.
Da wurden ihre Wünsche wie ein Wort
und flatterten wie Schwalben um die Eine,
die mit dem Blinden zog von Ort zu Ort:
»Maria, du Reine,
sieh, wie ich weine.
Und es ist seine
Schuld. In die Haine
führ ihn fort!«
Bei allen Bäumen blieb der blinde Knabe,
auf den der Mutter müde Schönheit schien,
und sang das Lied, das ihm sein Leid verliehn:
»Oh hab mich lieb, weil ich den Himmel habe – «
Und alle blühten über ihm.
〈DIE NONNE〉
Die blonde Schwester trat in ihre Zelle
und schmiegte sich an sie: »Um meine Ruh
ist es geschehn. Ich wurde wie die Welle
und muß den fremden Meeren zu.
Und du bist klar. Du Heilige, du Helle,
mach mich wie du.
Gieb mir den Frieden, den du heimlich hast
und ohne Angst, so wie ihn keine hat, –
gieb mir die Rast;
daß ich ein Fels bin, wenn die Flut mich faßt,
und nicht ein Blatt. «
Und leise neigte sich die Nonnenhafte –
nicht tief;
nur wie die Blüte horcht vom hohen Schafte,
wenn Wind sie rief.
Sie hatte längst die Gesten den Geländen
entlernt – die leise gebenden –
und fügte einen Kranz aus ihren Händen
und schenkte lächelnd ihn der Bebenden.
Und nach dem Schweigen waren sie sich nah;
so daß sie sich nicht dunkel fragen mußten
und sich nur klar das Letzte sagen mußten,
und das geschah:
»Sprich mir von Christo, dessen Braut du bist,
der dich erkor.
Und seiner Liebe, deren Laut du bist,
tu auf mein Ohr.
Laß mit mich wohnen
in seiner Trauer, deren Trost du bist!
Du Leiserlöste, wie erlost du bist
aus Millionen. «
Da küßte kühler sie die Priesterin
und sprach:
»Ich bin ja selbst an Gottes Anbeginn,
und dunkel ist mir meiner Sehnsucht Sinn –
Weit ist der Weg, und keiner weiß wohin,
doch sag ich dir, weil ich die Schwester bin:
Komm nach.
Mit einemmale wird dir Alles weit,
du langst dir nach.
Nur eine Weile geht noch aus der Zeit
die Angst dir nach.
Doch wenn du glaubst, so kann sie weit nicht mit
und sie wird lahm
und bleibt zuletzt.
Und wie es kam?
Das, was ich einmal litt,
lobpreis’ ich jetzt.
Und Nächte giebt es, da die blasse Scham
entflieht,
da schenkt sich Jesus wie ein Lied
mir hin,
und meine Seele sieht,
daß ich ein Wunder bin,
das ihm geschieht. «
Die Schwestern waren Brust an Brust gepreßt
und beide jung im Glühn des gleichen Scheines:
»Dann bin ich mit dem großen Leben Eines
und fühle tief: das ist das Hochzeitsfest,
und alle Krüge wurden Krüge Weines. «
Da neigten die Mädchen sich Leib an Leib:
es war, als ob derselbe Sturm sie streifte
und sie umwob
und dann die Blonde hob
in einen Sommer hoch, darin sie reifte
– zum Weib.
Denn sie küßte die Schwester mit fremdem Kuß
und lächelte fremd: »Vergieb, – ich muß. –
Weißt du noch von dem blonden Gespielen?
Und wir warfen nach weißen Zielen
schlanke Speere im alten Park:
Der ist jetzt stark. «
Und da hielt die Nonne die Schwester nicht –
sah der Schwester nicht ins Gesicht,
ließ sie ganz langsam los,
wurde groß …
Die Blonde erschrak; denn kein Segen kam,
und bange bat sie: »So bist du mir gram?«
Die Heilige träumte: Ich hab dich lieb.
Und hielt der Schwester die Hände her,
leer, –
als flehte sie: gieb.
AUS DEM BUCHE:
DIR ZUR FEIER
(1897/1898)
〈Geschrieben für Lou Andreas-Salomé〉
Ich möchte dir ein Liebes schenken,
das dich mir zur Vertrauten macht:
aus meinem Tag ein Deingedenken
und einen Traum aus meiner Nacht.
Mir ist, daß wir uns selig fänden
und daß du dann wie ein Geschmeid
mir löstest aus den müden Händen
die niebegehrte Zärtlichkeit.
Du meine Hohe, weise
mich weiter auf deiner Bahn;
komm und tu mir leise
Wunder um Wunder an.
Ich habe viel gelitten,
vieles starb und brach, –
jetzt geh ich mit blinden Schritten
deinem Leben nach.
Sehr alte Schmerzen rücken
zurück in ein Verzeihn,
mir baun sich goldne Brücken
zu deinem Gütigsein.
Ob auch die Stunden uns wieder entfernen:
wir sind immer beisammen im Traum
wie unter einem aufblühenden Baum.
Wir werden die Worte, die laut sind, verlernen
und von uns reden wie Sterne von Sternen, –
alle lauten Worte verlernen:
wie unter einem aufblühenden Baum.
