Nein! 's is ja wirklich wahr! ... Da soll man sich nu nich empören! ... Hier liegt das arme Kind krank, man weiß nich vor Sorgen wohin? Andre Leute freuen sich heute, und wir ... Na! Und dann soll man ihm auch noch freundlich entgegenkommen? ... Das kann ich einfach nicht! Das kann ich nicht!! ...
TONI seufzend. Aber dann würde er sicher anders sein, wenn du dich ein bißchen zwängst, Mutterchen! ... Er ist ja im Grunde eigentlich gar nicht so schlimm, wie er tut!
FRAU SELICKE. Er hat mich die ganzen Jahre her zu schlecht behandelt! Ich kann mich nicht überwinden, freundlich mit ihm zu sein!
TONI. Ach ja, ja!
Kleine Pause. Holt aus dem Tischchen links ihr Nähzeug vor, setzt sich einen Stuhl an den Sofatisch und beginnt zu nähen.
FRAU SELICKE. Willst du heute noch nähen?
TONI. Ja, ein bißchen!
FRAU SELICKE. Ach! Das ist nun Heiligabend! Das sind Festtage! ... So ein trauriges Weihnachten haben wir wirklich noch nie gehabt!
TONI. Na! Eine kleine Freude macht er Linchen und den Jungens doch! Und wir andern? Liebe Zeit! ...
FRAU SELICKE gähnt. Ach, bin ich – müde! ... Nächtelang hat man kein Auge zugetan, und mein Fuß tut auch wieder so weh ...
TONI. Ja! Leg dich ein bißchen hin, Mutterchen! Du strengst dich überhaupt viel zu sehr an! Das solltest du gar nicht!
FRAU SELICKE. Ja, ja! Du hast eigentlich auch recht! Ich will mich 'n bißchen schlafen legen! Zum Bett hin. Ach, mein Mäuschen! Ist aufgestanden, hat ihr Strickzeug zusammengewickelt und es mit der Brille auf den Tisch gelegt. Heute nacht hat man ja doch wieder keine Ruhe. Das weiß ich schon! Ach ja! ... Gähnt. Schon in der Kammertür. Ja, und nun geht Herr Wendt auch schon zu den Feiertagen, und eh man dann wieder 'n Mieter kriegt! ... Ach Gott ja! ... Na! ...
Verschwindet in der Kammer.
Toni über ihre Arbeit gebückt, allein. Pause. Ab und zu seufzt sie. Fernes Glockengeläute, das eine Zeitlang während des Folgenden fortdauert.
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