Komm und sei der Wind,
der Wind im Willen der du oft gewesen, –
daß alle ihre Linien zu lesen
und ihre Bilder offen sind.



EHE



Sie ist traurig, lautlos und allein.
Sieh, sie leidet. Deine Nächte legten
sich auf ihre leisen leicht erregten
Nächte wie ein stürzendes Gestein.



Hundertmal in deiner dumpfen Gier
warst du ihr Vergeuder und Vergifter;
aber daß du einmal wie ein Stifter
still und dunkel knietest neben ihr
macht dich männlich und geht aus von dir.



AN DIE FRAU PRINZESSIN M. VON B.



Wir sind ja. Doch kaum anders als den Lämmern
gehn uns die Tage hin mit Flucht und Schein;
auch uns verlangt, sooft die Wiesen dämmern,
zurückzugehn. Doch treibt uns keiner ein.



Wir bleiben draußen Tag und Nacht und Tag.
Die Sonne tut uns wohl, uns schreckt der Regen;
wir dürfen aufstehn und uns niederlegen
und etwas mutig sein und etwas zag.



Nur manchmal, während wir so schmerzhaft reifen,
daß wir an diesem beinah sterben, dann:
formt sich aus allem, was wir nicht begreifen,
ein Angesicht und sieht uns strahlend an.



WIDMUNG



Vergangen nicht, verwandelt ist was war.
(O wie unsäglich selig kehrt es wieder.)
Einst war es Fest und Andacht und Gefahr,
dann ging es langsam wie ein Abend nieder
und ist jetzt Angesicht und Hand und Haar:
O wie unsäglich selig kehrt es wieder.
Du weiße Stadt vor Robbias frommem Blau
in deinen Hügeln wie in Früchtekränzen,
mit deinen Höfen, welche wie in Tänzen
stehn bleiben um der Brunnen runden Bau:
wie kannst du stürzen ins Gefühl und glänzen
und eines Abends, außer deiner Gränzen,
dich auferbaun zuliebe einer Frau:



deren Profil, als ob es dich verdeckte,
sich nur ein wenig wenden muß, damit –
strahlende Stadt im Tal von Malachit –
dein Bild erscheint, das klare unbefleckte;



wie deine Glocken gehen geht ihr Schritt.



Und so wie Wolken manchmal fern der Erde
nachahmen die Konturen ihrer Länder:
so fließt durch ihre Haltung und Gebärde
das Unsagbare deiner Hügelränder.







… . Und sagen sie das Leben sei ein Traum: das nicht;
nicht Traum allein. Traum ist ein Stück vom Leben.
Ein wirres Stück, in welchem sich Gesicht
und Sein verbeißt und ineinanderflicht
wie goldne Tiere, Königen von Theben
aus ihrem Tod genommen (der zerbricht).



Traum ist Brokat der von dir niederfließt,
Traum ist ein Baum, ein Glanz der geht, ein Laut – ;
ein Fühlen das in dir beginnt und schließt
ist Traum; ein Tier das dir ins Auge schaut
ist Traum; ein Engel welcher dich genießt
ist Traum. Traum ist das Wort, das sanften Falles
in dein Gefühl fällt wie ein Blütenblatt
das dir im Haar bleibt: licht, verwirrt und matt – ,
hebst du die Hände auf: auch dann kommt Traum,
kommt in sie wie das Fallen eines Balles – ;
fast alles träumt – ,
du aber trägst das alles.



Du trägst das alles. Und wie trägst du’s schön.
So wie mit deinem Haar damit beladen.
Und aus den Tiefen kommt es, von den Höhn
kommt es zu dir und wird von deinen Gnaden …
Da wo du bist hat nichts umsonst geharrt,
um dich die Dinge nehmen nirgend Schaden,
und mir ist so als hätt ich schon gesehn,
daß Tiere sich in deinen Blicken baden
und trinken deine klare Gegenwart.