Ich möchte Purpurstreifen spannen
und möchte füllen bis zum Rand
mit Balsamöl aus Onyxkannen
die Blumenlampen, die entbrannt
im Mittag flammen, und verbrennen
bis wir uns mit dem Namen nennen,
der Sterne ruft und Tage bricht;
die Täler taun, die Winde fallen
den Dingen in den Schooß und allen
ist bang nach deinem Angesicht.
Mein Leben ist wie leise See:
Wohnt in den Uferhäusern das Weh,
wagt sich nicht aus den Höfen.
Nur manchmal zittert ein Nahn und Fliehn:
aufgestörte Wünsche ziehn
darüber wie silberne Möven.
Und dann ist alles wieder still …
Und weißt du was mein Leben will,
hast du es schon verstanden?
Wie eine Welle im Morgenmeer
will es, rauschend und muschelschwer,
an deiner Seele landen.
Leise ruft der Buchenwald.
Winkt mit seinen jungen Zweigen
weit hinaus ins Wiesenschweigen.
Kommt mein blonder Liebling bald
mir die tiefen Wege zeigen,
wo die Lichter wie Elfen reigen?
Kommt mein blonder Liebling bald?
Grüßend wird meine Seele sich neigen.
Meine Seele ist maieneigen
wie der rufende Buchenwald.
… Für die wir uns die Träume gaben
war eine Nacht so sanft und lind,
drin alle Brunnen Feeen haben,
und auch die träumerischen Knaben
vergessen Schätze zu ergraben,
weil alle Dinge kostbar sind.
Da hörte ich dich noch von ferne,
und deine liebe Stimme schien
als wohntest du im ersten Sterne …
Ich stand in meiner Taltaverne
und suchte ihn.
Ich geh dir nach, wie aus der dumpfen Zelle
ein Halbgeheilter schreitet: in der Helle
mit hellen Händen winkt ihm der Jasmin.
Ein Atemholen hebt ihn von der Schwelle, –
er tastet vorwärts: Welle schlägt um Welle
der großbewegte Frühling über ihn.
Ich geh dir nach in tiefem Dirvertrauen.
Ich weiß deine Gestalt durch diese Auen
vor meinen ausgestreckten Händen gehn.
Ich geh dir nach, wie aus des Fiebers Grauen
erschreckte Kinder gehn zu lichten Frauen,
die sie besänftigen und Furcht verstehn.
Ich geh dir nach. Wohin dein Herz mich führe
frag ich nicht nach. Ich folge dir und spüre
wie alle Blumen deines Kleides Saum . .
Ich geh dir nach auch durch die letzte Türe,
ich folge dir auch aus dem letzten Traum …
Leise hör ich dich rufen
in jedem Flüstern und Wehn.
Auf lauter weißen Stufen,
die meine Wünsche sich schufen,
hör ich dein Zu-mir-gehn.
Jetzt weißt du von dem Gefährten,
und daß er dich liebt … das macht:
es blühen in seinen Gärten
die lang vom Licht gekehrten
Blüten, blühn über Nacht …
Das Land ist licht und dunkel ist die Laube,
und du sprichst leise und ein Wunder naht.
Und jedes deiner Worte stellt mein Glaube
als Betbild auf an meinen stillen Pfad.
Ich liebe dich. Du liegst im Gartenstuhle,
und deine Hände schlafen weiß im Schooß.
Mein Leben ruht wie eine Silberspule
in ihrer Macht. Lös meinen Faden los.
Zwei weiße Nonnenhände mühen
nie sich um einen lichten Preis,
zwei weiße Nonnenhände blühen,
ohne daß es der Frühling weiß.
Zwei weiße Nonnenhände halten
nichtmehr das Leben, das sie umspinnt;
müssen sich fest zusammenfalten,
weil sie beide so einsam sind.
Deine Stube mit den kühlen
Rosen in den vielen Vasen,
drinnen wir in tiefen Stühlen
lehnten, leise Lieder lasen –
und mein Auge sehnte zag:
ist die einsame Kapelle,
welche Zuflucht mir bedeutet;
warten will ich an der Schwelle,
bis mir deine Stimme läutet
meinen Lebensfeiertag.
Der Regen greift mit seinen kühlen
Fingern uns die Fenster blind;
wir lehnen in den tiefen Stühlen
und lauschen, wie aus müden Mühlen
die leise Dämmerstunde rinnt.
Und dann spricht Lou. Und es verneigen
sich unsre Seelen. Auch der Strauß
am Fenster grüßt aus hohen Zweigen,
und wir sind alle heimateigen
in diesem leisen weißen Haus.
Wir lächeln leis im Abendwind,
wenn sich die Blumen schwankend küssen
und wenn die Vögel müde sind.
Weil wir nicht mit der Sonne müssen,
die breit auf flachen Abendflüssen
aus unsern Wiesentalen rinnt.
Wir bleiben, und wir sehn die Nacht
aufwachsen, weit und Wunder werden,
sehn Berge, Bilder und Gebärden
viel größer als wir je gedacht.
Sehn, was die Blüten nicht ertrügen,
was Vögel erst nach langen Flügen
erreichen würden, stellt sich nah
und was am Morgen schon erstarrt
in Stille ist und Gegenwart,
wir kannten es, als es geschah …
Du, wie heilig sind die Abendhaine.
Sonne hat dein Blondhaar sich geraubt,
meine Seele betet und die deine
tut die Wunder, die sie von ihr glaubt.
