–
Da lag ein Schädel vor uns dicht;
aus seinen leeren Augen stiegen
verkümmerte Vergißmeinnicht.
VIGILIEN
I
Die falben Felder schlafen schon,
mein Herz nur wacht allein;
der Abend refft im Hafen schon
sein rotes Segel ein.
Traumselige Vigilie!
Jetzt wallt die Nacht durchs Land;
der Mond, die weiße Lilie,
blüht auf in ihrer Hand.
II
Am offnen Stubenfenster lehn ich
und träume in die Nacht hinauf;
das Mondlicht windet silbersträhnig
sich um den schwarzen Kirchturmknauf.
Sehn wenig Welten aus den Fernen
auch durch den engen Hof ins Haus, –
es füllte Licht von zehen Sternen
ein ganzes, dunkles Leben aus.
III
Horch, der Schritt der Nacht erstirbt
in der weiten Stille;
meine Schreibtischlampe zirpt
leis wie eine Grille.
Goldig auf dem Bücherstand
glühn der Bände Rücken:
zu der Fahrt ins Feenland
Pfeiler für die Brücken.
IV
Sie hat, halb Kind, einst eine Nacht
beim toten Mütterlein verbracht
und hat geweint und hat gewacht; –
dann gingen Jahre, Jahre sacht:
nie hat sie jener Nacht gedacht.
Und dann kam eine andre Nacht.
Da hat von Glut und Sünd entfacht
die rote Lippe Lust gelacht,
doch plötzlich – wie durch höhre Macht
dacht sie der Nacht der Leichenwacht.
DER LETZTE SONNENGRUSS
Zu einem Bilde des Beneš Knüpfer
Die Sonne schmolz, die hehre,
ins weiße Meer so heiß. –
Zwei Mönche saßen am Meere,
ein blonder und ein Greis.
Der sann: Geh ich einst rasten,
so friedlich mög es sein –
und jener: Des Ruhmes Glasten
sollt mir mein Sterben weihn.
KAISER RUDOLF
Hoch auf seiner Himmelswarte
über einer Sternenkarte
sitzt der Kaiser Rudolf dort,
forschend, ob der langerharrte
Flugstern, der die Weisen narrte,
streifen würde diesen Ort.
Und er fragt den Astrologen,
der am hohen Himmelsbogen
alle Wandelwege weiß:
»Wird von Unglück der betrogen,
den der Stern hineingezogen
in den unheilvollen Kreis?«
Und der Alte weicht ihm leise
aus: »Der Stern zieht seine Gleise,
Herr, im fernen Ätherreich!«
Und gen Süden sieht der Weise; –
und der Kaiser schaut die Kreise
seines Globen, ernst und bleich. –
Und von Süden kommt Verderben,
kommt Matthias. – Eilge Erben
lassen ihm nur den Hradschin;
und der Kaiser spricht im herben
Spott: »Mir bleibt nichts, als zu sterben,
denn schon bin ich tot für ›ihn‹.
Alter! Laß den Blick uns heben!
du hast recht, die Sterne schweben
hoch ob allem Erdenbann;
aber – die nach ihnen streben,
knüpfen selbst ihr dunkles Leben
an die lichten Lose an!«
AUS DEM DREISSIG JÄHRIGEN KRIEGE
Kohlenskizzen in Callots Manier
1. KRIEG
Finster ist die Welt geworden, –
darum Dörfer rasch entloht!
und die Welt ist grau; – drum rot
färbt sie durch das Morden!
Bauer! Bittest um dein Leben?
Nimm dirs! Aber bei uns bleib!
Herrgott hat dir Ochs und Weib
nur für uns gegeben.
Laß den Teufel Felder pflügen;
sieh, wir haben stets genung!
Vorwärts – einen Werbetrunk
aus den vollen Krügen!
2. ALEA JACTA EST
»… Tod oder Sold!«
Und jetzt die Trommel schnell
her. Auf das Trommelfell
Würfel gerollt.
So wird dem Lohn,
der unsre Streiche sucht.
Sieh, der Baum, reiche Frucht
trägt er doch schon!
Solltest schon längst
hängen dran, Kamerad!
Drum ists nicht jammerschad,
wenn du dann hängst!
3. KRIEGSKNECHTS-SANG
Lag auf einer Trommel nackt,
kaum zwei Spannen lang,
und der rauhe Trommeltakt
war mein Wiegensang.
Wild zu wettern taugte ich
damals schon im Zorn,
meine Milch, die saugte ich
aus dem Pulverhorn.
Damals taufte jeden gut
der Korp’ral; beim Schopf
nahm er ihn, goß Schwedenblut
heiß ihm übern Kopf.
4. KRIEGSKNECHTS-RANG
Bei uns gibts nicht Edelinge,
die was gelten durch ihr Blut,
jedes Rang ist jedes Klinge,
und sein Wappen ist der Mut.
Wer nur immer kühn sein Schwert zog,
hält den Schild von Schande rein,
wer noch gestern unterm Heer zog,
Herzog kann er morgen sein.
5. BEIM KLOSTER
Was gibts? – Eine Klosterpforte? –
Ei, Potz Blitz!
Eine Tür von dieser Sorte
renn ich ohne viele Worte
ein mit meiner Nasenspitz!
