»Viel«, erwiderte die Amme. »Ist es vollbracht?« fragte die Kaiserin und rührte zutraulich die Amme an, vor der ihr nicht mehr graute, seit sie sie nicht mehr mit den Menschen sah. Die Alte gab ihr einen fast spöttischen Blick zurück: »Geduld!« sagte sie, »alles will seine Zeit.«

 

Drittes Kapitel

 

Der Färber Barak kam spät nach Hause. Er fand das Gemach dunkel und erfüllt von Duft wie das Haus eines Reichen. Nachdem er ein Licht entzündet hatte, sah er zu seiner unmäßigen Überraschung das eheliche Lager entzweigeteilt, und die eine Hälfte an einer völlig ungewohnten Stelle nahe am Herd, die ihn zu erwarten schien, die andere mit einem Stück Zeug verhängt. Er ging hin, und indem er das Licht mit der Hand verdeckte, schob er den Vorhang beiseite und fand seine Frau, die mit geballten Fäusten schlief wie ein Kind. Ihr Atem ging ruhig, und sie schien ihm begehrenswert, aber er hielt sich im Zaum, ging mit leisen Schritten an den Herd und fand, dem Geruch nachgehend, den Rest einer köstlichen Mahlzeit von Fischen und gewürzten, in Öl gebackenen Kuchen, derengleichen er niemals gegessen hatte. Er sparte sich einen halben Fisch und einen Teil von den Kuchen vom Munde ab und trug diese Reste mit leisen Schritten hinaus in den Schuppen, damit sein jüngster Bruder, der Verwachsene, wenn ihm nachts oder früh am Morgen noch nach Essen gelüstete, sie fände. Dann ging er zu seinem Lager und verrichtete auf dem Bette sitzend ein kurzes Gebet; nachher verharrte er noch eine Weile regungslos und sah unverwandt auf den Vorhang hinüber, der ihm den Anblick seiner Frau verwehrte. Aber es regte sich nichts, und mit einem leisen Seufzer, der aber doch wie bei ihm alles gewaltig war, streckte er seine Glieder und schlief sogleich ein. Am nächsten Morgen ging er vor Tagesgrauen hinaus an den Fluß, er nahm einen Stampfmörser mit und verrichtete diese Arbeit draußen hundert Schritte vom Haus, um mit dem Geräusch den Schlaf seiner Frau nicht abzukürzen. Als er wiederkam, sah er zwei fremde Frauen, die hereinschlichen und die Schwelle des Wohngemaches überschritten, als ob sie hier zu Hause wären. »Das sind meine Muhmen, die mir dienen werden ohne Lohn«, sagte die Frau, die zu seinem Staunen schon auf war. Als die beiden Fremden sich bückten, um den Saum ihres Kleides zu küssen, war ihre Haltung, mit der sie es geschehen ließ, von einer Anmut, daß er meinte, sie nie so schön gesehen zu haben. Aber er hatte keine Zeit, seinen Blick an ihr zu weiden. Er lud sich eine gehörige Last frisch gebeizter Tierhäute auf den Rücken, die Alte sprang herzu und war ihm behilflich. Sie lief ihm voran an die Tür, tat sie für ihn auf und verneigte sich, als er vorüberging. »Komm bald wieder nach Hause, mein Gebieter«, rief sie dann, »meine Herrin verzehrt sich vor Sehnsucht, wenn du nicht da bist!« Dann war sie mit einem Sprung bei ihrer jungen Herrin und zeigte ihr ein Gesicht, das den Hinausgegangenen lautlos verlachte. »Die Augenblicke sind rinnender Goldstaub«, zischte sie, »heran, daß ich dich schmücke und mit dir ausgehe.«

»Wir haben nichts außer dem Haus zu suchen«, sprach die Frau.

»So verstattest du, daß ich den rufe, der danach schmachtet, zu kommen.«

»Von wem redest du da?« sagte die Frau ganz kühl und sah ihr hart ins Gesicht. Die Amme war betroffen, aber sie ließ es sich nicht merken. »Von dem auf der Brücke«, gab sie ohne Verlegenheit zurück, »von diesem rede ich, von dem unglückseligsten unter den Männern! Verstatte, daß ich ihn rufe und ihn hereinhole zur Schwelle der Sehnsucht und der Erhörung!« »Ich will das Haus rein«, sagte die Färberin und sah an der Alten vorbei, »die Kessel sollen blank werden und die Mörser gescheuert, die alten Rührstangen sollen aussehen wie neu, der Boden muß aufgewaschen sein und so fort, eines nach dem andern.« »O meine Herrin«, rief die Alte kläglich, »bedenke: es gibt einen, dem der Gedanke an dein offenes Haar die Knie zittern macht.« »Die Küpen hinaus zum Schwemmen«, rief die Färberin, »du Schamlose, die Tröge, Fässer rein, neues Brennholz aus dem Schuppen, fünf Klafter geschichtet, Feuer unter die Kessel, die Mühlen gedreht, daß die Funken stieben, die Betten gemacht, auf, eins, zwei! Vorwärts ihr beiden! Barak, mein Mann, soll sich freuen, daß ich zwei Dienerinnen habe.« »Wehe uns«, rief die Alte und fiel der Frau zu Füßen. »Hinaus mit uns, meine Tochter, wir sind der Herrin verächtlich, und sie will nicht, daß wir ihr dienen zu wahrem Dienst!«

»Seid ihr mir in Dienst gestanden oder nicht?« schrie die Färberin böse und entzog der Alten ihren Fuß, daß sie taumelte. »Habt ihr mir geschworen oder nicht?« Und sie stampfte auf. Die Amme und die Kaiserin liefen, sie machten flink die Betten, sie trugen die Küpen und Zuber zum Schwemmen; dann schleppten sie das Brennholz aus dem Schuppen herbei und schichteten es auf, sie putzten die Mörser blank und kratzten die Schöpfkellen ab. Indessen hatte die Färberin sich unter ihrem Kopfkissen das köstliche Haarband und den Spiegel hervorgeholt. Sie saß an der Erde auf einem Bündel getrockneter Kräuter und schmückte sich, aber ihr Gesicht war unfreudig. »Ihr meint, ihr habt mich in der Tasche«, rief sie über die Schultern, »ja, da hättet ihr früher aufstehen müssen! Lauft nur und schwitzt.« »Du wirst hungrig sein, o meine Herrin«, sagte demütig die Alte. »Nichts macht so hungrig als arbeiten sehen«, und reichte ihr auf einem Teller eine Menge von kleinen Pasteten von zartem gewürztem Duft, derengleichen der Färbersfrau nie vor Augen gekommen: sie besah sie mit Verwunderung, nahm dann den Teller und aß eine der kleinen Pasteten nach der anderen. Als Barak mittags nach Hause kam, hatte sie keinen Hunger und ließ die Mahlzeit unberührt, welche die Amme gekocht und die Barak wohlschmeckte. Sie sprach auch wenig und antwortete nicht auf die Fragen ihres Mannes.