Ihm folgen Ventidius, der Legat; Crassus und Septimius, zwei römische Hauptleute; und die deutschen Fürsten Fust, Gueltar und Aristan. – Die Vorigen.

 

HERMANN indem er ihm entgegengeht.

Vergib, Quintilius Varus, mir,

Daß deine Hoheit mich hier suchen muß!

Mein Wille war, dich ehrfurchtsvoll

In meines Lagers Tore einzuführen,

Oktav August in dir, den großen Kaiser Roms,

Und meinen hochverehrten Freund, zu grüßen.

VARUS.

Mein Fürst, du bist sehr gütig, in der Tat.

Ich hab von außerordentlichen

Unordnungen gehört, die die Kohorten sich

In Helakon und Herthakon erlaubt;

Von einer Wodanseiche unvorsichtiger

Verletzung – Feuer, Raub und Mord,

Die dieser Tat unsel'ge Folgen waren,

Von einer Aufführung, mit einem Wort,

Nicht eben, leider! sehr geschickt,

Den Römer in Cheruska zu empfehlen.

Sei überzeugt, ich selbst befand mich in Person

Bei keinem der drei Heereshaufen,

Die von der Lippe her ins Land dir rücken.

Die Eiche, sagt man zwar, ward nicht aus Hohn verletzt,

Der Unverstand nur achtlos warf sie um;

Gleichwohl ist ein Gericht bereits bestellt,

Die Täter aufzufahn, und morgen wirst du sie,

Zur Sühne deinem Volk, enthaupten sehn.

HERMANN.

Quintilius! Dein erhabnes Wort beschämt mich!

Ich muß dich für die allzuraschen

Cherusker dringend um Verzeihung bitten,

Die eine Tat sogleich, aus Unbedacht geschehn,

Mit Rebellion fanatisch strafen wollten.

Mißgriffe, wie die vorgefallnen, sind

Auf einem Heereszuge unvermeidlich.

Laß diesen Irrtum, ich beschwöre dich,

Das Fest nicht stören, das mein Volk,

Zur Feier deines Einzugs, vorbereitet.

Gönn mir ein Wort zugunsten der Bedrängten,

Die deine Rache treffen soll:

Und weil sie bloß aus Unverstand gefehlt,

So schenk das Leben ihnen, laß sie frei!

VARUS reicht ihm die Hand.

Nun, Freund Armin; beim Jupiter, es gilt!

Nimm diese Hand, die ich dir reiche,

Auf immer hast du dir mein Herz gewonnen! –

Die Frevler, bis auf einen, sprech ich frei!

Man wird den Namen ihres Retters ihnen nennen,

Und hier im Staube sollen sie,

Das Leben dir, das mir verwirkt war, danken. –

Den einen nur behalt ich mir bevor,

Der, dem ausdrücklichen Ermahnungswort zuwider,

Den ersten Schlag der Eiche zugefügt;

Der Herold hat es mehr denn zehnmal ausgerufen,

Daß diese Eichen heilig sind,

Und das Gesetz verurteilt ihn des Kriegs,

Das kein Gesuch entwaffnen kann, nicht ich.

HERMANN.

– Wann du auf immer jeden Anlaß willst,

Der eine Zwistigkeit entflammen könnte,

Aus des Cheruskers treuer Brust entfernen,

So bitt ich, würd'ge diese Eichen,

Quintilius, würd'ge ein'ger Sorgfalt sie.

Von ihnen her rinnt einzig fast die Quelle

Des Übels, das uns zu entzweien droht.

Laß irgend, was es sei, ein Zeichenbild zur Warnung,

Wenn du dein Lager wählst, bei diesen Stämmen pflanzen:

So hast du, glaub es mir, für immer

Den wackern Eingebornen dir verbunden.

VARUS.

Wohlan! – Woran erkennt man diese Eichen?

HERMANN.

An ihrem Alter und dem Schmuck der Waffen,

In ihres Wipfels Wölbung aufgehängt.

VARUS.

Septimius Nerva!

SEPTIMIUS tritt vor.

Was gebeut mein Feldherr?

VARUS.

Laß eine Schar von Römern gleich

Sich in den Wald zerstreun, der diese Niederlassung,

Cheruskas Hauptplatz Teutoburg umgibt.

Bei jeder Eiche grauen Alters,

In deren Wipfel Waffen aufgehängt,

Soll eine Wache von zwei Kriegern halten,

Und jeden, der vorübergeht, belehren,

Daß Wodan in der Nähe sei.

Denn Wodan ist, daß ihr's nur wißt, ihr Römer,

Der Zeus der Deutschen, Herr des Blitzes

Diesseits der Alpen, so wie jenseits der;

Er ist der Gott, dem sich mein Knie sogleich,

Beim ersten Eintritt in dies Land, gebeugt;

Und kurz, Quintilius, euer Feldherr, will

Mit Ehrfurcht und mit Scheu, im Tempel dieser Wälder,

Wie den Olympier selbst, geehrt ihn wissen.