Nur wer du bist: das weiß ich nicht. Ich weiß
nur deinen Preis zu singen: Sagenkreis
um eine Seele,
Garten um ein Haus,
in dessen Fenstern ich den Himmel sah – .
O so viel Himmel, ziehend, von so nah;
o so viel Himmel über so viel Ferne.
Und wenn es Nacht ist – : wasfür große Sterne
müssen sich nicht in diesen Fenstern spiegeln …



FORTGEHN



Plötzliches Fortgehn; Draußensein im Grauen
mit Augen, eingeschmolzen, heiß und weich,
und nun in das was ist hinauszuschauen – :



O nein, das alles ist ja ein Vergleich.



Der Strom ist so, damit er dich bedeute,
und diese Stadt stand auf weil du erschienst;
die Brücken gehn mit Anstand der dich freute
gelassen her und hin in deinem Dienst.



Und weil das alles ausgedacht ist nur:
dich zu bedeuten – : ist es wie die Erde;
die Gärten stehn in dunkelnder Gebärde,
die Fernen sind voll deutsamer Figur – .



Und doch trotzdem, nun kommt es trotzdem wieder:
der Schmerz, der Schmerz des ersten Augenblicks.
Noch war es da – : auf einmal ging es nieder
oder flog auf oder war aus wie Lieder – :
das war so voll unsäglichen Geschicks – .



Wie wenn … .
(bin ichs zu sagen denn imstande?)
Sieh: diese Augen lagen da: Gewande,
ein Angesicht, ein Glanz ging in sie ein
als wären sie – – ja was? – – :
der Canal Grande
in seiner großen Zeit und vor dem Brande –
– – – – – – – – – – – – – – –
und plötzlich hört Venedig auf zu sein.







Ich hab mich nicht den Dichtern zugesellt
die dich verkünden oder nach dir klagen
und wähnen, deine Schönheit hinzusagen
wenn sie sie nennen: nicht von dieser Welt –



Von welcher denn? Hängt eine so wie die
so atemlos an dir mit allem Ihren?
Ist eine ängstlicher dich zu verlieren,
und wenn sie ängstlich ist, beruhigst du sie



wie diese hier, zu der doch manchmal hin
dein Antlitz lächelt wie aus Tiefen, leise
abweisend ihre Zärtlichkeit: Geh, kreise,
sei nicht in Angst um mich; du siehst: ich bin …



Ist das nicht hier, wo Tausendes geschah,
wo fast Unsägliches noch nicht genügte,
damit aus allem sich dein Dasein fügte
drin Nahes fern erscheint und Fernes nah.



War das nicht diese Welt, wo aus dem Tier
der Gott erwuchs zum klaren Namenlosen:
damit du ihn empfändest wie die Rosen
und trügest wie ein Teich. War das nicht hier?



Wo dauerten, verloren im Gegröhl
des Pöbels, leise leidenvolle Leben,
um einst, gepreßt in deines Herzens Beben,
das Süße deiner Traurigkeit zu geben
wie tausend Rosen einen Tropfen Öl.



Und wo war das, wo Schönheit Ungezählter
wie unbenutzt verging und wie verschmäht,
um einstens rührender und auserwählter
in dir zu sein – .
Du güldenes Gerät:
das einmal nur wenn alle Glocken läuten
(die Hand im Handschuh naht sich wie geführt)
ein König einen Augenblick berührt
um seine hohe Seele anzudeuten.



DER ENGEL



Wie ist der hülflos, der mit nichts als Worten
aussagen soll wie er dich fühlt und sieht;
dieweil dein Leben festlich sich vollzieht
wie aufgehoben, wie in Sopraporten
in welchen neben dir ein Engel kniet.



Ein Engel – : ein im Himmlischen Zerstreuter,
der um dich ist seitdem du hier erschienst;
kaum jemals trauriger, kaum je erfreuter,
doch immer strahlender in deinem Dienst:



so hingegeben wie an große Räume
an dich, du weite, unbekannte Welt,
und wie ein Kind in seine ersten Träume
so atemlos in dich hineingestellt.



