Jedwedes Licht verstummt’ im dunkeln Graus, Das brüllte, wie wenn sich der Sturm erhoben, Beim Kampf der Winde lautes Meergebraus.
Nie ruht der Höllenwirbelwind vom Toben
Und reißt zu ihrer Qual die Geister fort Und dreht sie um nach unten und nach oben.
Ihr Jammerschrei, Geheul und Klagewort,
Nah’n sie den trümmervollen Felsenklüften, Verlästern fluchend Gottes Tugend dort.
Daß Fleischessünder dies erdulden müßten, Vernahm ich, die, verlockt vom Sinnentrug, Einst unterwarfen die Vernunft den Lüsten.
So wie zur Winterszeit mit irrem Flug
Ein dichtgedrängter breiter Troß von Staren, So sah ich hier im Sturm der Sünder Zug
Hierhin und dort, hinauf’, hinunterfahren, Gestärkt von keiner Hoffnung, mindres Leid, Geschweige jemals Ruhe zu erfahren.
Wie Kraniche, zum Streifen lang gereiht
In hoher Luft die Klagelieder krächzen,
So sah ich von des Sturms Gewaltsamkeit
Die Schatten hergeweht mit bangem Ächzen.
»Wer sind die, Meister, welche her und hin Der Sturmwind treibt, und die nach Ruhe lechzen?«
So ich – und er: »Des Zuges Führerin,
Von welchem du gewünscht, Bericht zu hören, War vieler Zungen große Kaiserin.
Sie ließ von Wollust also sich betören,
Daß sie für das Gelüst Gesetz’ erfand.
Um nur der tiefen Schmach sich zu erwehren.
Sie ist Semiramis, wie allbekannt,
Nachfolgerin des Ninus, ihres Gatten,
Einst herrschend in des Sultans Stadt und Land.
Dann Sie, die, ungetreu Sichäus’ Schatten, Aus Liebe selber sich geweiht dem Tod«
Sieh dann Kleopatra im Flug ermatten.«
Auch Helena, die Ursach’ großer Not,
Im Sturme sah ich den Achill sich heben, Der allem Trotz, nur nicht der Liebe, bot.
Den Paris sah ich dort, den Tristan schweben, Und tausend andre zeigt’ und nannt’ er dann, Die Liebe fortgejagt aus unserm Leben.
Lang hört’ ich den Bericht des Lehrers an, Von diesen Rittern und den Frau’n der Alten, Voll Mitleid und voll Angst, bis ich begann: Mit diesen Zwei’n, die sich zusammenhalten, Die, wie es scheint, so leicht im Sturme sind, Möcht’ ich, o Dichter, gern mich unterhalten.
Und er darauf: »Gib Achtung, wenn der Wind Sie näher führt, dann bei der Liebe flehe, Die beide führt, da kommen sie geschwind.«
Kaum waren sie geweht in unsre Nähe,
Als ich begann: Gequälte Geister, weilt, Wenn’s niemand wehrt, und sagt uns euer Wehe.
Gleich wie ein Taubenpaar die Lüfte teilt, Wenn’s mit weitausgespreizten steten Schwingen Zum süßen Nest herab voll Sehnsucht eilt; So sah ich sie dem Schwarme sich entringen, Bewegt vom Ruf der heißen Ungeduld,
Und durch den Sturm sich zu uns niederschwingen.
»Du, der du uns besuchst voll Gut’ und Huld In purpurschwarzer Nacht, uns, die die Erde Vordem mit Blut getüncht durch unsre Schuld, Gern bäten wir, daß Fried’ und Ruh’ dir werde, War’ uns der Fürst des Weltenalls geneigt, Denn dich erbarmt der seltsamen Beschwerde.
Wie ihr zu Red’ und Hören Lust bezeigt,
So reden wir, so leih’n wir euch die Ohren, Wenn nur, wie eben jetzt, der Sturmwind schweigt.
Ich ward am Meerstrand in der Stadt geboren, Wo Seinen Lauf der Po zur Ruhe lenkt,
Bald mit dem Flußgefolg im Meer verloren.
Die Liebe, die in edles Herz sich senkt, Fing diesen durch den Leib, den Liebreiz schmückte, Der mir geraubt ward, wie’s noch jetzt mich kränkt.
Die Liebe, die Geliebte stets berückte,
Ergriff für diesen mich mit solchem Brand, Daß, wie du stehst, kein Leid ihn unterdrückte.
Die Liebe hat uns in ein Grab gesandt –
Kaina harret des, der uns erschlagen.«
Der Schatten sprach’s, uns kläglich zugewandt.
Vernehmend der bedrängten Seelen Klagen, Neigt’ ich mein Angesicht und stand gebückt.
Was denkst du? hört’ ich drauf den Dichter fragen.
Weh, sprach ich, welche Glut, die sie durchzückt, Welch süßes Sinnen, liebliches Begehren
Hat sie in dieses Qualenland entrückt?
Drauf säumt’ ich nicht, zu jener mich zu kehren.
»Franziska,« So begann ich nun, »dein Leid Drängt mir ins Auge fromme Mitleidszähren.
Doch sage mir: In süßer Seufzer Zeit,
Wodurch und wie verriet die Lieb’ euch beiden Den zweifelhaften Wunsch der Zärtlichkeit.«
Und sie zu mir: Wer fühlt wohl größres Leiden Als der, dem schöner Zeiten Bild erscheint Im Mißgeschick? Dein Lehrer mag’s entscheiden.
Doch da dein Wunsch so warm und eifrig scheint, Zu wissen, was hervor die Liebe brachte, So will ich tun, wie wer da spricht und weint.
Wir lasen einst, weil’s beiden Kurzweil machte, Von Lanzelot, wie ihn die Lieb’ umschlang.
Wir waren einsam, ferne von Verdachte.
Das Buch regt’ in uns auf des Herzens Drang, Trieb unsre Blick’ und macht’ uns oft erblassen, Doch eine Stelle war’s, die uns bezwang, Als das ersehnte Lächeln küssen lassen,
Der, so dies schrieb, vom Buhlen schön und hehr.
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