. laß nur irgendwo
es eine Stelle finden und nicht so
im Raume sein, dem deine Sterne kaum
genügen können. Sieh, es fällt im Raum.



Du sollst es ja nicht, wie das Herz von Tieren,
in deiner Hand behalten, Nacht und Tag;
wenn es nur eine Weile drinnen lag!
Du konntest in den dürftigsten Verschlag
die Herzen deiner Heiligen verlieren,
sie blühten drin und brachten dir Ertrag.
… … … … … … … … … … … … . .
Du freier, unbegreiflicher Verschwender,
da jagst du, wie im Sprung, an mir vorbei.
Du heller Hirsch! Du alter Hundert-Ender!
Und immer wieder wirfst du ein Geweih
von deinem Haupte ab und flüchtest leichter
durch deine Jäger, (wie dich alles trägt!)
sie aber sehen nur, du Unerreichter,
daß hinter dir die Welt zusammenschlägt.







So viele Dinge liegen aufgerissen
von raschen Händen, die sich auf der Suche
nach dir verspäteten: sie wollten wissen.



Und manchmal ist in einem alten Buche
ein unbegreiflich Dunkles angestrichen.
Da warst du einst. Wo bist du hin entwichen?



Hielt einer dich, so hast du ihn zerbrochen,
sein Herz blieb offen, und du warst nicht drin;
hat je ein Redender zu dir gesprochen,
so war es atemlos: Wo gehst du hin?



Auch mir geschahs. Nur, daß ich dich nicht frage.
Ich diene nur und dränge dich um nichts.
Ich halte, wartend, meines Angesichts
williges Schauen in den Wind der Tage
und klage den Nächten nicht … . .
(da ich sie wissen seh)



ALICE FAEHNDRICH
FREIIN VON NORDECK ZUR RABENAU



Widmung



Wer könnte einsam leben und nicht dies
bewundern lernen: daß zu ihm zuweilen
die Engel treten, um mit ihm zu teilen
was sich den Anderen nicht geben ließ,



den Ausgestreuten und den Aufgelösten
die Trübe trinkend treiben im Geschrei;
er aber legt sich leise für den Größten
beiseite / nicht als ob er brauchbar sei:



greifbarer nur dem wählenden Verschmäher
unreifen Anrufs – . Aber dann und wann
kommt hülfreich eine Hand und schiebt ihn näher
an jene ungeheure Hand heran,
die durch die Erde ging und durch das Meer,
die noch zu hart ist unsern Kinder-Händen
und unserm schwachen Herzen noch zu schwer
als daß wir ihre Zärtlichkeit empfänden.







Wald meines Herzens, der sich bei dem Feuer
aus meinen Sinnen hob, verschob und schuf
Zuflucht der unverdrängten Abenteuer:
wie wenig bin ich in dir; Gott ist treuer
und macht es um dich immer ungeheuer
und wiederholt sich wie ein Vogelruf



dort draußen irgendwo wo deine Lichtung







Jetzt gehn die Lüfte manchesmal als trügen
sie unsichtbar ein Schweres welches schwankt.
Wir aber müssen uns mit dem begnügen
was sichtbar ist. So sehr es uns verlangt



hinauszugreifen über Tag und Dasein
in jenes Wehen voller Wiederkehr.
Wie kann ein Fernes so unendlich nah sein
und doch nicht näher kommen? Nicht bis her?



Das war schon einmal so. Nur damals war
es nicht ein zögerndes im Wind gelöstes
Vorfrühlingsglück. Vielleicht kann Allergrößtes
nicht näher bei uns sein, so wächst das Jahr.



So wächst die Seele, wenn die Jahreszeit
der Seele steigt. Das alles sind nicht wir.
Von Fernem hingerissen sind wir hier
und auferzogen und zerstört von weit.



EIN FRÜHLINGSWIND



Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
von dem wir glühen werden – : alles das.



(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.



Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind.
… . Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über uns hinaus.







(Für die junge Gräfin M. zu S.)



Nun schließe deine Augen: daß wir nun
dies alles so verschließen dürfen
in unsrer Dunkelheit, in unserm Ruhn,
(wie einer, dems gehört).
Bei Wünschen, bei Entwürfen,
bei Ungetanem, das wir einmal tun,
da irgendwo in uns, ganz tief
ist nun auch dies; ist wie ein Brief,
den wir verschließen.