Ein ganz weißes Dorf geht fern verloren,
bleicher breitet sich der Fluß und glatt –
und wir warten an den letzten Toren
auf ein Winken aus der Sternenstadt.
Unsere Liebe hat keine Gewalten.
So will uns unsere Liebe sehn:
daß wir uns bei den Händen halten
und durch Gesichte und Gestalten
ihrem Garten entgegengehn.
Keine Tore dürfen wir sprängen
auf dem weiten Wandern ins Glück;
aber, wenn uns in Gartengängen
reife Ranken den Weg verhängen,
drängen wir sie zärtlich zurück.
Suchen kommt mich in Abendgeländen
eine Stunde, die segnen kann.
Und mit hellen heiligen Händen
rührt sie leise mein Leben an.
Und sie greift in gebenden Gnaden
in seine Tiefen wie in ein Spind,
öffnet alle unsichtbaren Laden,
drinnen Gewebe mit träumenden Faden,
Perlen, gelandet an andern Gestaden,
Kronen kommender Reiche sind …
Ich fühle oft mitten im Alltagsmühn
wenn mein Wesen dürstet:
Alltagsabend und Sonntagsfrühn
hat mich dennoch gefürstet.
Ich weiß oft mitten im Alltagsgrau:
Ich darf mit meinem Beschwören
deine Stille nicht stören.
Du bist so leise, liebe Frau.
Du wirst mein Schweigen hören.
Sei du mir Omen und Orakel
und führ mein Leben an zum Fest,
wenn meine Seele, matt vom Makel
die Flügel wieder fallen läßt.
Gieb mir das Niebeseßne wieder:
das Glück der Tat, das Recht zu Ruhn, –
mit einem Wiegen deiner Glieder,
mit einem Blick für meine Lieder,
mit einem Grüßen kannst du’s tun.
Das Leben ist gut und licht.
Das Leben hat goldene Gassen.
Fester wollen wirs fassen,
wir fürchten das Leben nicht.
Wir lieben Stille und Sturm,
die bauen und bilden uns beide:
Dich – kleidet die Stille wie Seide,
mich – machen die Stürme zum Turm …
Ich denke an Frauen aus lichten Legenden.
Sie erschauern in scheuem Schmerz.
Und in hellen heiligen Händen
bringen sie weinend ihr weißes Herz,
schreiten einsam durch weite Gelände
wilde Wege, lebenwärts –
Und in heischende heiße Hände
legen sie leise ihr weißes Herz.
Du lächelst leise, und das große
Auge grüßt die Dämmerung.
Die Hände schimmern dir im Schooße
und deine Hände sind so jung.
Sie sind nicht müde, wenn sie rasten;
ein Lauschen nur ist ihre Ruh.
Sie warten wie auf Orgeltasten
einer neuen Hymne zu.
Leg du auf meine Lebensgeige
die Hände an des Schicksals Statt, –
daß ich vergesse, wasfür feige
Töne jede Saite hat.
Lehr mich ein Lied. Ein Lied, das zage
wie Glückserinnerung beginnt.
Ein Lied für meine Feiertage,
die ohne alle Hymne sind.
Wenn eng mit Zeit und Stundenschlagen
der Alltag ärmlich uns umspinnt,
geschieht mir oft: ich muß dich fragen:
Glaubst du, daß wir das selber sind?
Wir gehn gewiß in stillen Wiesen,
aus denen Zeit und Stunde wich,
und unsre Stirnen sind gleich Friesen
mit Knaben die auf Flöten bliesen,
so friedlich, still und feierlich.
Wir wissen nicht vom Sinn der Tage.
Und unsre kühlen Hände sind
zwei Zweigen ähnlich, die sich zage
entgegenwachsen durch den Wind.
Im Alltag tasten unsre Träume
uns mühsam nach und sind in Mühn,
wenn wir schon, schön wie junge Bäume,
dem Sommerlos entgegenblühn.
Ich bin so still, du Traute,
und immer schweigen wir.
Du bist eine schlanke Laute,
der Frühling spielt auf dir.
Drum bin ich so still, du Ziere,
weil oft mir Angst geschieht,
daß ich einen Laut verliere
aus deinem lieben Lied.
So milde wie Erinnerung
duften im Zimmer die Mimosen.
Doch unser Glaube steht in Rosen,
und unser großes Glück ist jung.
Sind wir denn schon vom Glück umglänzt?
Nein, uns gehört erst dieses Rufen,
dies Stillestehn auf weißen Stufen,
an die der tiefe Tempel grenzt.
Das Warten an dem Rand des Heut.
Bis uns der Gott der reifen Keime
aus seinem hohen Säulenheime
die Rosen, rot, entgegenstreut.
Nur fort von allen vielen,
welche das Leben spielen:
Das war mein blindes Zielen,
war ohne Sinn und Saum.
Jetzt weiß ich: Dir entgegen
trieb ich auf tausend Wegen
am Tage und im Traum.
Und du bist das Erlösen,
nach welchem ich in bösen,
bangen Fiebern schrie;
im Dicherkennen sanken
meine reisigen reifsten Gedanken
wie Kinder in die Knie.
Der Sturm will herein,
ihm ist bang in den Bäumen.
