Nicht weit von oben waren wir gegangen,
Als ich ein Feu’r in lichten Flammen sah, Die rings im halben Kreis die Nacht bezwangen.
Zwar waren wir dem Ort nicht völlig nah, Doch einen Kreis von ehrenhaften Leuten, Die diesen Platz besetzt, erkannt’ ich da.
»Du, des sich Wissenschaft und Kunst erfreuten, Beliebe, wer sie sind, und was sie ehrt
Und von den andern trennt, mir auszudeuten.«
Ich sprach’s, und er: »Für hochgepriesnen Wert, Der oben widerklingt in deinem Leben,
Ward ihnen hier vom Himmel Huld gewährt.«
Da hört’ ich eine Stimme sich erheben:
Der hohe Dichter, auf jetzt zum Empfang!
Sein Schatten kehrt, der jüngst sich fortbegeben.
Sobald die Stimme, die dies sprach, verklang, Sah ich heran vier große Geister schreiten, Im Angesicht nicht fröhlich und nicht bang.
Da sprach der gute Meister mir zur Seiten:
»Sieh diesen, in der Hand das Schwert, voran Den andern gehn, um sie als Fürst zu leiten.
Du siehst Homer, den Dichterkönig, nah’n; Ihm folgt Horaz, berühmt durch Spott dort oben Ovid der Dritt’, als letzter kommt Lukan.
Im Namen, den die eine Stimm’ erhoben,
Kommt mit mir selber jeder überein,
Drum ehren sie mich, und dies ist zu loben.«
So war die schöne Schul’ hier im Verein
Des hohen Herrn der höchsten Sangesweise, Der ob den andern fliegt, ein Aar, allein.
Ein Weilchen sprachen sie im trauten Greise, Doch als sie grüßend sich zu mir gekehrt, Da lächelte Virgtl zu solchem Preise.
Allein noch höher ward ich dort geehrt,
Indem sie mich in ihrer Schar empfingen
Als Sechsten unter solchem Geist und Wert, Wobei wir hin bis zu dem Lichte gingen,
Sprechend, wovon ich schicklich schweigen muß, Wie man dort schicklich sprach von solchen Dingen.
Bald kamen wir an eines Schlosses Fuß,
Von siebenfacher hoher Mau’r umfangen,
Und rings beschützt von einem schönen Fluß.
Als wir mit trocknem Fuße durchgegangen, Ging’s weiter dann durch sieben Tore fort, Und eine Wiese sah ich grünend prangen.
Wir fanden Leute strengen Blickes dort,
Mit großer Würd’ in Ansehn, Gang und Mienen Und wenig sprechend, doch mit sanftem Wort.
Und wir ersah’n dort seitwärts nah bei ihnen Frei eine Höh’ hellem Lichte glüh’n,
Vor welcher alle klar vor uns erschienen.
Dort gegenüber auf dem samtnen Grün
Sah ich die Großen, ewig Denkenswerten,
Die heut mir noch in solzer Seele blüh’n.
Elektren sah ich dort mit viel Gefährten, Äneas, Hektorn hatt’ ich bald erkannt,
Cäsarn, den mit dem Adlerblick bewehrten.
Penthesilea war auf grünem Land;
Zur andern Seite sah ich auch Latinen,
Der bei Lavinien, seiner Tochter, stand.
Ich sah den Brutus, der verjagt Tarquinen, Lucrezien, Julien, Marzien, und, allein
Beiseite sitzend, sah ich Saladinen.
Dann, höher blickend, sah im hellen Schein Ich auch den Meister derer, welche wissen, Der von den Seinen schien umringt zu sein, Sie all ihn hochzuehren sehr beflissen;
Den Plato ihm zunächst und Sokrates,
Die dort den Sitz vor andern an sich rissen.
Den Anaxagoras, Diogenes,
Den Demokrit, des Welt der Zufall machte, Den Zeno, Heraklit, Empedokles.
Ihn, der ans Licht der Pflanzen Kräfte brachte, Den Dioskorides, den Orpheus dann,
Den Seneka, der Schmerz und Luft verlachte.
Auch Ptolemäus kam, Euklid heran,
So auch Averroes, der, seinen Weisen
Erklärend, selbst der Weisheit Ruhm gewann.
Doch nicht vermag ich jeden hier zu greifen, Denn also drängt des Stoffes Größe mich, Daß ihren Dienst mir kaum die Wort’ erweisen.
Hier teilten nun die sechs Gefährten sich.
Mich führt’ auf anderm Weg mein weiser Leiter Dahin, wo Stille lautem Tosen wich,
Und dorthin, wo nichts leuchtet, schritt ich weiter.
Fünfter Gesang
So ging’s hinab vom ersten Kreis zum zweiten, Der kleinern Raum, doch größres Weh umringt, : Das antreibt, Klag’ und Winseln zu verbreiten.
Graus steht dort Minos, fletscht die Zähn’ und bringt Die Schuld ans Licht, wie tief sie sich verfehle, Urteilt, schickt fort, je wie er sich umschlingt.
Ich sage, wenn die schlechtgeborne Seele Ihm vorkommt, beichtet sie der Sünden Last; Und jener Kenner aller Menschenfehle,
Sieht, welcher Ort des Abgrunds für die paßt, Und schickt sie soviel Grad’ hinab zur Hölle, Als oft er sich mit seinem Schweif umfaßt.
Von vielem Volk ist stets besetzt die Schwelle, Und nach und nach kommt jeder zum Gericht, Spricht, hört und eilt zu der bestimmten Stelle.
»Du, der in diese Qualbehausung bricht,«
So rief mir Minos, als er mich ersehen,
Und ließ indes die Übung großer Pflicht;
»Schau’, wem du traust! Leicht ist’s hineinzugehen, Doch täusche nicht dich ein verwegner Drang.«
Mein Führer drauf: »Laß dir den Groll vergehen!
Nicht hindre den von Gott gebotnen Gang, Dort will man’s, wo das Können gleicht dem Wollen.
Nicht mehr gefragt, denn unser Weg ist lang.«
Bald hört’ ich nun, wie Jammertön’ erschollen, Denn ich gelangte nieder zu dem Haus,
Zur Klag’ und dem Geheul der Unglückvollen.
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