Laß die Augen zu. Da ist es nicht,
da ist jetzt nichts, als Nacht;
die Zimmernacht rings um ein kleines Licht,
(du kennst sie gut).
Doch in dir ist nun alles dies und wacht –
und trägt dein sanft verschlossenes Gesicht
wie eine Flut …



Und trägt nun dich. Und alles in dir trägt,
und du bist wie ein Rosenblatt gelegt
auf deine Seele, welche steigt.
Warum ist das so viel für uns: zu sehn ?
Auf einem Felsenrand zu stehn?
Wen meinten wir, indem wir das begrüßten,
was vor uns dalag? …
Ja, was war es denn?



Schließ inniger die Augen und erkenn
es langsam wieder: Meer um Meer,
schwer von sich selbst, blau aus sich her
und leer am Rand, mit einem Grund aus Grün.
(Aus welchem Grün? Es kommt sonst nirgends vor …)
Und plötzlich, atemlos, daraus empor
die Felsen jagend, von so tief, daß sie
im steilen Steigen gar nicht wissen, wie
ihr Steigen enden soll. Auf einmal bricht
es an den Himmeln ab, dort, wo es dicht
von zuviel Himmel ist. Und drüber, sieh,
ist wieder Himmel, und bis weit hinein
in jenes Übermaß: wo ist er nicht?
Strahlen ihn nicht die beiden Klippen aus?
Malt nicht sein Licht das fernste Weiß, den Schnee,
der sich zu rühren scheint und weit hinaus
die Blicke mitnimmt. Und er hört nicht auf,
Himmel zu sein, eh wir ihn atmen.



Schließ, schließ fest die Augen.
War es dies?
Du weißt es kaum. Du kannst es schon nicht mehr
von deinem Innern trennen.
Himmel im Innern läßt sich schwer
erkennen.
Da geht das Herz und geht und sieht nicht her.



Und doch, du weißt, wir können also so
am Abend zugehn, wie die Anemonen,
Geschehen eines Tages in sich schließend,
und etwas größer morgens wieder aufgehn.
Und so zu tun, ist uns nicht nur erlaubt,
das ist es, was wir sollen: Zugehn lernen
über Unendlichem.



(Sahst du den Hirten heut? Der geht nicht zu.
Wie sollte er’s? Dem fließt
der Tag hinein und fließt ihm wieder aus
wie einer Maske, hinter der es Schwarz ist …)



Wir aber dürfen uns verschließen, fest
zuschließen und bei jenen dunkeln Dingen,
die längst schon in uns sind, noch einen Rest
von anderm Unfaßbaren unterbringen,
wie einer, dems gehört.



DIE MARIEN-VASE
(in einer Wand-Nische des ›Rosenhauses‹)



Die Nische war ganz ohne Bild. Wir stellten
die Vase hin mit ihrem Namenszug:
innige Blumen drinnen, still genug – :
da war sie fast schon selbst (sie ist nicht selten).



Limonen lagen, voll von sich, verstreut
rings in der Nische. Und auch diese Früchte
gehörten ihr. Es giebt in uns Gerüchte,
daß alles das sie ruft und rührt und freut:



Vielleicht aus jenen Frucht-Gewinden her
die oft ihr leichtes Weiß mit Schwerem schmücken,
vielleicht aus dunkelbunten Blumenstücken,
oder auch nur aus unserem Entzücken
an ihrer Einfalt, Ehrfurcht und Beschwer.



SANTA MARIA A CETRELLA



I

Die Kirche ist zu, und mir ist es geschieht
nichts mehr für dich. Bist du drin?
Der dich liebte, dein Eremit,
ging die Zeit mit ihm hin,
liebe Marie a Cetrella.



Er war nicht mehr da, und sie schlossen dich
mit dem Schwarz ohne Licht in dein Haus; [ein
und ich bin so wie du so allein, so allein
und ich rufe dich leise heraus:
liebe Marie a Cetrella.



Weißt du denn noch von dem Lorbeerbaum,
den er dir im Garten gepflegt;
er steht noch da, jeder Blättersaum
wellend wie windbewegt –
liebe Marie a Cetrella –



sieh: wie bewegt von dem Frühlingswind
der mitnimmt (gedenkst du wie –)
und ahnst du, wie warm die Kräuter sind:
sie duften als hülfen sie.
Liebe Marie a Cetrella.



II

Diese Tage schwanken noch. Das Helle
kann sich manchmal wie verscheucht entziehn.
Und ich bringe dir zu deiner Schwelle
einen kleinen Zweig von Ros-marin;



sieh wie rührend blüht er. Aber wir
haben ihm so trüben Sinn gegeben,
daß er uns mit seinem lieben Leben
an den Tod erinnern muß. Auch dir



ist es schwer geworden, ahnungslos
auszustrahlen deine klaren Gnaden,
denn sie haben dir das Herz beladen
mit dem Schicksal, das aus deinem Schoß



unaufhaltsam aufwuchs, bis es nicht
Einem, deinem Sohne, mehr gehörte – :
denn das Angesicht, das er zerstörte,
war viel älter als sein Angesicht.