SEPTIMIUS.

Man wird dein Wort, O Herr, genau vollziehn.

VARUS zu Hermann.

Bist du zufrieden, Freund?

HERMANN.

Du überfleuchst,

Quintilius, die Wünsche deines Knechts.

VARUS nimmt ein Kissen, auf welchem Geschenke liegen, aus der Hand eines Sklaven, und bringt sie der Thusnelda.

Hier, meine Fürstin, überreich ich dir,

Von August, meinem hohen Herrn,

Was er für dich mir jüngsthin zugesandt,

Es sind Gesteine, Perlen, Federn, Öle –

Ein kleines Rüstzeug, schreibt er, Kupidos.

August, erlauchte Frau, bewaffnet deine Schönheit,

Damit du Hermanns großes Herz,

Stets in der Freundschaft Banden ihm erhaltest.

THUSNELDA empfängt das Kissen und betrachtet die Geschenke.

Quintilius! Dein Kaiser macht mich stolz.

Thusnelda nimmt die Waffen an,

Mit dem Versprechen, Tag und Nacht,

Damit geschirrt, für ihn zu Feld zu ziehn.

 

Sie übergibt das Kissen ihren Frauen.

 

VARUS zu Hermann.

Hier stell ich Gueltar, Fust dir und Aristan,

Die tapfern Fürsten Deutschlands vor,

Die meinem Heereszug sich angeschlossen.

 

Er tritt zurück und spricht mit Ventidius.

 

HERMANN indem er sich dem Fürsten der Cimbern nähert.

Wir kennen uns, wenn ich nicht irre, Fust,

Aus Gallien, von der Schlacht des Ariovist.

FUST.

Mein Prinz, ich kämpfte dort an deiner Seite.

HERMANN lebhaft.

Ein schöner Tag, beim hohen Himmel,

An den dein Helmbusch lebhaft mich erinnert!

– Der Tag, an dem Germanien zwar

Dem Cäsar sank, doch der zuerst

Den Cäsar die Germanier schätzen lehrte.

FUST niedergeschlagen.

Mir kam er teuer, wie du weißt, zu stehn.

Der Cimbern Thron, nicht mehr, nicht minder,

Den ich nur Augusts Gnade jetzt verdanke. –

HERMANN indem er sich zu dem Fürsten der Nervier wendet.

Dich, Gueltar, auch sah ich an diesem Tag?

GUELTAR.

Auf einen Augenblick. Ich kam sehr spät.

Mich kostet' er, wie dir bekannt sein wird,

Den Thron von Nervien; doch August hat

Mich durch den Thron von Äduen entschädigt.

HERMANN indem er sich zu dem Fürsten der Ubier wendet.

Wo war Aristan an dem Tag der Schlacht?

ARISTAN kalt und scharf.

Aristan war in Ubien,

Diesseits des Rheines, wo er hingehörte.

Aristan hat das Schwert niemals

Den Cäsarn Roms gezückt, und er darf kühnlich sagen:

Er war ihr Freund, sobald sie sich

Nur an der Schwelle von Germania zeigten.

HERMANN mit einer Verbeugung.

Arminius bewundert seine Weisheit.

– Ihr Herrn, wir werden uns noch weiter sprechen.

 

Ein Marsch in der Ferne.

 

 

Sechster Auftritt

Ein Herold tritt auf. Bald darauf das Römerheer. – Die Vorigen.

 

DER HEROLD zum Volk das zusammengelaufen.

Platz hier, beliebt's euch, ihr Cherusker!

Varus', des Feldherrn Roms, Liktoren

Nahn festlich an des Heeres Spitze sich!

THUSNELDA.

Was gibt's?

SEPTIMIUS nähert sich ihr.

Es ist das Römerheer,

Das seinen Einzug hält in Teutoburg!

HERMANN zerstreut.

Das Römerheer?

 

Er beobachtet Varus und Ventidius, welche heimlich miteinander sprechen.

 

THUSNELDA.

Wer sind die ersten dort?

CRASSUS.

Varus' Liktoren, königliche Frau,

Die des Gesetzes heil'ges Richtbeil tragen.

THUSNELDA.

Das Beil? Wem! Uns?

SEPTIMIUS.

Vergib! Dem Heere,

Dem sie ins Lager feierlich voranziehn.

 

Das Römerheer zieht in voller Pracht vorüber.

 

VARUS zu Ventidius.

Was also, sag mir an, was hab ich

Von jenem Hermann dort mir zu versehn?

VENTIDIUS.

Quintilius! Das faß ich in zwei Worten!

Er ist ein Deutscher.

