Macht eine ungeduldige Bewegung mit den Lippen, wirft einen Blick in den Garten hinunter, einen Blick nach rückwärts. Hebt seine rechte Hand einen Augenblick und besieht das Innere. Geht mit starken ruhigen Schritten ins Zimmer zurück.

Dianora sieht ihm unaufhörlich nach: sie kann die Augen nicht von ihm abwenden. Wie der Vorhang hinter ihm zufällt, fährt sie sich mit den Fingern über die Wangen, ins Haar. Dann faltet sie die Hände und spricht lautlos mit wildem Durcheinanderwerfen der Lippen ein Gebet. Dann wirft sie die Arme nach rückwärts und umschließt mit den Fingern den Steinrand, eine Bewegung, in der etwas von tödlicher Entschlossenheit und wie eine Ahnung von Triumph liegt.

Braccio tritt wieder aus der Tür, mit der Linken trägt er einen Sessel, stellt ihn in die Türöffnung und setzt sich seiner Frau gegenüber. Sein Gesicht ist unverändert. Von Zeit zu Zeit hebt er mechanisch die rechte Hand und sieht die kleine Wunde auf der Innenfläche an.

 

BRACCIO Der Ton ist kalt, gewissermaßen wegwerfend. Er deutet mit dem Fuß und den Augen nach der Leiter. Wer?

 

Dianora hebt die Achseln, läßt sie langsam wieder fallen.

 

BRACCIO. Ich weiß es!

 

Dianora hebt die Achseln, läßt sie langsam wieder fallen. Ihre Zähne sind aufeinandergepreßt.

 

BRACCIO indem er die Bewegung mit der Hand macht, streift seine Frau nur mit dem Blick, sieht dann wieder in den Garten. Palla degli Albizzi.

DIANORA zwischen den Zähnen hervor.

Wie häßlich auch der schönste Name wird,

Wenn ihn ein Mund ausspricht, dem es nicht ziemt!

 

Braccio sieht sie an, als ob er reden wollte, schweigt aber wieder. Pause.

 

BRACCIO. Wie alt bist du?

 

Dianora schweigt. Pause.

 

BRACCIO. Fünfzehn und fünf. Du bist zwanzig Jahre alt.

 

Dianora schweigt.

 

DIANORA fast schreiend. Meines Vaters Name war Bartholomeus Colleoni ... Du kannst mich ein Vaterunser und den Englischen Gruß sprechen lassen und mich dann töten, aber nicht so stehen lassen wie ein angebundenes Tier!

 

Braccio sieht sie an wie verwundert, gibt keine Antwort, sieht seine Hand an.

 

DIANORA fährt langsam rückwärts mit den Händen an ihr Haar, schließt vorne die Ellenbogen, starrt ihn an, läßt die Arme vorne fallen, scheint seinen Plan zu verstehen. Ihre Stimme ist nun völlig verändert, wie eine zum Reißen gespannte Saite. Ich möchte eine Dienerin, die mir Stockend, die Stimme droht ihr abzureißen. vorher die Haare flicht, sie sind verwirrt.

BRACCIO. Du hilfst dir öfter ohne Dienerin.

DIANORA beißt die Lippen zusammen, schweigt, streicht die Haare an den Schläfen zurück; faltet die Hände.

Ich habe keine Kinder. Meine Mutter

hab ich einmal gesehen, bevor sie starb;

der Vater führte mich und meine Schwester

hinein, es war ein strenges hochgewölbtes

Gemach, ich konnte nicht die Kranke sehn,

das Bette war zu hoch, nur eine Hand

hing mir entgegen, und die küßte ich.

Vom Vater weiß ich, daß er einen Harnisch

von grünem Gold mit dunklen Spangen trug

und daß ihm zweie halfen, wenn er morgens

zu Pferde stieg, denn er war schon sehr alt.

Meine Schwester Medea hab ich wenig

gekannt. Sie war kein frohes Kind.

Ihr Haar war dünn, und Stirn und Schläfen schienen

viel älter als der Mund und ihre Hände;

sie hatte immer Blumen in der Hand.

Sei diesen Seelen gnädig, wie der meinen,

und heiß sie freundlich mir entgegenkommen.

Ich kann nicht niederknien, es ist kein Raum.

 

Braccio steht auf, schiebt seinen Stuhl ins Zimmer, ihr Platz zu machen, sie beachtet ihn nicht.

 

DIANORA.

Noch eins; laß mich nachdenken: Bergamo,

wo ich geboren ward, das Haus zu Feltre,

wo die Oheime und die Vettern waren ...

Dann setzten sie mich auf ein schönes Pferd

mit einer reichen Decke, meine Vettern

und viele andre ritten neben mir,

und so kam ich hierher, von wo ich jetzt

hingehen soll ...

 

Sie hat sich zurückgelehnt und sieht über sich die flimmernden Sterne auf dem schwarzen Himmel; schaudert.

 

Ich wollte etwas andres ...

 

Sucht.

 

Von Bergamo, wo sie mich gehen lehrten,

bis hierher, wo ich stehe, hab ich mich

vielfach verschuldet, öfter als ich weiß,

am öftesten durch Hoffart, und ein Mal,

das ich noch weiß, sei für die vielen andern,

die schwerer sind, gebeichtet und bereut:

Als ich

 

Denkt nach.

 

drei Tage nach Sankt Magdalena

mit dem hier, meinem Mann, und vielen andern Herrn

nach Haus ritt von der Jagd, lag an der Brücke

ein alter Bettler mit gelähmten Füßen:

Ich wußte, daß er alt und elend war,

auch war etwas in seinen müden Augen,

das meinem toten Vater ähnlich sah ...

Trotzdem! nur weil der welcher neben mir ritt,

die Hand am Zaum von meinem Pferde hatte,

wich ich nicht aus und ließ den scharfen Staub

von meines Pferdes Füßen ihn verschlucken,

ja, ritt so dicht an ihn, daß mit den Händen

er sein gelähmtes Bein wegheben mußte:

dessen entsinn ich mich, und ich bereue es.

BRACCIO.

Der neben dir ritt, hielt dein Pferd am Zaume?

 

Sieht sie an.

 

DIANORA erwidert den Blick, versteht ihn, sehr hart.

Ja. Damals so wie öfter. Damals so

wie öfter. Und wie furchtbar selten doch!

Wie dünn ist alles Glück! ein seichtes Wasser:

Man muß sich niederknieen, daß es nur

Bis an die Schultern reichen soll.