III

Waren Schritte in dem Heiligtume?
Kannst du näher kommen? Bist du nicht
in dein Bild gebunden, wie die Blume,
die nur kommen kann, wenn man sie bricht.



O dann komm bis an die Türe innen
wenn du auch zu öffnen nicht vermagst,
und ich will mein Herz von vorn beginnen
und nichts andres sein als was du sagst.



Denk wir haben es ja schon so schwer,
dich zu fühlen ohne dich zu schauen.
Uns verwirrten alle diese Frauen
die wir liebten, ohne daß sie mehr



als ein Kommen und Vorüberschreiten
uns gewährten. Sag, wer waren sie?
Warum bleibt uns keine je zuseiten
und wo gehn sie alle hin, Marie?



IV

Täglich auf weiten Wegen
geh ich zu dir (mit Recht):
verschlossen und entlegen
bist du diesem Geschlecht;
Du, die einmal inmitten
aller errichtet war;
von zu dir wollenden Schritten
widerhallte das ganze Jahr.



Jetzt ist mein Schritt der eine
und klingt an das stille Ziel.
Ich bin eine kleine Gemeine.
Du bist für mich zu viel.



Ich möchte dir entgegen
halten was rings entsteht
wie einem Frühlingsregen
vor dem ein Schatten geht.



V

Der dich liebte, mit verlegner Pflege
dich umgebend, weißt du noch: ging er
nicht mit dir auf diesem Mittelwege
mittags manchmal langsam hin und her?



Immer an derselben Stelle wendend,
(eine Hand für seine Kranke frei)
fragend, ob der Himmel nicht zu blendend
und die Erde nicht zu steinig sei;



unruhig, wenn er einmal dich verließ
bang gebückt zu seinen neuen Pflanzen, –
während Du – vergangen in dem Ganzen –
ohne Sorge warst um alles dies.



VI

Wie eins von den äußersten Kräutern
das weit im Gestein noch gedeiht:
so blühte dein Lächeln und Läutern
weiter, ganz oben im Leid.



In der letzten Leiden
Schrecken und ewigem Schnee.
Wie dürften wir unterscheiden
zwischen Gewährung und Weh



seit du nicht wußtest, wo eines,
wo das andre begann.
Unabwendbar wie Ungemeines
fingen sie beide an;
und wie Übergroßes
gingen sie beide aus,
über deines Schoßes
Dunkelheit hinaus.



VII

O wie bist du jung in diesem Lande;
Kinder nicken dir vertraulich zu,
und ein Lied von Hirten ist imstande,
Ewige, die älter sind als du,
herzurufen zwischen ihre Ziegen;
oder jene Männer rufen sie
während sie die Weingewinde biegen:
einer viel zu großen Melodie
Stücke abgebrochen in sich findend,
um sie dann (im Weinberg weiterbindend)
hinzuschreien wie ein Tier das schrie – .



Und da hörst du draußen Schrei um Schrei
steigen, wo die Wege sich verlieren
und an deinem kleinen Haus vorbei.
Und dein Herz wird bange vor den ihren,



wie du so im spanischen Gewande
an der Türe stehst: mit Schmuck behangen
und bereit, aus diesem fremden Lande
fortzugehn, sobald sie es verlangen.



KORE



Kore, wie sehnst du dich so
nach den wilden Gängen
in den Felsen die hängen
über dem Drängen des Meeres:
Kore, wie sehnst du dich so.
Dort, an der nahen Gefahr
gehst du sicher, du Blinde,
in die Winde gehüllt
als wär es dein Haar.
Blumen mit einem hellen
Blick der dem deinen gleicht
stehn wo sie keiner erreicht,
haben es leicht
an den schrecklichsten Stellen.
Kore, wer bist du. Wer?
Sind das deine wirklichen Tage?
Was trägst du für eine Sage
zurück in die vage Wildnis
über dem schweren Meer.







Was machte sie einander gleichen,
so daß jetzt mit dem gleichen Zeichen
sie deine Stille überwacht.
Was schlugst du um die neunzehn Leichen
den Mantel deiner Mädchentracht?



AN DEN DICHTER : / VITA N:A



DU hast gewußt, erhaben – HERR – von ihr
zu reden – : alle ihre Gnade
kommt bis auf uns und rührt auch uns, gerade
wie sie DICH rührte – . Dürften wir



(wenn je in unsre Tage Solches tritt)
erlernen dann, sein Hingehn nicht zu stören.
Denn hingehn will es.