.

Im Tale

Zum heil'gen Kreuz.