Haben Sie den Kleinen weggeschafft?
MARIANNE. Ich hätt' ihn gern dabehalten; ich weiß nur, der Bruder hat's nicht gern, und da unterlass' ich's. Manchmal erbettelt sich der kleine Dieb selbst die Erlaubnis von ihm, mein Schlafkamerad zu sein.
FABRICE. Ist er Ihnen denn nicht lästig?
MARIANNE. Ach, gar nicht. Er ist so wild den ganzen Tag, und wenn ich zu ihm ins Bette komm', ist er so gut wie ein Lämmchen! Ein Schmeichelkätzchen! und herzt mich, was er kann; manchmal kann ich ihn gar nicht zum Schlafen bringen.
FABRICE (halb für sich). Die liebe Natur.
MARIANNE. Er hat mich auch lieber als seine Mutter.
FABRICE. Sie sind ihm auch Mutter. (Marianne steht in Gedanken, Fabrice sieht sie eine Zeitlang an.) Macht Sie der Name Mutter traurig?
MARIANNE. Nicht traurig, ich denke nur so.
FABRICE. Was, süße Marianne?
MARIANNE. Ich denke—ich denke auch nichts. Es ist mir nur manchmal so wunderbar.
FABRICE. Sollten Sie nie gewünscht haben—?
MARIANNE. Was tun Sie für Fragen?
FABRICE. Fabrice wird's doch dürfen?
MARIANNE. Gewünscht nie, Fabrice. Und wenn mir auch einmal so ein
Gedanke durch den Kopf fuhr, war er gleich wieder weg. Meinen Bruder
zu verlassen, wäre mir unerträglich—unmöglich—, alle übrige
Aussicht möchte auch noch so reizend sein.
FABRICE. Das ist doch wunderbar! Wenn Sie in einer Stadt beieinander wohnten, hieße das ihn verlassen?
MARIANNE. O nimmermehr! Wer sollte seine Wirtschaft führen? wer für ihn sorgen?—Mit einer Magd?—oder gar heiraten?—Nein, das geht nicht!
FABRICE. Könnte er nicht mit Ihnen ziehen? Könnte Ihr Mann nicht sein Freund sein? Könnten Sie drei nicht ebenso eine glückliche, eine glücklichere Wirtschaft führen? Könnte Ihr Bruder nicht dadurch in seinen sauern Geschäften erleichtert werden?—Was für ein Leben könnte das sein!
MARIANNE. Man sollt's denken. Wenn ich's überlege, ist's wohl wahr.
Und hernach ist mir's wieder so, als wenn's nicht anginge.
FABRICE. Ich begreife Sie nicht.
MARIANNE. Es ist nun so.—Wenn ich aufwache, horch' ich, ob der Bruder schon auf ist; rührt sich nichts, hui bin ich aus dem Bette in der Küche, mache Feuer an, daß das Wasser über und über kocht, bis die Magd aufsteht und er seinen Kaffee hat, wie er die Augen auftut.
FABRICE. Hausmütterchen.
MARIANNE. Und dann setze ich mich hin und stricke Strümpfe für meinen Bruder, und hab' eine Wirtschaft, und messe sie ihm zehnmal an, ob sie auch lang genug sind, ob die Wade recht sitzt, ob der Fuß nicht zu kurz ist, daß er manchmal ungeduldig wird. Es ist mir auch nicht ums Messen, es ist mir nur, daß ich was um ihn zu tun habe, daß er mich einmal ansehen muß, wenn er ein paar Stunden geschrieben hat, und er mir nicht Hypochonder wird.
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