Auf das Tor ein fester Stempel …
Pfaffe, komm!
Jetzt heraus mit deinem Krempel,
paar Monstranzen zum Exempel
und paar Kelche: wir sind fromm.
Laß jetzt dein: Peccavi, pater …
Leucht zum Wein
uns mit deiner Nase, Frater,
dorten kannst du uns ein Rater
und ein ›Seelensorger‹ sein!
6. BALLADE
Gestern zogen wilde Horden
durch das Dörfchen hin mit Morden
und ein Mädchen sinnt jetzt still:
Ist der Liebste untreu worden,
weil er heut nicht kommen will? –
Draußen schrien die Dohlen.
Mädchen ging mit bleicher Wange
durch das Haus. – Sie harrte lange,
und des Nachts floh sie der Schlaf.
Und sie schlich hinaus zum Hange,
wo sie stets den Teuren traf.
Ängstlich schrien die Dohlen.
Und die Nacht war schwarz, die schwüle,
fern nur brannte eine Mühle …
Weinend wählt die matte Maid
sich gar weiches Kraut zum Pfühle
und entschlief in lauter Leid.
Schrieen noch die Dohlen?
Spät erwacht sie. Nebel grauten
rings – soweit die Augen schauten …
Weh! – Was sie ein Kraut geglaubt,
ist das Haar an ihres Trauten
blutigem, zerschelltem Haupt. –
Schrecklich schrien die Dohlen.
7. DER FENSTERSTURZ
»Naht Verrat mit leisem Schritte,
ungerächt, bei der Madonna,
bleibt er nicht! Nach alter Sitte
zu den Fenstern!« schrie Colonna.
»Schont den Popel! doch die andern,
jeder eine feige Natter,
aus den Fenstern laßt sie wandern!
Mitleid? – Werft ihn mit, den Platter!«
Bange hangt am Fensterstocke
Martinitz noch. – Da Geröchel:
Turn schwingt seine Degenglocke
und zerschmettert ihm die Knöchel.
Und zum nächsten: »Sag, wie heißt er,
Böhmens Herr? du sollst mirs deuten!«
»Graf von Turn!« – »Der Bürgermeister
lasse alle Glocken läuten!« –
8. GOLD
»Dein Wams, Geliebter, ist voll Gold.
Wo hast das Gold du her?« –
»Da schaust du, Kind, das ist mein Sold,
kein Obrist hat wohl mehr!«
»Nein, das ist gutes, rotes Gold,
das kann dein Sold nicht sein!« –
»Beim Spielen war das Glück mir hold,
und da ward alles mein!«
»Ist wirklich alles dein – das Gold,
gesteh, – und ists kein Trug?« –
»Nun, Würfel haben wir gerollt,
und jetzt laß es genug!«
»Und gibst du mir auch von dem Gold?«
»Das weißt du!« – »Nein, du Schelm,
just auf der Stelle, sieh, ich wollt,
du füllst mir deinen Helm!«
»Es sei!« – »Wie’s durch die Finger bebt,
der Glanz gefällt mir gut! –
– – – – – – – – – – – – – – – – – – –
– – – – – – – – – – – – – – – – – – –
… Schau, was dir da am Finger klebt,
kam das vom Golde? – Blut!« – …
– – – – – – – – – – – – – – – – – – –
9. SZENE
»Du kniest am Markstein, Alter, sprich! –
Das ist kein Heilgenbild!«
»Kein Bild? – Ich bet. – Es faßte mich
das Schicksal gar so wild. «
»Hast du kein Haus, hast du kein Land,
das deiner Hände braucht?«
»Das Land zerstampft, das Haus verbrannt,
sieh hin – gewiß – es raucht. «
»Was bauts nicht wieder auf dein Sohn
und hilft dir aus der Not?«
»Mein Sohn zog in den Krieg davon,
jetzt ist er sicher tot. « –
»Was streicht dir deines Haares Schnee
der Tochter Hand nicht, weich?« –
»Der bracht ein Troßbub Schand und Weh,
da sprang sie in den Teich. « –
»So sieh mir ins Gesicht! – Und brach
das Herz dir auch vor Graus … «
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
»Ich kann nicht, Herr, ein Kriegsknecht stach
mir beide Augen aus. «
10. FEUERLILIE
Winters, als die Äste krachten,
keine Bäche konnten frieren,
weil die Fluten Blutes ihren
Pulsschlag immer neu entfachten.
Als die Zeit kam, da die Blume
aufwacht und der Vogel flötet,
sprang die Lilie selbst gerötet
aus der todgedüngten Krume.
11. BEIM FRIEDLAND
Heimgekehrt von Schlacht und Schlag
freut sich Obrist und Gemeiner;
denn jetzt hält der Wallensteiner
wieder seinen Hof zu Prag.
Just ließ frei den Turn er ziehn;
das war so von seinen Trümpfen
einer. – Drauf ward Nasenrümpfen
Mode … dort bei Hof zu Wien.
Laßt sie zetern. Friedlands Heer
muß nicht darben und nicht dürsten, –
und aus Knechten macht er Fürsten,
unser Herzog. – Wer kann mehr?
12. FRIEDEN
Prag gebar die Mißgestalt
dieses Krieges, der voll Tücke
hauste.
1 comment