Und ich bin allein
und traurig von Träumen,
die ich durchlitt.
Und ich sehne mich längst:
nicht sinnen und säumen, –
wie einen Hengst
ihn zähmen und zäumen
zu berauschendem Ritt.
Und des Sturmes Schritt
soll in leichtem befreiendem Wagen
weit an die Wipfel der Wälder schlagen,
über Wasser und Wall, über Nachten und Tagen
über Hüttenhocken und Kirchenragen,
über Tiefen und Türme tragen!
Und du komm hoch! Meinem jubelnden Jagen
raub ich dich mit.
Der Abend ist mein Buch. Ihm prangen
die Deckel purpurn in Damast.
Ich löse seine goldnen Spangen
mit kühlen Händen, ohne Hast.
Und lese seine erste Seite,
beglückt durch den vertrauten Ton, –
und lese leiser seine zweite,
und seine dritte träum ich schon …
Du weißt: mein müder Wille
lag vor dir auf den Knien,
und flehte: »Sei die Stille … «
Und du erhörtest ihn.
Du sahst: in heißem Hauchen
ward Kranz und Kraft ihm alt,
und er muß Kühle brauchen –:
da warst du wie der Wald.
Und hattest tausend Tiefen,
und wurdest wild und weit,
und viele Stimmen riefen
aus deiner Seltsamkeit.
Du warst so kinderweiß in deiner Seide,
ich aber wollte dich zur Königin;
und ging hinaus zum wilden Wuchs der Weide
und sagte ihr, daß ich der Herbststurm bin …:
Da gab sie gerne ihre Gerten hin.
Ich feierte ein Fest der Flagellanten,
und als die Narben in den Nächten brannten, –
ließ ich dir leise von den roten Ruten
den Purpur um die weißen Schultern bluten,
bis alle meine Königin erkannten.
Komm ich heimwärts oft von weiten Wegen,
bin ich leise und mein Aug ist klar.
Dann ersehn ich blondes Kinderhaar,
leise meine Hände hinzulegen.
Und ein Wort, an das nur Kinder glauben,
geht auf meinen Lippen sinnlos ein, –
und ich warte weinend, wann im Wein
sich erfüllen wird der Traum der Trauben.
Im Traume malte ich ein Triptychon:
Licht
in der Mitte stand dein Mutterthron.
Du wiesest lächelnd hin zum linken Rahmen,
und meine Tochter nanntest du beim Namen –
und dann zur rechten: »Siehe deinen Sohn.«
Und beide Kinder waren zart und zag,
und ihre Augen sprachen sanften Segen.
Sie trugen Gold aus tausendeinem Tag
auf ihren Haaren deinem Licht entgegen.
Sie gingen leise, die dein Lächeln lenkte.
Es wurde ihren Schritten Melodie;
du warst die Schenkende und Dochbeschenkte:
so reich warst du, so selig waren sie.
Still hing der Himmel hinter deinem Throne
in blauer Tale fernes Irgendwo:
hinter den Heiligen des Giorgione
verleuchtete die terra ferma so.
Ich stand in Staunen: E i n e Stille strahlte
um meine Dreiheit …
Die Erinnerung,
daß ich der Meister bin, der so dich malte,
bleibt nach dem Traum und macht den Mut mir jung.
Und wenn ich rastend dir die Hände gebe,
und dann mein Schauen in die Himmel hebe:
wie pfeilgetroffen aus der ersten Schwebe
fällt dir mein Blick erstrebend in den Schooß.
Ich berge meine Stirne und ich bebe:
die Nächte sind noch immer sternelos.
Und diese Nächte zeigen mir kein Ziel.
Sie leben von des Abends Glanzalmosen,
von den Laternenlampen, von den losen
Reflexen, von dem irren Irrlichtspiel, –
und warten, bis aus roten Morgenrosen
der blasse Tag in ihre Fenster fiel.
Und ich muß denken, wie die Nächte nahen,
nach denen meine Träume lange schmachten:
Sie fahren an wie diamantne Yachten
und tragen frohe Fahnen, hohe Frachten,
alle Matrosen sind in Märchentrachten
und fremde Vögel, welche Winde brachten,
die günstig wehten, rasten in den Rahen.
Und aufwärts von der Kühle ihres Kieles
bis an der Maste matte Flammenspitzen:
Das Silber in den Rissen, Rillen, Ritzen,
Kleinode, die an Bord und Bug erblitzen,
die Sehnsucht ihrer Segel – und noch vieles –
wird Alles unsre Seligkeit besitzen.
… Oft sehn sich unsre Seelen tagelang nicht.
Und meine, dürstend, deine zu entdecken,
will ihre Arme aus dem Alltag strecken,
schaut hinter deines Lachens Rosenhecken
und lugt und lauscht und findet ihren Klang nicht
Aber ich ahne an Abendrainen
werden wir unsere Seelen uns zeigen.
Und aus der meinen und aus der deinen
werden Gestalten der Stille steigen,
die sich leise entgegenweinen …
Wenn ich manchmal in meinem Sinn
ein Begegnen dem andern vergleiche:
du bist immer die reichende Reiche
wenn ich der dürftige Bettler bin.
