Dieser aß kaum einen Bissen, ohne dazwischen seine kugeligen Augen, an denen man das Weiße sah, wenn er aufmerksam oder besorgt war, nach seiner Frau zu wenden. »Betet, ihr, die ihr mit uns esset«, sagte Barak zu den Muhmen, die etwas entfernt an der Erde saßen und das verzehrten, was übrigblieb. »Betet, daß sie wieder essen könne, und daß es ihr gut anschlage. Ihr müßt wissen«, fuhr er fort, »daß ich vor einer Woche alle Frauen meiner Verwandtschaft ins Haus gebeten habe, und sie haben schöne Sprüche gesprochen, die Gevatterinnen, über dieser da, meiner Frau, und ich habe, müßt ihr wissen, siebenmal vor Nacht von dem gegessen, was sie gesegnet hatten mit dem Segen der Befruchtung. Und wenn meine Frau seltsam ist und anders als sonst, so preise ich ihre Seltsamkeit und neige mich zur Erde vor der Verwandlung: denn Glück ist über mir und Erwartung in meinem Herzen.« Der jungen Frau Gesicht sah mit einem Male blaß und böse aus. »Aber triefäugige Vetteln«, sagte sie mit schiefem Mund, »müßt ihr wissen, die Sprüche murmeln, müßt ihr wissen, haben nichts zu schaffen mit meinem Leibe, und was dieser Mann in sich gegessen hat vor Nacht, müßt ihr wissen, das hat keine Gewalt über meine Weibschaft.« Sie stand jäh von der Erde auf, ging nach hinten an ihr Bette und zog den Vorhang zu. Auch Barak war aufgestanden; sein Mund öffnete sich, als ob er noch etwas hätte sagen wollen, und sein rundes Auge haftete auf dem Vorhang, der ihm seine Frau verbarg. Schweigend machte er sich daran, eine ungeheuere Last von gefärbtem Zeug aufzuhäufen und sie seinem Rücken aufzuladen. Als er beladen war, richtete er an der Tür seinen gewaltigen Rücken nochmals ein wenig auf und sagte zu den Muhmen, indem er sie freundlich ansah:
»Ich zürne der Frau nicht für ihre Reden, denn ich bin freudigen Herzens, müßt ihr wissen, und ich harre der Gesegneten, die da kommen.« »Es kommen keine«, flüsterte in sich die Frau, »keine in dieses Haus, viel eher werden welche hinausgehen.« Sie flüsterte es fast ohne Laut und hinter dem Vorhang, so daß niemand es hören konnte; aber die Amme hörte es doch, und ihre wimperlosen Augen zuckten.
Die Frau saß auf ihrem Bette und regte sich nicht, eine volle Stunde lang. Die Amme lief nach einer längeren Zeit an den Vorhang und flüsterte ans Bette hin; es kam keine Antwort. »Wehe, mit diesen Wesen zu leben ist schlimmer, als von ihnen zu träumen«, flüsterte die Kaiserin, »sag mir, um was geht es zwischen diesem boshaften Weibe und ihrem häßlichen plumpen Mann?« »Um deinen Schatten«, antwortete die Amme ebenso leise. Die Frau trat plötzlich hervor. »Warum kommt er denn nicht, du Lügnerische, der, von dem du immer redest?« sagte sie mit einem Male und wurde im gleichen Augenblick, als sie es gesprochen hatte, dunkelrot. »Ich weiß es, und du brauchst mir nicht zu erwidern«, fuhr sie fort, »er ist selber ein Alter und Abscheulicher, das sehe ich daraus, daß er dich als Gelegenheitsmacherin vorschickt.« Die Amme erwiderte kein Wort. »Gestehe mir«, rief die Färberin, »daß du eine bezahlte Kupplerin und Betrügerin bist, und daß alles Gaukeleien sind, womit du darauf aus bist, mir den Kopf taumelig zu machen!« Die Alte blieb stumm. »Meinen Pantoffel in dein Gesicht, du Hexe«, schrie die Junge, »da nimm dafür, daß du mich mein Elend erst recht hast fühlen machen, da nimm« – und sie schlug noch einmal zu – »dafür, daß du mich aus dem Regen in die Traufe bringen wolltest, denn wer wird er denn sein, der deinesgleichen mir ins Haus schickt, – hat er mich vielleicht auf der Straße gesehen und untersteht er sich, mich so ohne weiteres haben zu wollen? – sag mir das noch, bevor ich dich hinausjage, und dann frage ihn, wer ihm erlaubt hat, sein Auge zu mir zu heben! Erzähle ihm ein wenig, daß Barak der stärkste unter den Färbern ist und auch unter den Lastträgern nicht seinesgleichen hat.