In einem Hämmling ist, der an der Tiber graset,

Mehr Lug und Trug, muß ich dir sagen,

Als in dem ganzen Volk, dem er gehört. –

VARUS.

So kann ich, meinst du, dreist der Sueven Fürsten

Entgegenrücken? Habe nichts von diesem,

Bleibt er in meinem Rücken, zu befürchten?

VENTIDIUS.

Sowenig, wiederhol ich dir,

Als hier von diesem Dolch in meinem Gurt. –

VARUS.

Ich werde doch den Platz, in dem Cheruskerland,

Beschaun, nach des Augusts Gebot,

Auf welchem ein Kastell erbaut soll werden.

– Marbod ist mächtig, und nicht weiß ich,

Wie sich am Weserstrom das Glück entscheiden wird.

 

Er sieht ihn fragend an.

 

VENTIDIUS.

Das lob ich sehr. Solch eine Anstalt

Wird stets, auch wenn du siegst, zu brauchen sein.

VARUS.

Wieso? Meinst du vielleicht, die Absicht sei, Cheruska

Als ein erobertes Gebiet –?

VENTIDIUS.

Quintilius,

Die Absicht, dünkt mich, läßt sich fast erraten.

VARUS.

– Ward dir etwa bestimmte Kund hierüber?

VENTIDIUS.

Nicht, nicht! Mißhör mich nicht! Ich teile bloß,

Was sich in dieser Brust prophetisch regt, dir mit,

Und Freunde mir aus Rom bestätigen.

VARUS.

Sei's! Was bekümmert's mich? Es ist nicht meines Amtes

Den Willen meines Kaisers zu erspähn.

Er sagt ihn, wenn er ihn vollführt will wissen. –

Wahr ist's, Rom wird auf seinen sieben Hügeln,

Vor diesen Horden nimmer sicher sein,

Bis ihrer kecken Fürsten Hand

Auf immerdar der Zepterstab entwunden.

VENTIDIUS.

So denkt August, so denket der Senat.

VARUS.

Laß uns in ihre Mitte wieder treten.

 

Sie treten wieder zu Hermann und Thusnelda, welche, von Feldherrn und Fürsten umringt, dem Zuge des Heers zusehen.

 

THUSNELDA.

Septimius! Was bedeutet dieser Adler?

SEPTIMIUS.

Das ist ein Kriegspanier, erhabne Frau!

Jedweder der drei Legionen

Fleucht solch metallnes Adlerbild voran.

THUSNELDA.

So, so! Ein Kriegspanier! Sein Anblick hält

Die Scharen in der Nacht des Kampfs zusammen?

SEPTIMIUS.

Du trafst's. Er führet sie den Pfad des Siegs. –

THUSNELDA.

Wie jedes Land doch seine Sitte hat!

– Bei uns tut es der Chorgesang der Barden.

 

Pause. Der Zug schließt, die Musik schweigt.

 

HERMANN indem er sich zu dem Feldherrn Roms wendet.

Willst du dich in das Zelt verfügen, Varus?

Ein Mahl ist, nach Cheruskersitte,

Für dich und dein Gefolge drin bereitet.

VARUS.

Ich werde kurz jedoch mich fassen müssen.

 

Er nimmt ihn vertraulich bei der Hand.

 

Ventidius hat dir gesagt,

Wie ich den Plan für diesen Krieg entworfen?

HERMANN.

Ich weiß um jeden seiner weisen Punkte.

VARUS.

Ich breche morgen mit dem Römerheer

Aus diesem Lager auf, und übermorgen

Rückst du mit dem Cheruskervolk mir nach.

Jenseits der Weser, in des Feindes Antlitz,

Hörst du das Weitre. – Wünschest du vielleicht,

Daß ein geschickter Römerfeldherr,

Für diesen Feldzug, sich in dein Gefolge mische?

Sag's dreist mir an. Du hast nur zu befehlen.

HERMANN.

Quintilius, in der Tat, du wirst

Durch eine solche Wahl mich glücklich machen.

VARUS.

Wohlan, Septimius, schick dich an,

Dem Kriegsbefehl des Königs zu gehorchen. –

 

Er wendet sich zu Crassus.

 

Und daß die Teutoburg gesichert sei,

Indessen wir entfernt sind, laß ich, Crassus,

Mit drei Kohorten, dich darin zurück.

– Weißt du noch sonst was anzumerken, Freund?

HERMANN.

Nichts, Feldherr Roms! Dir übergab ich alles,

So sei die Sorge auch, es zu beschützen, dein.

VARUS zu Thusnelda.

Nun, schöne Frau, so bitt ich – Eure Hand!

 

Er führt die Fürstin ins Zelt.

 

HERMANN.

Holla, die Hörner! Dieser Tag

Soll für Cheruska stets ein Festtag sein!

