»Frage deinen Spiegel!« gab sie über die Schulter zurück. »Ich habe keinen Spiegel«, rief hastig die Färberin, »ich mache mein Haar über dem Bottich.« Das Feuer lohte höher auf und der Schatten bewegte sich und wurde schöner und schöner. – Worauf läuft es hinaus? dachte die Kaiserin und zitterte vor Fremdheit und Ungeduld. – Ihr war, als gäben die Fischlein in der Pfanne alle zusammen einen klagenden Laut. Ja, sie riefen ganz deutlich in singendem Ton diese Worte:
Mutter, Mutter, laß uns nach Haus.
Die Tür ist verriegelt: wir finden nicht hinein.
»Wo bin ich«, sprach die Kaiserin, »höre ich es allein?« Der Laut traf sie an einer Stelle so tief und geheim, daß dort nie etwas sie getroffen hatte. Die Amme hantierte am Feuer wie eine Tolle, die Pfannen hüpften, das Öl sott, die Fische schnalzten, die Kuchen quollen auf. Sie schrie etwas in die Luft, in ihrer ausgereckten Hand blitzte ein kostbares Band, durchflochten mit Perlen und Edelsteinen, jenem gleich, mit dem die Kaiserin ihren Brief gesiegelt hatte, in der andern ein runder Spiegel. Sie kniete vor der Färberin nieder, die sich zu ihr auf die Erde kauerte. Die Alte führte ihr die Hand, das Haarband flocht sich ins Haar, das junge Gesicht glühte aus dem runden Spiegel wie aus purem Feuer wiedergeboren. Kläglich sangen die Fischlein:
Wir sind im Dunkel und in der Furcht
Mutter laß uns doch hinein
Oder ruf den lieben Vater
Daß er uns die Tür auftu!
Hören die es nicht? dachte die Kaiserin, ihr wurde dunkel vor den Augen, aber die Sinne vergingen ihr nicht. Deutlich sah sie die beiden andern Gestalten. Die Junge lag gekauert und sah unablässig in den Spiegel, die Alte sprang zwischen ihr und dem Herd hin und her. »Mir hat Ähnliches geträumt«, sagten die Lippen der Färberin. Das Gesicht der jungen Frau war seltsam verändert und ihre nächsten Worte waren nicht zu verstehen. Die Alte sprang auf sie zu wie ein Liebhaber, sie kniete bei ihr nieder, ihr Mund flüsterte dicht am Ohr: »Hat dir auch geträumt, daß es auf ewig sein wird?« Sie verstanden sich mit halben Worten. Die Junge sank zusammen vor Glück, ihr Auge drehte sich nach oben, daß man nur das Weiße aufleuchten sah. »Drei Nächte zuerst – wirst du stark sein?« zischte die Amme, »drei Nächte ohne deinen Mann.« Die Junge nickte dreimal, – »das ist nichts, aber was kommt dann?« flüsterte sie, »ist es arg? ist es gräßlich, was ist es, das ich tun muß?« »O du Unschuldige«, rief die Amme, streichelte ihr die Hände, die Wangen, die Füße. »Ein Nichts ist es.« »Wirst du zu meinem Beistand bei mir sein?« hauchte die Färberin. »Sind wir nicht deine Sklavinnen von Stund an!« rief die Alte. »Sag mir, wie es sein wird«, fragte die Junge. »Du erwartest das Große und wirst erstaunen über das Geringe«, entgegnete die Amme. »Die drei Nächte und der feste Entschluß, diese sind das Schwere.« »Der Entschluß ist gefaßt und die drei Nächte sind mir leicht, sag mir, wie das Werk vollbracht wird!«
»Du schleichst dich zwischen Tag und Nacht aus dem Haus an ein fließendes Wasser«, sagte die Amme. »Der Fluß ist nah«, lispelte die Junge.
»Dem fließenden Wasser kehrst du den Rücken und tust die Kleider ab, behältst nichts an dir als den Pantoffel am linken Fuß.«
»Nichts als den?« sagte die Färberin und lächelte ängstlich.
»Dann nimmst du sieben solcher Fischlein, wirfst sie mit der linken Hand über die rechte Schulter ins Wasser und sagst dreimal: 'Weichet von mir, ihr Verfluchten, und wohnet bei meinem Schatten.' Dann bist du die Ungewünschten für immer los und gehest ein in die Herrlichkeit, wovon dieses Haarband und das Mahl, das ich hier bereitet habe, nur ein erbärmlicher Vorgeschmack ist.«
»Was soll das bedeuten, daß ich zu ihnen, die nicht gewünscht sind, sagen werde: Wohnet bei meinem Schatten?«
»Es ist ein Teil des Bundes, den du schließest, und soll heißen, daß in dieser Stunde dein trüber Schatten von dir abfallen wird und du eine Leuchtende sein wirst so von vorne als in deinem Rücken.« Die Frau sah mit einem verlorenen Blick über den Spiegel hinweg. »Ich werde es tun«, sagte sie dann. »Mutter o weh!« riefen die Fischlein mit ersterbender Stimme und waren fertig gekocht. Die Kaiserin allein hörte den Schrei und er durchdrang sie, und sie mußte für eine unbestimmte Zeit die Augen schließen. Als sie sie wieder aufschlug, sah sie beim Scheine des zusammengesunkenen Feuers, wie die Färberin sich bückte und der Alten die Hand küssen wollte. Vorne im Zimmer, nahe der Feuerstelle, war aus der Hälfte des Ehelagers für den Färber Barak eine Schlafstätte errichtet, hinten war vor das Lager der Frau ein Vorhang geschoben. Die Amme verneigte sich tief vor der Färberin und zog ihre Tochter nach sich zur Tür hinaus. »Was ist geschehen?« fragte die Kaiserin, als sie durch die Nacht hinschwebten.
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