Oh, er ist stark, unser Herr. Er ist der stärkste Herr vom ganzen Adel ringsum und der klügste.

DIANORA. Nicht wahr?

 

Erst aufmerkend.

 

Wer?

AMME. Unser Herr.

DIANORA. Ach, unser Herr.

 

Lächelt. Pause.

 

– – Und seine Stimme ist so schön, und deswegen hören ihm alle so gern zu, in der großen halbdunklen Kirche.

AMME. Wem, gnädige Frau?

DIANORA. Dem spanischen Ordensbruder, wem denn?

AMME. Nein, gnädige Frau, es ist nicht wegen der Stimme, daß man ihm zuhört. Gnädige Frau ...

 

Dianora gibt schon wieder nicht acht.

 

AMME. Gnädige Frau, ist das wahr, was sich die Leute erzählen, das von dem Gesandten?

DIANORA. Von welchem Gesandten?

AMME. Von dem Gesandten, den die Leute von Como an unsern Herrn geschickt haben.

DIANORA. Was erzählen denn die Leute?

AMME. Ein Schafhirt, sagen sie, hats gesehen.

DIANORA. Was hat er denn gesehen?

AMME. Unser Herr war zornig über den Gesandten und hat den Brief nicht nehmen wollen, den ihm die von Como geschrieben haben. Dann hat er ihn doch genommen, den Brief, halb gelesen, und in Fetzen gerissen und die Fetzen dem Menschen, dem Gesandten, vor den Mund gehalten und verlangt, er solle sie verschlucken. Der ging aber rückwärts wie ein Krebs und machte gerade solche stiere Augen wie ein Krebs, und alle lachten, am meisten aber der Herr Silvio, dem gnädigen Herrn sein Bruder. Dann hat ihm der Herr sein Maultier aus dem Stall ziehen und vors Tor stellen lassen; und wie der zu langsam in den Sattel kam, nach den Hunden gepfiffen. Der Gesandte ist fort mit seinen zwei Knechten. Unser Herr ist mit sieben Leuten hinaus auf die Jagd, mit allen Hunden. Gegen Abend aber sollen sie einander begegnet sein, an der Brücke über die Adda, dort wo das Varesanische anfängt, unser Herr, der von der Jagd am Heimweg war, und der Mensch aus Como. Und der Schafhirt kommt auch vorbei und treibt seine Herde neben der Brücke in ein Maisfeld, nur daß sie ihm nicht von den Pferden zusammengetreten werden. Da hört er unsern Herrn rufen: »Da ist der, der nicht essen wollte, vielleicht will er trinken!« Und vier von unsern Leuten hängen sich an die zwei Knechte, zwei andre nehmen den Gesandten jeder bei einem Bein, heben ihn aus dem Sattel und schleudern ihn, der sich wehrt wie ein Wahnsinniger, übers Geländer. Einem hat er mit den Zähnen ein Stück vom Ärmel mitsamt dem Fleisch darunter herausgerissen. Die Adda hat an der Stelle recht steile Ufer, sie war ganz dunkel und reißend von dem vielen Regen im Gebirg. Er ist nicht wieder herausgekommen, hat der Schafhirt gesagt.

 

Amme hält inne, sieht sie fragend an.

 

DIANORA finster. Ich weiß nicht.

 

Sie schüttelt den sorgenvollen Ausdruck ab, ihr Gesicht nimmt wieder seinen verträumten, innerlich glücklichen Ausdruck an.

 

Sag mir etwas von dem, was er predigt, der Spanier.

AMME. Ich weiß nicht, wie ichs sagen sollte, gnädige Frau.

DIANORA.