Beschäftigt, dir dein Leben hinzureichen,
die Stunde, die du grade ihm bestimmst,
und schwindelnd von der Größe ohne gleichen
mit der du sie aus seinen Händen nimmst:



verbraucht er seine vielen Ewigkeiten
in deiner Zeit wie einen kurzen Tag.
Er wird nie wieder heimgekehrt zu seiten
der andern Engel im Areopag



x des Himmels stehn; auch nicht im Weltgerichte.
Sein Platz wird leer sein auf der Engelsbank.
Doch man wird sagen von dem Angesichte
an dem ein Engel lebte und ertrank.



DIE MÜNZE



Daß eine Münze, Fürstin, dein Profil
in Gold geschnitten einem weiterreichte.
Du weißt: weit weiterreichte ohne Ziel
an einen Großen, der des Bildes Beichte
zu hören wüßte wie ein Orgelspiel.
Der, wenn von hoch her deine Herrlichkeit
wie von Gebirgen in ihn niederschösse,
anwüchse und sich wie im Zorn ergösse
über die Jugend einer andern Zeit:

Jünglinge aus dem Heimatboden reißend
und (weiterrauschend in geschwelltem Schwung)
kein Haus und keinen Schutz mehr heilig heißend
und keine eingesäumte Siedelung;

wie fremde Völkerstämme lauter Ferne
mitbringend in Gefühl und Überfall,
und alle Unterworfenen wie Sterne
auswerfend in das grenzenlose All –

Daß einmal einer so ein Lied erschüfe
wenn Kommende des Zurufs und Gerichts
bedürftig sind:

müßte die Hieroglyphe
deines an uns vergeudeten Gesichts



in einer goldnen Münze weiterdauern
und einst gefunden werden, unversehrt,
wo mans nicht denkt, bei Hirten oder Bauern,
doch: aus dem Dunkel nieerklärter Mauern
dem Finder wie seit immer zugekehrt.



LA DAME A LA LICORNE
(Teppiche im Hôtel de Cluny)



für Stina Frisell



Frau und Erlauchte: sicher kränken wir
oft Frauen-Schicksal das wir nicht begreifen.
Wir sind für euch die Immer-noch-nicht-Reifen
für euer Leben, das, wenn wir es streifen
ein Einhorn wird, ein scheues, weißes Tier,



das flüchtet … und sein Bangen ist so groß,
daß ihr es selber/ wie es schlank entschwindet/
nach vielem Traurigsein erst wiederfindet,
noch immer schreckhaft, warm und atemlos.



Dann bleibt ihr bei ihm, fern von uns, – und mild
gehn durch des Tagwerks Tasten eure Hände;
demütig dienen euch die Gegenstände,
ihr aber wollt nur diesen Wunsch gestillt:
daß einst das Einhorn sein beruhigtes Bild
in eurer Seele schwerem Spiegel fände. –



TAGELIED



Jetzt kommen wieder die Pläne,
die ins Weite gehn.
Draußen rufen die Hähne:
die Ferne will entstehn



nach aller dieser Nähe,
die uns zusammenschloß.
Wach auf, damit ich sähe,
was ich so sehr genoß.



Mir geht es noch im Blute,
noch duftet das ganze Haus.
Zu was für Worten ruhte
mein Mund auf deinem aus,



auf deinem guten Munde,
auf deiner beruhigten Brust:
Stunde ging um Stunde,
wir haben es nicht gewußt.



Nun kommen die Geräusche.
Schon rührte sich eine Tür.
Daß es dich nicht enttäusche,
wache mit mir, verspür,



wie es schon weht vom Tage:
da muß ich nun hinaus –
Wache zu mir und sage:
Seh ich traurig aus?



Das dauert nur eine Weile,
mach dir das Herz nicht schwer.
Die Nacht ist, daß man sie teile,
der Tag, daß man ihn vermehr.