Wenn du mir leise entgegenlebst
und, kaum lächelnd, mit einem Male
deine Hand aus Gewändern hebst,
deine schöne, schimmernde, schmale …:
in meiner Hände hingehaltne Schale
legst du sie leichtgelenk,
wie ein Geschenk.
Unsere Träume sind Marmorhermen,
die wir in unsere Tempel stellen,
und sie mit unseren Kränzen erhellen,
und sie mit unseren Wünschen erwärmen.
Unsere Worte sind goldene Büsten,
die wir durch unsere Tage tragen;
die lebendigen Götter ragen
in der Kühle anderer Küsten:
Wir sind immer in e i n e m Ermatten,
ob wir rüstig sind oder ruhn,
aber wir haben strahlende Schatten,
welche die ewigen Gesten tun.
Einmal, am Rande des Hains,
stehn wir einsam beisammen
und sind festlich, wie Flammen –
fühlen: Alles ist Eins.
Halten uns fest umfaßt;
werden im lauschenden Lande
durch die weichen Gewande
wachsen wie Ast an Ast.
Wiegt ein erwachender Hauch
die Dolden des Oleanders:
sieh, wir sind nicht mehr anders,
und wir wiegen uns auch.
Meine Seele spürt,
daß wir am Tore tasten.
Und sie fragt dich im Rasten:
Hast Du mich hergeführt?
Und du lächelst darauf
so herrlich und heiter
und: bald wandern wir weiter:
Tore gehn auf …
Und wir sind nichtmehr zag,
unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein
aus dem vergangenen Tag.
… Bannt mich die Arbeit an den Rand des Pultes:
es rauscht um mich wie tausend Cherubim;
es findet mich in Tagen des Tumultes
und in der Stille finde ich zu ihm:
Das ist das Lied, das deine Tage sind.
Und wenn es dunkelte, so ist um keinen
so tiefe Schweigsamkeit, so weites Land …
Ich höre Ungeklungnes. Und mein Weinen
ist einer tiefen Seligkeit verwandt:
der Seligkeit, die deine Nacht verschweigt.
Fragst du mich: Was war in deinen Träumen,
ehe ich dir meinen Mai gebracht?
War ein Wald. Der Sturm war in den Bäumen
und auf allen Wegen kam die Nacht.
Waren Burgen die in Feuer standen,
waren Männer, die das Schlachtschwert schlugen,
waren Frauen, die in Wehgewanden
Kleinod weinend aus den Toren trugen.
Kinder waren, die an Quellen saßen,
und der Abend kam und sang für sie,
sang solang, bis sie das Heim vergaßen
über seiner süßen Melodie.
Und ob ihr mich von Herd und Heimat triebt
noch eh ich wußte, wie die Winde wehn,
und ob ihr mich von Herd und Heimat triebt,
ich muß im Fernen nicht im Fremden gehn
und muß nicht bang sein; mir kann nichts geschehn,
seit ich begreife, wie mich alles liebt.
Ich hab das ›Ich‹ verlernt und weiß nur: wir.
Mit der Geliebten wurde ich zu zwein;
und aus uns beiden in die Welt hinein
und über alles Wesen wuchs das Wir.
Und weil wir Alles sind, sind wir allein.
Ich schreite einsam weiter. Mir zuhäupten
fühl ich den Frühling in den Zweigen zittern.
Und einmal werde ich mit unbestäubten
Sandalen warten an den Gartengittern.
Und du wirst kommen wenn ich dann dich brauche,
und wirst mein Zaudern nehmen als ein Zeichen,
und wirst mir still vom allerletzten Strauche
die vollen Sommerrosen niederreichen.
… Und dein Haar, das niederglitt,
nimm es doch dem fremden Winde, –
an die nahe Birke binde
einen kußlang uns damit.
Dann: zu unseren Gelenken
wird kein eigner Wille gehn.
Das, wovon die Zweige schwenken
das, woran die Wälder denken
wird uns auf und nieder wehn.
Näher an das Absichtslose
sehnen wir uns menschlich hin;
laß uns lernen von der Rose
was du bist und was ich bin …
O rüste dich. Leg jeden Abend leise
von deinen Dingen eines in die Truhen.
Denn wenn wir eine weite Reise tuen,
soll alles dienen dieser weiten Reise.
Laß nur die liebsten Bilder an der Wand.
Und zärtlich aus den Vasen heb die blinden
Mitternachtsblumen. Wenn wir andre finden,
soll keiner wissen mehr: in welchem Land.
Und laß zurück in deinen dunklen Schränken
die schwarze Tracht. Die Kleider aus dem Gestern.
Dein Leib soll nie mehr dieses Dunkel denken.
Und deine Seele muß ein Kleid ihm schenken,
das ihrem gleicht …
so schreiten sie wie Schwestern …
Mir ist, als ob ich alles Licht verlöre.
Der Abend naht und heimlich wird das Haus;
ich breite einsam beide Arme aus,
und keiner sagt mir, wo ich hingehöre.
Wozu hab ich am Tage alle Pracht
gesammelt in den Gärten und den Gassen,
kann ich dir zeigen nicht in meiner Nacht,
wie mich der neue Reichtum größer macht
und wie mir alle Kronen passen?
Es ist ja Frühling. Und der Garten glänzt
vor lauter Licht.
Die Zweige zittern zwar
in tiefer Luft, die Stille selber spricht,
und unser Garten ist wie ein Altar.
