OTTOKAR.

Und kennst nicht die Person,

Die ihn verloren?

JOHANN.

– Nein.

OTTOKAR.

Gut. Es tut nichts.

Ist einerlei. – Und weil er dir nichts nützet,

Nimm diesen Ring, und laß den Schleier mir.

JOHANN.

Den Schleier – ? Gnäd'ger Herr, was denkst du? Soll

Ich das Gefundene an dich verhandeln?

OTTOKAR.

Nun, wie du willst. Ich war dir immer gut,

Und will's dir schon so lohnen, wie du's wünschest.

 

Er küßt ihn, und will gehen.

 

JOHANN.

Mein bester Herr – O nicht – o nimm mir alles,

Mein Leben, wenn du willst. –

OTTOKAR.

Du bist ja seltsam.

JOHANN.

Du nähmst das Leben mir mit diesem Schleier.

Denn einer heiligen Reliquie gleich

Bewahrt er mir das Angedenken an

Den Augenblick, wo segensreich, heilbringend,

Ein Gott ins Leben mich, ins ew'ge führte.

OTTOKAR.

Wahrhaftig? – Also fandst du ihn wohl nicht?

Er ward dir wohl geschenkt? Ward er? Nun sprich.

JOHANN.

Fünf Wochen sind's – nein, morgen sind's fünf Wochen,

Als sein gesamt berittnes Jagdgefolge

Dein Vater in die Forsten führte. Gleich

Vom Platz, wie ein gekrümmtes Fischbein, flog

Das ganze Roßgewimmel ab ins Feld.

Mein Pferd, ein ungebändigt tückisches,

Von Hörnerklang, und Peitschenschall, und Hund-

Geklaff verwildert, eilt ein eilendes

Vorüber nach dem andern, streckt das Haupt

Vor deines Vaters Roß schon an der Spitze –

Gewaltig drück ich in die Zügel; doch,

Als hätt's ein Sporn getroffen, nun erst greift

Es aus, und aus dem Zuge, wie der Pfeil

Aus seinem Bogen, fliegt's dahin – Rechts um

In einer Wildbahn reiß ich es, bergan;

Und weil ich meinen Blicken auf dem Fuß

Muß folgen, eh ich, was ich sehe, wahr

Kann nehmen, stürz ich, Roß und Reiter, schon

Hinab in einen Strom. –

OTTOKAR.

Nun, Gott sei Dank,

Daß ich auf trocknem Land dich vor mir sehe.

Wer rettete dich denn?

JOHANN.

Wer, fragst du? Ach,

Daß ich mit einem Wort es nennen soll!

– Ich kann's dir nicht so sagen, wie ich's meine,

Es war ein nackend Mädchen.

OTTOKAR.

Wie? Nackend?

JOHANN.

Strahlenrein, wie eine Göttin

Hervorgeht aus dem Bade. Zwar ich sah

Sie fliehend nur in ihrer Schöne – Denn

Als mir das Licht der Augen wiederkehrte,

Verhüllte sie sich. –

OTTOKAR.

Nun?

JOHANN.

Ach, doch ein Engel

Schien sie, als sie verhüllt nun zu mir trat;

Denn das Geschäft der Engel tat sie, hob

Zuerst mich Hingesunknen – löste dann

Von Haupt und Nacken schnell den Schleier, mir

Das Blut, das strömende, zu stillen.

OTTOKAR.

O!

Du Glücklicher!

JOHANN.

Still saß ich, rührte nicht ein Glied,

Wie eine Taub in Kindeshand.

OTTOKAR.

Und sprach sie nicht?

JOHANN.

Mit Tönen wie aus Glocken – fragte, stets

Geschäftig, wer ich sei? woher ich komme?

– Erschrak dann lebhaft, als sie hört', ich sei

Aus Rossitz.

OTTOKAR.

Wie? Warum denn das?

JOHANN.

Gott weiß.

