»O mein Gebieter, widerstehst du ihren Augen, wenn sie ersterben?« flüsterten dicht an ihrem Kopf die Lippen der Amme, sie flüsterten es nach oben. »Wer soll es sein, es gibt ihn nicht«, hauchte die Frau und fühlte, wie sie willenlos der Alten im Arm hing. »Mit wem redest du?«
»Mit einem, der nahe ist und nach dir lechzt, mit einem, der mir zuruft: so verdecke ihr die Augen, und wenn du sie ihr wieder auftust, dann bin ich es, dessen Gesicht auf ihren Füßen ruht.
»Die Augen«, sagte die Frau und riß sich los, »nicht um alles!« »Du tust es«, rief die Amme mit schmeichelnder Stimme, »du legst dich wieder auf dein Bette, du liegst schon, du lässest mich den Mantel über dich breiten, meine Tochter deckt dir die Füße zu und legt sanft ihre Hand auf deine Augen – du hast es gewährt, o meine Herrin!« »Es kann nie geschehen«, sprach die Kaiserin in sich, »sie will es ja nicht! Es kann nie geschehen«, wiederholte sie, indessen die Augen der Frau schon gegen ihre flachen Hände schlugen. Es war schon geschehen, indem sie es aussprach. Inmitten des Raumes stand ein Lebendiger, der vordem nicht dagewesen war. Sie nahm ihn nur aus dem Winkel des Auges wahr, seine Gegenwart war stark und lauernd wie eines Tieres. Die Kaiserin konnte es nicht ertragen, dies in ihrem Rücken zu haben. Sie trat zurück und gab die Augen der Färberin frei. Diese setzte sich auf und zitterte vor Furcht und Verlegenheit. Die Amme neigte sich zur Erde vor dem Ankömmling, und er schritt langsam auf die schöne Färberin zu. Die Kaiserin trat hinter sich; sie sah, wie das eine seiner Augen größer war als das andere und einen Blick von besonderer tierhafter Heftigkeit auswarf, und sie erkannte, daß es einer von den Efrit war, welche beliebige Gestalten annehmen können, um die Menschen anzulocken und zu überlisten. Sie sah, daß er schön war, aber die unbezähmbare Gier, die seine Züge durchsetzte, ließ ihr sein Gesicht abscheulicher erscheinen als selbst eines der Menschengesichter, die ihr auf der Erde begegnet waren. Sie wußte, daß diese Efrit das Bereich der Lebenden umlauern, aber nie hatte sich einer von ihnen unterstanden, ihr so nahe zu kommen. Haß und Verachtung durchbebten sie, sie richtete sich hoch auf und blitzte vor Hochmut. Die Amme spürte ihren Zorn, sie glitt neben sie hin und faßte sie besänftigend an, sie schob sie zur Seite, der Efrit stand vor der Färberin und heftete seine Augen auf sie, vor denen sie die ihrigen niederschlug. »Da bist du«, sagte er mit einer Stimme, welche tiefer und seltsamer war, als die Kaiserin erwartet hätte, und der er einen schmeichelnden, beinahe unterwürfigen Klang gab, »du Köstliche, die auf mich wartet.« »Wartet«, sagte die Frau, »ich auf dich?«
»Du bist ein Weib, aber der den Knoten deines Herzens lösen soll, ist dir noch nicht nahe gewesen vor dieser Stunde.« Die Frau öffnete den Mund, aber es kam kein Laut hervor. Seine Hände lagen auf ihren Knien, er glitt neben sie hin, es war etwas vom Panther und etwas von der Schlange in ihm. Der Kaiserin riß es durch die Seele. »Hilf ihr von dem Unhold«, flüsterte sie der Amme zu, »siehst du denn nicht, daß sie ihn nicht will!« »Ins Schwarze treffen und der Scheibe nicht weh tun, das wäre freilich eine vortreffliche Kunst«, gab die Amme kalt zurück. Der Efrit ergriff mit beiden Händen die Handgelenke der Färberin und zwang sie, zu ihm aufzusehen; ihr Blick konnte sich des Eindringens der seinigen nicht erwehren; sie lag ihm offen bis ins Herz hinein. »Die Augen, heiße ihn die Augen wegtun«, rief die Frau, und es schien, sie wollte flüchten, aber der Efrit blieb dicht an ihr, seine Hände lagen auf ihrem Nacken, und die Worte, die seinen Lippen schnell entflossen, klangen schmeichelnd und drohend zugleich. Die Kaiserin wollte nicht hinsehen und sah hin. Sie begriff nicht, was sie sah, und doch war es nicht völlig unbegreiflich: das beklemmende Gefühl der Wirklichkeit hielt alles zusammen. »Vorbei!« hauchte sie und drückte fest ihr Gesicht in einen Sack mit getrockneten Wurzeln. »Was ist er ihr, was ist sie ihm, wie kommen sie zueinander! Warum erwehrt sie sich seiner nur halb! Um was geht es zwischen diesen Geschöpfen?«
»Um deinen Schatten«, gab die Amme zur Antwort, und ihr Gesicht leuchtete auf. »Nein, nicht dies«, rief die Kaiserin dicht am Ohr der Alten. »Ruhig«, sagte die Alte, »ruhig, sie ist eine Verschmäherin und muß gebrannt werden im Feuer des Begehrens.«
»Verlocke sie mit Schätzen, es war von köstlichen Mahlzeiten die Rede – sie will ein Haus und Sklavinnen«, sagte die Junge, »gib ihr, was sie will, nicht dies!«
»Ein krummer Nagel«, antwortete die flinke Zunge der Alten, »ist noch keine Angel, es muß erst ein Widerhaken daran.«
Die Frau hatte ihre Hände frei bekommen und war aufgestanden. »Ich will mich verstecken«, sagte sie, »hilf mir, Alte, ich will mich vor diesem da verstecken! Was geht er mich an, der fremde Mensch! Mag er gleich schön sein!« Die Amme war schnell bei ihr: »Dir nicht fremd zu sein, du Köstliche«, sagte sie mit einem unbeschreiblichen Ausdruck, »ist alles, was er begehrt.« »Ich will mich vor seinen Blicken verstecken«, schrie die Frau und schob die Alte so ungeschickt zur Seite, daß sie selbst dem Manne näher war als zuvor. »Frage ihn, wie er sich unterfangen kann, von mir zu verlangen, was er verlangt hat, er, den ich vor einer Stunde nicht gekannt habe! Frage ihn! Er sagt, er verlangt es als ein Pfand des Zutrauens und als ein Wahrzeichen, daß mein Gemüt nicht karg ist!« »Wahrhaftig, da sagt er die Wahrheit«, rief die Alte mit Begeisterung und tauschte einen Blick mit dem Efrit, »und daß du ihn vor einer Stunde nicht gekannt hast, ist ein Grund mehr, dich großmütig zu bezeigen: so ist es gesetzt zwischen Herz und Herz, und wer dich anderes gelehrt hat, war schlechthin darauf aus, dich zu betrügen, du Arglose.« »So ist es«, rief der Efrit, aber die Alte winkte ihm, still zu sein. Sie horchte angestrengt nach außen.
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