Der Abend atmet wie ein Angesicht,
und seine Lieblingswinde liegen dicht
wie deine Hände mir im Haar:
ich bin bekränzt.
Du aber siehst es nicht.
Und da sind alle Feste nichtmehr wahr.
Was hilft es denn, daß ich dir aufbewahre
aus meinem Wandern manches Wunderbare,
das ich empfing, und das mir fremd entglitt –
ich will nicht, daß ich Rosen für dich spare,
ich will sie jung in deinem jungen Haare,
und wenn ich wieder in den Frühling fahre:
dann mußt du mit.
So viele Villen weiß ich jetzt, in denen
kein fremder Fuß die große Stille stört,
so viele Gärten, die sich sonnig sehnen,
mit Abenden, Terrassen und Fontänen,
und manche warme Nacht an Arnolehnen,
die bange ist, weil sie nicht uns gehört.
Du bist, als ob du segnen müßtest
wen die Madonnen längst vergaßen;
und oft, im Sommer, wenn du wüßtest:
da kamst du von den Abendstraßen
so klar, als ob du Kinder küßtest,
die traurig wo am Saume saßen.
Und jeder Rhythmus, der verschwiegen
aus stillen Wiesen aufgestiegen,
schien innig sich dir anzuschmiegen,
bis alles Winken, alles Wiegen
nur in dir war und nirgends mehr.
Und mir geschah: die Welt verginge –
und das Vermächtnis aller Dinge,
ihr letztes Lied, bringst du mir her …
MIR ZUR FEIER
Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind Wünsche: leise Dialoge
täglicher Stunden mit der Ewigkeit.
Und das ist Leben. Bis aus einem Gestern
die einsamste von allen Stunden steigt,
die, anders lächelnd als die andern Schwestern,
dem Ewigen entgegenschweigt.
Ich bin so jung. Ich möchte jedem Klange,
der mir vorüberrauscht, mich schauernd schenken,
und willig in des Windes liebem Zwange,
wie Windendes über dem Gartengange,
will meine Sehnsucht ihre Ranken schwenken,
Und jeder Rüstung bar will ich mich brüsten,
solang ich fühle, wie die Brust sich breitet.
Denn es ist Zeit, sich reisig auszurüsten,
wenn aus der frühen Kühle dieser Küsten
der Tag mich in die Binnenlande leitet.
Ich will ein Garten sein, an dessen Bronnen
die vielen Träume neue Blumen brächen,
die einen abgesondert und versonnen,
und die geeint in schweigsamen Gesprächen.
Und wo sie schreiten, über ihren Häupten
will ich mit Worten wie mit Wipfeln rauschen,
und wo sie ruhen, will ich den Betäubten
mit meinem Schweigen in den Schlummer lauschen.
Ich will nicht langen nach dem lauten Leben
und keinen fragen nach dem fremden Tage:
Ich fühle, wie ich weiße Blüten trage,
die in der Kühle ihre Kelche heben.
Es drängen Viele aus den Frühlingserden,
darinnen ihre Wurzeln Tiefen trinken,
um nicht mehr könnend in die Knie zu sinken
vor Sommern, die sie niemals segnen werden.
Meine frühverliehnen
Lieder oft in der Ruh
überrankter Ruinen
sang ich dem Abend sie zu.
Hätte sie gerne zu Ronden
aneinandergereiht,
einer erwachsenen Blonden
als Geschenk und Geschmeid.
Aber unter allen
war ich einzig allein;
und so ließ ich sie fallen:
sie verrollten wie lose Korallen
weit in den Abend hinein.
Die armen Worte, die im Alltag darben,
die unscheinbaren Worte, lieb ich so.
Aus meinen Festen schenk ich ihnen Farben,
da lächeln sie und werden langsam froh.
Ihr Wesen, das sie bang in sich bezwangen,
erneut sich deutlich, daß es jeder sieht;
sie sind noch niemals im Gesang gegangen
und schauernd schreiten sie in meinem Lied.
Arme Heilige aus Holz
kam meine Mutter beschenken;
und sie staunten stumm und stolz
hinter den harten Bänken.
Haben ihrem heißen Mühn
sicher den Dank vergessen,
kannten nur das Kerzenglühn
ihrer kalten Messen.
Aber meine Mutter kam
ihnen Blumen geben.
Meine Mutter die Blumen nahm
alle aus meinem Leben.
Ich geh jetzt immer den gleichen Pfad:
am Garten entlang, wo die Rosen grad
Einem sich vorbereiten;
aber ich fühle: noch lang, noch lang
ist das alles nicht mein Empfang,
und ich muß ohne Dank und Klang
ihnen vorüberschreiten.
Ich bin nur der, der den Zug beginnt,
dem die Gaben nicht galten;
bis die kommen, die seliger sind,
lichte, stille Gestalten, –
werden sich alle Rosen im Wind
wie rote Fahnen entfalten.
Das ist der Tag, in dem ich traurig throne,
das ist die Nacht, die mich ins Knieen warf;
da bet ich: daß ich einmal meine Krone
von meinem Haupte heben darf.
Lang muß ich ihrem dumpfen Drucke dienen,
darf ich zum Dank nicht einmal ihren blaun
Türkisen, ihren Rauten und Rubinen
erschauernd in die Augen schaun?