Doch hastig fördernd das Geschäft, ließ sie

Den Schleier mir, und schwand.

OTTOKAR.

Und sagte sie

Dir ihren Namen nicht?

JOHANN.

Dazu war sie

Durch Bitten nicht, nicht durch Beschwören zu

Bewegen.

OTTOKAR.

Nein, das tut sie nicht.

JOHANN.

Wie? kennst

Du sie?

OTTOKAR.

Ob ich sie kenne? Glaubst du Tor,

Die Sonne scheine dir allein?

JOHANN.

Wie meinst

Du das – ? Und kennst auch ihren Namen?

OTTOKAR.

Nein,

Beruh'ge dich. Den sagt sie mir sowenig

Wie dir, und droht mit ihrem Zorne, wenn

Wir unbescheiden ihn erforschen sollten.

Drum laß uns tun, wie sie es will. Es sollen

Geheimnisse der Engel Menschen nicht

Ergründen. Laß – ja laß uns lieber, wie

Wir es mit Engeln tun, sie taufen. Möge

Die Ähnliche der Mutter Gottes auch

Maria heißen – uns nur, du verstehst;

Und nennst du im Gespräch mir diesen Namen,

So weiß ich, wen du meinst. Ich habe lange

Mir einen solchen Freund gewünscht. Es sind

So wenig Seelen in dem Hause, die

Wie deine, zartbesaitet,

Vom Atem tönen.

Und weil uns nun der Schwur der Rache fort

Ins wilde Kriegsgetümmel treibt, so laß

Uns brüderlich zusammenhalten; kämpfe

Du stets an meiner Seite.

JOHANN.

– Gegen wen?

OTTOKAR.

Das fragst du hier an dieser Leiche? Gegen

Sylvesters frevelhaftes Haus.

JOHANN.

O Gott,

Laß ihn die Engellästrung nicht entgelten!

OTTOKAR.

Was? Bist du rasend?

JOHANN.

Ottokar – Ich muß

Ein schreckliches Bekenntnis dir vollenden –

Es muß heraus aus dieser Brust – denn gleich

Den Geistern ohne Rast und Ruhe, die

Kein Sarg, kein Riegel, kein Gewölbe bändigt,

So mein Geheimnis. –

OTTOKAR.

Du erschreckst mich, rede!

JOHANN.

Nur dir, nur dir darf ich's vertraun – Denn hier

Auf dieser Burg – mir kommt es vor, ich sei

In einem Götzentempel, sei, ein Christ,

Umringt von Wilden, die mit gräßlichen

Gebärden mich, den Haaresträubenden,

Zu ihrem blut'gen Fratzenbilde reißen –

– Du hast ein menschliches Gesicht, zu dir,

Wie zu dem Weißen unter Mohren, wende

Ich mich – Denn niemand, bei Gefahr des Lebens,

Darf außer dir des Gottes Namen wissen,

Der mich entzückt. –

OTTOKAR.

O Gott! – Doch meine Ahndung?

JOHANN.

Sie ist es.

OTTOKAR erschrocken.

Wer?

JOHANN.

Du hast's geahndet.

OTTOKAR.

Was

Hab ich geahndet? Sagt ich denn ein Wort?

Kann ein Vermuten denn nicht trügen? Mienen

Sind schlechte Rätsel, die auf vieles passen,

Und übereilt hast du die Auflösung.

Nicht wahr, das Mädchen, dessen Schleier hier,

Ist Agnes nicht, nicht Agnes Schroffenstein?

JOHANN.

Ich sag dir ja, sie ist es.

OTTOKAR.

O mein Gott!

JOHANN.

Als sie auf den Bericht, ich sei aus Rossitz,

Schnell fortging, folgt ich ihr von weitem

Bis Warwand fast, wo mir's ein Mann nicht einmal,

Nein zehenmal bekräftigte.

OTTOKAR.

O laß

An deiner Brust mich ruhn, mein lieber Freund.