VOM VERLORENEN SOHN

Skizze zu einem zweiten Stück des Kreises



Ich habe, König, oft vor Dir gespielt.
Doch nichts war besser als wenn wir uns beide
beim Jagen fanden: jung ohne Geschmeide –
Man sieht es noch an meinem schönen Kleide
wie groß und herrlich Deine Hand mich hielt.
Jetzt aber laß mich, König, und geruh,
wie Du mich einstmals nahmst, mich fortzugeben.
Du fragst an wen? – An alles. An mein Leben. –
Da steigt Dein Zorn. Erzürnter: hör mir zu:
Du hobst mich unter Deine Tischgefährten
(nur königliche Hände heben so);
ich durfte im Palast sein, in den Gärten,
in Deinem Schlafgemach, auch dorten wo
geheime Schreiber Deine Briefe siegeln,
selbst zu den Zimmern, tief von Duft und Spiegeln,
zu welchen hin Dein Mißmut manchmal floh,
durft ich Dir folgen. Du hast nie geglaubt
wenn mich der Eifersucht Auswendig-Lerner
an Dich verrieten, und ich durfte ferner
eintreten bei Dir mit bedecktem Haupt.
Du hast mich, Herr (ich kann es nicht verstehn)
erwählt zu Dir; wie Kenner wohl im Stillen
aus einem großen Haufen von Berillen
den einen greifen und gerade den
(vielleicht um eines schönen Fehlers willen – )
und nun: zu Undank redet Dir mein Mund;
mir selber unbegreiflich. Dich verlieren
was macht mich, so wie das, verwirrt und wund.



Und doch: ich muß – . Du willst den Grund?
O frage, Herr, die Meere nach dem ihren.
Du wirst erfahren, daß aus Tang und Tieren
aus Algen, Muscheln und Korallen und
Unzähligen die sich zur Liebe zieren
und schön sein wollen, funkelnd oder bunt:
Geschicke sich ins Unermeßne weben,
phantastischer als dieses Schicksal hier – .
Sieh, so sind Leben unter unserm Leben.
Wir wissens kaum, doch manchmal sehen wir
wie etwas aufsteigt, irgend etwas Totes – ;
(denn an die Oberfläche treibt nur dies.)
aber selbst tot ist es noch ein Durchlohtes,
Verschwenderisches, Königliches, Rotes –
oder bestickt mit lauter Silberkies.
Mir stieg eins auf. Und ich bin so vertieft
in dies Gesicht; ich würde nie mehr hören
wenn ihr hier zu mir redetet und rieft.



Ich muß allein sein. Mich darf keiner stören.



Vergieb mir, königlicher Herr, in Gnaden:
Ich muß allein sein; zwar ich bin noch jung,
doch dieses hier hat die Erinnerung
von tausend Leben auf mir abgeladen.
Wie vielleicht Gärtner, wenn sie im August
die Früchte pflücken aus den langen Läufen
der trächtigen Spaliere, unbewußt
mit ihren Äpfeln etwas überhäufen,
und wie der Käfer oder das Insekt
– das eben was sich unten stemmt und sträubt –
sich schließlich stille hält, erschreckt, betäubt – :



So muß ich jetzt in diesem Labyrinth,
in dem mich unten Duft und Schwere binden,
aushalten bis sich der Geruch verdünnt
der mich verhindert einen Gang zu finden.



DAS TAL



Bei Tag ist das ein großer Unterschied
wenn sich der Himmel baut und blaut und flieht
und voll Bewegung ist. Und das ist oben.
Und unten stehn, von seinen Übergängen
nur dann und wann zurück und vorgeschoben,
dieselben Häuser an denselben Hängen
zufrieden, ohne alle Phantasie.



Doch es ist Nacht geworden. Siehst du wie
nun alles hingeht zu demselben Ziele.
Ähnlicher werden da und dort die Fernen
und mit den Sternen kommen die Laternen:
erst eine, unten, und auf einmal viele.



Ich nehme sie wie Sterne ernst. Ich weiß
die meisten machen einen kleinen Kreis
und sind schon kurz nach Mitternacht verschwunden;
und keine leuchtet je der andern gleich.
Doch manchmal sah ich in sehr frühen Stunden
und immer auf die gleiche Art verbunden
in schon ein wenig irdischem Bereich
des Bahnhofs kleines Sternbild stehen, bleich,
wie bange vor den Hähnen und den Hunden.