Vielleicht erstarb schon lang der Strahl der Steine,
es stahl sie mir vielleicht mein Gast, der Gram,
vielleicht auch waren in der Krone keine,
die ich bekam? …
Weiße Seelen mit den Silberschwingen,
Kinderseelen, die noch niemals sangen, –
die nur leis in immer weitern Ringen
zu dem Leben ziehn, vor dem sie bangen,
werdet ihr nicht euren Traum enttäuschen,
wenn die Stimmen draußen euch erwachen, –
und ihr könnt aus tausend Taggeräuschen
nicht mehr lösen euer Liederlachen?
Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.
Dort wo die Kinder schläfern, heiß vom Hetzen,
dort wo die Alten sich zu Abend setzen,
und Herde glühn und hellen ihren Raum.
Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.
Dort wo die Abendglocken klar verklangen
und Mädchen, vom Verhallenden befangen,
sich müde stützen auf den Brunnensaum.
Und eine Linde ist mein Lieblingsbaum;
und alle Sommer, welche in ihr schweigen,
rühren sich wieder in den tausend Zweigen
und wachen wieder zwischen Tag und Traum.
Und einmal lös ich in der Dämmerung
der Pinien von Schulter und vom Schoß
mein dunkles Kleid wie eine Lüge los
und tauche in die Sonne bleich und bloß
und zeige meinem Meere: ich bin jung.
Dann wird die Brandung sein wie ein Empfang,
den mir die Wogen festlich vorbereiten.
Und eine jede zittert nach der zweiten, –
wie soll ich ganz allein entgegenschreiten:
das macht mich bang . .
Ich weiß: die hellgesellten Wellen weben
mir einen Wind;
und wenn der erst beginnt,
so wird er wieder meine Arme heben –
Du, den wir alle sangen,
du einziger und echter Christ,
du Kinderkönig, der du bist, –
ich bin allein: mein Alles ist
entgegen dir gegangen.
Du Mai, vor deinen Mienen
sieh mich bereit, die Arme weit:
dein Unmut, deine Zögerzeit,
dein Mut und deine Müdigkeit
hat alles Raum in ihnen …
Du wacher Wald, inmitten wehen Wintern
hast du ein Frühlingsfühlen dir erkühnt,
und leise lässest du dein Silber sintern,
damit ich seh, wie deine Sehnsucht grünt.
Und wie mich weiter deine Wege führen,
erkenn ich kein Wohin und kein Woher
und weiß: vor deinen Tiefen waren Türen –
und sind nicht mehr.
Du mußt das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und laß dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken läßt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
Ich möchte werden wie die ganz Geheimen:
Nicht auf der Stirne die Gedanken denken,
nur eine Sehnsucht reichen in den Reimen,
mit allen Blicken nur ein leises Keimen,
mit meinem Schweigen nur ein Schauern schenken.
Nicht mehr verraten und mich ganz verschanzen
und einsam bleiben; denn so tun die Ganzen:
Erst wenn, wie hingefällt von lichten Lanzen,
die laute Menge tief ins Knieen glitt,
dann heben sie die Herzen wie Monstranzen
aus ihrer Brust und segnen sie damit.
Vor lauter Lauschen und Staunen sei still,
du mein tieftiefes Leben;
daß du weißt, was der Wind dir will,
eh noch die Birken beben.
Und wenn dir einmal das Schweigen sprach,
laß deine Sinne besiegen.
Jedem Hauche gieb dich, gieb nach,
er wird dich lieben und wiegen.
Und dann meine Seele sei weit, sei weit,
daß dir das Leben gelinge,
breite dich wie ein Feierkleid
über die sinnenden Dinge.
Träume, die in deinen Tiefen wallen,
aus dem Dunkel laß sie alle los.
Wie Fontänen sind sie, und sie fallen
lichter und in Liederintervallen
ihren Schalen wieder in den Schoß.
Und ich weiß jetzt: wie die Kinder werde.
Alle Angst ist nur ein Anbeginn;
aber ohne Ende ist die Erde,
und das Bangen ist nur die Gebärde,
und die Sehnsucht ist ihr Sinn –
ENGELLIEDER
Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.
Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, –
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt …
Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten, –
denn er muß meiner einsamen Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten –
seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.
Hat auch mein Engel keine Pflicht mehr,
seit ihn mein strenger Tag vertrieb,
oft senkt er sehnend sein Gesicht her
und hat die Himmel nicht mehr lieb.
Er möchte wieder aus armen Tagen
über der Wälder rauschendem Ragen
meine blassen Gebete tragen
in die Heimat der Cherubim.
Dorthin trug er mein frühes Weinen
und Bedanken, und meine kleinen
Leiden wuchsen dorten zu Hainen,
welche flüstern über ihm …
Wenn ich einmal im Lebensland,
im Gelärme von Markt und Messe –
meiner Kindheit erblühte Blässe:
meinen ernsten Engel vergesse –
seine Güte und sein Gewand,
die betenden Hände, die segnende Hand, –
in meinen heimlichsten Träumen behalten
werde ich immer das Flügelfalten,
das wie eine weiße Zypresse
hinter ihm stand …
Seine Hände blieben wie blinde
Vögel, die, um Sonne betrogen,
wenn die andern über die Wogen
zu den währenden Lenzen zogen,
in der leeren, entlaubten Linde
wehren müssen dem Winterwinde.