« Die Amme blieb regungslos und schwieg beharrlich; sie hatte ihren Kopf ein weniges von der Erde gehoben, aber es schien, sie getraue sich nicht, dem Blick ihrer zürnenden Herrin zu begegnen. Erst als diese von ihr ließ und mit schleppenden Schritten wegging, sah sie ihr nach und flüsterte, wie ihrer selbst vergessen, ins Leere: »Sieh hin, o mein Gebieter, hat sie nicht einen schwimmenden Gang gleich einer verdürsteten Gazelle?« »Meine Finger um deine Kehle«, schrie die Färberin, die jedes Wort verstanden hatte, und wandte sich jäh um, »mit wem redest du, du Hexe?« Die Röte war aus ihrem Gesicht geschwunden, sie war blaß und sah aus wie ein geängstigtes Kind. »Mit ihm, der draußen steht, mit ihm, der die Hände reckt gegen die Türe deines Hauses, der den Kopf sich zerschlägt gegen die Mauer deines Hauses, der sein Gewand zerrissen hat vor Verlangen und vergeblicher Sehnsucht.« »Komm her zu mir«, sagte die Färberin mit veränderter Stimme, »komm, aber berühre mich nicht!« Sie setzte sich auf ihr Lager und ließ die Alte dicht an sich herankommen. »Du bist eine Kupplerin«, sagte sie, »wehe mir, und eine von den gewöhnlichen, und du bist an mich gekommen, weil ich arm bin, und hast aufs Geratewohl deine gewöhnlichen Künste gebraucht, verziehen seien sie dir. Jetzt aber laß ab von mir und nimm diese mit dir, denn ich will euch nicht länger im Hause behalten: das ist es, was ich bedacht habe, als ich auf meinem Bette saß und stumm war. Ich will nicht mit dir gehen, und ich will den nicht sehen, der dich ausgeschickt hat; denn ich bin seiner überdrüssig, bevor ich ihn gesehen habe. Die Begehrlichen sind einander gleich auf dieser Welt, und ihr Begehren ekelt mir.« Sie sah um sich im ganzen Raum, als sinne sie über etwas nach. »Vieles war unrein, und ihr habt es rein gemacht«, fuhr sie fort, »aber es ist nichts besser geworden, die Geräte sind mir nicht lieber als zuvor, und das Haus ist mir trauriger als ein Gefängnis. Du bist hereingekommen zur bösen Stunde, du hast mir ins Ohr geflüstert vom Freudenleben, das auf mich wartet, das war deine schwärzeste Lüge, denn es kommt nichts für mich, als was schon gewesen ist. Ich bin wie eine angepflöckte Ziege, ich kann blöken Tag und Nacht, es achtet niemand darauf, treibt mich der Hunger, so nehme ich mit meinem Munde Nahrung in mich, und so lebe ich einen Tag um den andern, und das geht so fort, bis ich dein runzliges Kinn habe und deine rinnenden Augen, ich Unglückselige.« Die Tränen überwältigten ihre Stimme, sie sank nach vom, die Alte unterstützte sie. Ganze Bäche stürzten ihr über die Wangen, die Alte sah es mit Entzücken. Sie ließ die Weinende leise auf das Bett gleiten, sie streichelte ihr die Wangen, sie küßte ihr die Fingerspitzen, die Knie. »Oh, wie du bist, du Köstliche, wie Räucherwerk bist du, das seinen Duft lange in sich hält in der Kühle, du Strenge gegen dich selber.« »Warum zündest du Weihrauch an, ich will es nicht«, sagte die Frau mit schwacher Stimme und richtete sich in den Armen der Alten halb auf. »Es ist kein Ambra, es sind keine Narden«, murmelte die andere, »es ist der Duft der Sehnsucht und der Erfüllung.« »Sprich keine Zauberworte«, rief die Junge ängstlich und zuckte in den Armen, die sie fest umschlangen und auf das Bett niederdrückten. »Ruhig, du Unnennbare, du bist es selber«, rief die Amme, »dein Hauch ist süßer als Narden, deine Blicke sättigen mit dem Feuer der Entzückung.« Die Färberin wehrte sich gegen die Umschlingung der Alten und klammerte sich doch an sie, sie sah in einem Wirbel voller Angst und Wollust nach oben in das feurige Weben hinein, aus dem ein Etwas mit durchdringender Gewalt zu ihr wollte, ihr schwindelte, und sie mußte die Augen schließen.
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