DIE HEILIGEN



Die Engel stehn, die großen Engel stehn
und tragen, und du weißt nicht Träger wessen.
Aber die Heiligen, durch die wir gehn
sind immer unser noch und unermessen
uns zugewendet und an uns geschehn.



Die Heiligen: sie sammelten ihr Leben,
Er aber nahm es an, nur um es ganz
dem großen Irdischen zurückzugeben:
dem Wind, den Tieren und dem bunten Kranz
gebundner Dinge, Neben neben Neben.



Drum ist jetzt alles strahlend und Monstranz
und segnet schon wenn wirs ein wenig heben.







Kommendes ist nie ganz fern; Entflohnes
nie ganz fortgenommen wenn es floh – ;
doch das Wiederkommen eines Tones
ordnet erst das viele Leben so,



daß der Einsame, der sich nicht kennt,
eine Weile ruht in seinen Maßen
eh er wieder auf den fremden Straßen
weiter muß, in Tage aufgetrennt.



Wiederkommen – : wie er das genießt,
einmal wiederkommen und verweilen
wo aus Wünschen, die ihn nur durcheilen,
sich ein Wirkliches und Warmes schließt,



dessen Dasein, Sinn, Gesetz und Güte
eine kleine Zeit auch für ihn gilt
und ihm so, als ob sie ihn behüte,
lang noch nachgeht, licht und wohlgewillt – .



Indem das Leben nimmt und giebt und nimmt
entstehen wir aus Geben und aus Nehmen:
ein Schwankendes, sich Wandelndes, ein Schemen
und doch in unserer Seele so bestimmt



hindurchzugehn durch dieses Sich-verschieben
unangezweifelt, aufrecht, unbeirrt
von Tag zu Nacht, von Nacht zu Tag getrieben,
aus denen unaufhaltsam Leben wird



von unserm Leben, Blut von unserm Blut,
Lust von der unsern, Leid das wir erkennen,
von dem wir uns auf einmal wieder trennen
weil unsre Seele, einsam, schon geruht



vorauszugehn …







Da wechselt um die alten Inselränder
das winterliche Meer sein Farbenspiel
und tief im Winde liegen irgend Länder
und sind wie nichts. Ein Jenseits, ein Profil;



nicht wirklicher als diese rasche Wolke,
der sich das Eiland schwarz entgegenstemmt.
Und da geht einer unterm Insel-Volke
und schaut in Augen und ist nichts als fremd.



Und schaut, so fremd er ist, hinaus, hinüber,
den Sturm hinein; zwar manchen Tag ist Ruh;
dann blüht das Land und lächelt noch. Worüber?
Und die Orangen reifen noch. Wozu?



Was müht der Garten sich ihn zu erheitern
den Fremden, der nichts zu erwarten schien,
und wenn sich seine Augen auch erweitern
für einen Augenblick – : er sieht nicht ihn.



Wenn er vom Vorgebirge in Gedanken
des Meeres winterliches Farbenspiel
und in den Himmeln ferner Küsten Schwanken
manchmal zu sehen glaubt: das ist schon viel.



Noch ruf ich nicht. Die Nacht ist lang und kühl.
Noch ruf ich dich nicht wieder zu Gestalten.
Wann ist es Zeit, die hohle Hand zu halten
unter ein immer fließendes Gefühl?
Trinkst du es nicht, so geht es in dein Land
vertieft sich drin und tränkt dir dein Gedeihen –







Täglich stehst du mir steil vor dem Herzen,
Gebirge, Gestein,
Wildnis, Un-weg: Gott, in dem ich allein
steige und falle und irre … , täglich in mein
gestern Gegangenes wieder hinein
kreisend.
Weisend greift mich manchmal am Kreuzweg der Wind,
wirft mich hin, wo ein Pfad beginnt,
oder es trinkt mich ein Weg im Stillen.
Aber dein unbewältigter Willen
zieht die Pfade zusamm wie Alaun,
bis sie, als alte haltlose Rillen,
sich verlieren ins Abgrundsgraun …