Auf seinen Wangen war die Scham
der Bräute, die über der Seele Schrecken
dunkle Purpurdecken
breiten dem Bräutigam.
Und in den Augen lag
Glanz von dem ersten Tag, –
aber weit über allem war
ragend das tragende Flügelpaar …
Um die vielen Madonnen sind
viele ewige Engelknaben,
die Verheißung und Heimat haben
in dem Garten, wo Gott beginnt.
Und sie ragen alle nach Rang,
und sie tragen die goldenen Geigen,
und die Schönsten dürfen nie schweigen:
ihre Seelen sind aus Gesang.
Immer wieder müssen sie
klingen alle die dunkeln Chorale,
die sie klangen vieltausend Male:
Gott stieg nieder aus Seinem Strahle
und du warst die schönste Schale
Seiner Sehnsucht, Madonna Marie.
Aber oft in der Dämmerung
wird die Mutter müder und müder, –
und dann flüstern die Engelbrüder,
und sie jubeln sie wieder jung.
Und sie winken mit den weißen
Flügeln festlich im Hallenhofe,
und sie heben aus den heißen
Herzen höher die eine Strophe:
Alle, die in Schönheit gehn,
werden in Schönheit auferstehn.
GEBET
Ernster Engel aus Ebenholz:
Du riesige Ruh.
Dein Schweigen schmolz
noch nie in den Bränden
von Büßerhänden.
Flammenumflehter!
Deine Beter
sind stolz:
wie du.
Der du versteinst,
du über den Blicken beginnender
König, erkiese
dir ein Geschlecht,
dem du gerecht
erscheinst,
saumsinnender
Riese.
Du, aller Matten
Furchteinflößer,
Einer ist größer
als du: dein Schatten.
Lauschende Wolke über dem Wald.
Wie wir sie lieben lernten,
seit wir wissen, wie wunderbald
sie als weckender Regen prallt
an die träumenden Ernten.
Und ich ahne: in dem Abendschweigen
ist ein einstiger Opferbrauch;
tiefer atmend hebt sich jeder Hauch:
ein Erfüllen will sich niederneigen
zu dem schwarzen hingeknieten Strauch.
Und die Sterne trennen sich und steigen,
und die Dunkelheiten steigen auch.
Gehst du außen die Mauern entlang,
kannst du die vielen Rosen nicht schauen
in dem fremden Gartengang;
aber in deinem tiefen Vertrauen
darfst du sie fühlen wie nahende Frauen.
Sicher schreiten sie zwei zu zwein,
und sie halten sich um die Hüften, –
und die roten singen allein;
und dann fallen mit ihren Düften
leise, leise die weißen ein …
Ist ein Schloß. Das vergehende
Wappen über dem Tor.
Wipfel wachsen wie flehende
Hände höher davor.
In das langsam versinkende
Fenster stieg eine blinkende
blaue Blume zur Schau.
Keine weinende Frau –
sie ist die letzte Winkende
in dem gebrochenen Bau.
Zur kleinen Kirche mußt du aufwärts steigen,
auf einen Hügel hat man sie gebaut;
denn dieses arme Dorf ist ihr vertraut
und schützend soll sie schauen auf sein Schweigen.
Der Frühling aber kann noch höher bauen;
sie lächelt licht wie eine weiße Braut
und kann schon nicht mehr ihre Hütten schauen
und schaut nur ihn und läutet nicht mehr laut …
Das sind die Gärten, an die ich glaube:
Wenn das Blühn in den Beeten bleicht,
und im Kies unterm löschenden Laube
Schweigen hinrinnt, durch Linden geseigt.
Auf dem Teich aus den glänzenden Ringen
schwimmt ein Schwan dann von Rand zu Rand.
Und er wird auf den schimmernden Schwingen
als erster Milde des Mondes bringen
an den nicht mehr deutlichen Strand.
Schau, wie die Zypressen schwärzer werden
in den Wiesengründen, und auf wen
in den unbetretbaren Alleen
die Gestalten mit den Steingebärden
weiterwarten, die uns übersehn.
Solchen stillen Bildern will ich gleichen
und gelassen aus den Rosen reichen,
welche wiederkommen und vergehn;
immerzu wie einer von den Teichen
dunkle Spiegel immergrüner Eichen
in mir halten, und die großen Zeichen
ungezählter Nächte näher sehn.
Erste Rosen erwachen,
und ihr Duften ist zag
wie ein leisleises Lachen;
flüchtig mit schwalbenflachen
Flügeln streift es den Tag;
und wohin du langst,
da ist alles noch Angst.
Jeder Schimmer ist scheu,
und kein Klang ist noch zahm,
und die Nacht ist zu neu,
und die Schönheit ist Scham.
Blendender Weg, der sich vor Licht verlor,
Sonnengewicht auf allem Weingelände.
Und dann auf einmal, wie im Traum: ein Tor,
breit eingebaut in unsichtbare Wände.
Der Türen Holz ist lang im Tag verbrannt;
doch trotzig dauert auf dem Bogenrand
das Wappen und das Fürstendiadem.
Und wenn du eintrittst, bist du Gast.
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