Laß mich, laß mich, die Augen geschlossen,
wie mit verschluckten Augen, laß
mich, den Rücken an den Kolossen,
warten, an deinem Rande, daß
dieser Schwindel, mit dem ich verrinne
meine hingerissenen Sinne
wieder an ihre Stelle legt.
Regt sich denn Alles in mir? Ist kein Festes,
das bestünde auf seines Gewichts
Anrecht? Mein Bangestes und mein Bestes …
Und der Wirbel nimmt es wie nichts
mit in die Tiefen …



Gesicht, mein Gesicht:
wessen bist du? für was für Dinge
bist du Gesicht?
Wie kannst du Gesicht sein für so ein Innen,
drin sich immerfort das Beginnen
mit dem Zerfließen zu etwas ballt.
Hat der Wald ein Gesicht?
Steht der Berge Basalt
gesichtlos nicht da?



Hebt sich das Meer
nicht ohne Gesicht
aus dem Meergrund her?
Spiegelt sich nicht der Himmel drin,
ohne Stirn, ohne Mund, ohne Kinn?



Kommen einem die Tiere nicht
manchmal, als bäten sie: nimm mein Gesicht?
Ihr Gesicht ist ihnen zu schwer,
und sie halten mit ihm ihr klein-
wenig Seele zu weit hinein
ins Leben. Und wir?
Tiere der Seele, verstört
von allem in uns, noch nicht
fertig zu nichts, wir weidenden
Seelen,
flehen wir zu dem Bescheidenden
nächtens nicht um das Nicht-Gesicht,
das zu unserem Dunkel gehört?



Mein Dunkel, mein Dunkel, da steh ich mit dir,
und alles geht draußen vorbei;
und ich wollte, mir wüchse, wie einem Tier,
eine Stimme, ein einziger Schrei
für alles – . Denn was soll mir die Zahl
der Worte, die kommen und fliehn,
wenn ein Vogellaut, vieltausendmal,
geschrien und wieder geschrien,
ein winziges Herz so weit macht und eins
mit dem Herzen der Luft, mit dem Herzen des Hains
und so hell und so hörbar für Ihn … . :
der immer wieder, sooft es tagt,
aufsteigt: steilstes Gestein.
Und türm ich mein Herz auf mein Hirn und mein
Sehnen darauf und mein Einsamsein:
wie bleibt das klein,
weil Er es überragt.







Wie wenn ich, unter Hundertem, mein Herz,
das überhäufte, lebend wiederfände,
und wieder nähm ich es in meine Hände,
es findend unter Hundertem, mein Herz:
und hübe es hinaus aus mir, in das,
was draußen ist, in grauen Morgenregen,
dem Tage hin, der sich auf langen Wegen
besinnt und wandelt ohne Unterlaß,
oder an Abenden, der Nacht entgegen
der nahenden, der klaren Karitas …



Und hielte es, soweit ich kann, hinein
in Wind und Stille; wenn ich nicht mehr kann,
nimmst du es dann?
Oh nimm es, pflanz es ein!
Nein, wirf es nur auf Felsen, auf Granit,
wohin es fällt; sobald es dir entfallen,
wird es schon treiben und wird Wurzelkrallen
einschlagen in das härteste von allen
Gebirgen, welches sich dem Jahr entzieht.
Und treibt es nicht, ist es nicht jung genug,
wird es allmählich von dem Höhenzug
die Art und Farbe lernen vom Gestein
und wird daliegen unter seinen Splittern,
mit ihm verwachsen und mit ihm verwittern
und mit ihm stehen in den Sturm hinein.



Und willst du’s niederlassen in den Grund
der dumpfen Meere, unter Muschelschalen,
wer weiß, ob nicht aus seinem Röhrenmund
ein Tier sich streckt, das dich mit seinen Strahlen
zu fassen sucht und einzuziehen und
mit dir zu schlafen.



… .