 

Hörnermusik. Alle ab.

 

 

Vierter Akt

 

Szene: Marbods Zelt, im Lager der Sueven, auf dem rechten Ufer der Weser.

 

Erster Auftritt

Marbod, den Brief Hermanns, mit dem Dolch, in der Hand haltend. Neben ihm Attarin, sein Rat. Im Hintergrunde zwei Hauptleute. – Auf der andern Seite des Zeltes Luitgar mit Hermanns Kindern Rinold und Adelhart.

 

MARBOD.

Was soll ich davon denken, Attarin?

– Arminius, der Cheruskerfürst,

Läßt mir durch jenen wackern Freund dort melden:

Varus sei ihm, auf Schutz und Trutz, verbunden,

Und werd, in dreien Tagen schon,

Mich am Gestad der Weser überfallen! –

Der Bund, schreibt Hermann doch, sei ihm nur aufgedrungen,

Und stets im Herzen, nach wie vor,

Sei er der Römer unversöhnter Feind.

– Er ruft mich auf, verknüpft mit ihm,

Sogleich dem Mordverrat zuvorzukommen,

Die Weser, angesichts des Blatts, zu überschiffen,

Und, im Morast des Teutoburger Walds,

Die ganze gift'ge Brut der Hölle zu vertilgen. –

Zum Preis mir, wenn der Sieg erfochten,

Will er zu Deutschlands Oberherrn mich krönen.

– Da, lies den Brief, den er mir zugefertigt!

War's nicht so, Luitgar?

LUITGAR.

Allerdings! So sagt ich.

ATTARIN nachdem er den Brief genommen und gelesen.

Mein Fürst, trau diesem Fuchs, ich bitte dich,

Dem Hermann, nicht! Der Himmel weiß,

Was er mit dieser schnöden List bezweckt.

Send ihm, Roms Cäsar so, wie er verdient, zu ehren,

Das Schreiben ohne Antwort heim,

Und melde Varus gleich den ganzen Inhalt!

Es ist ein tückischer, verrätrischer Versuch

Das Bündnis, das euch einigt, zu zerreißen.

Er gibt ihm den Brief zurück.

MARBOD.

Was! List! Verräterei! – Da schicket er

Den Rinold und den Adelhart,

Die beiden Knaben mir, die ihm sein Weib gebar,

Und diesen Dolch hier, sie zu töten,

Wenn sich ein Trug in seinen Worten findet.

ATTARIN wendet sich.

Wo?

MARBOD.

Dort!

ATTARIN.

Das wären des Arminius Kinder?

MARBOD.

Arminius', allerdings! Ich glaub du zweifelst?

In Teutoburg, vor sieben Monden,

Als ich den Staatenbund verhandeln wollte,

Hab ich die Jungen, die dort stehn,

Wie oft an diese alte Brust gedrückt!

ATTARIN.

Vergib, o Herr, das sind die Knaben nicht!

Das sind zwei unterschobene, behaupt ich,

An Wuchs den echten Prinzen ähnlich bloß.

Laß die Verräterbrut gleich in Verwahrsam bringen,

Und ihn, der sie gebracht dir hat, dazu!

 

Pause.

 

MARBOD nachdem er die Knaben aufmerksam betrachtet.

Rinold!

 

Er setzt sich nieder.

 

RINOLD tritt dicht vor ihn.

MARBOD.

Nun, was auch willst du mir? Wer rief dich?

RINOLD sieht ihn an.

Je, nun!

MARBOD.

Je, nun! – Den andern meint ich, Rinold!

 

Er winkt den Adelhart.

 

ADELHART tritt gleichfalls vor ihn.

MARBOD nimmt ihn bei der Hand.

Nicht? Nicht? Du bist der Rinold? Allerdings!

ADELHART.

Ich bin der Adelhart.

MARBOD.

– So. Bist du das.

 

Er stellt die beiden Knaben nebeneinander und scheint sie zu prüfen.

 

Nun, Jungen, sagt mir; Rinold! Adelhart!

Wie steht's in Teutoburg daheim,

Seit ich, vergangnen Herbst her, euch nicht sah?

– Ihr kennt mich doch?

RINOLD.

O ja.

MARBOD.

– Ich bin der Holtar,

Der alte Kämmrer, im Gefolge Marbods,

Der euch, kurz vor der Mittagsstunde,

Stets in des Fürsten Zelt herüber brachte.

RINOLD.

Wer bist du?

MARBOD.

Was! Das wißt ihr nicht mehr? Holtar,

Der euch mit glänz'gem Perlenmutter,

Korallen und mit Bernstein noch beschenkte.

RINOLD nach einer Pause.

Du trägst ja Marbods eisern' Ring am Arm.

MARBOD.

Wo?

RINOLD.

Hier!

MARBOD.

Trug Marbod diesen Ring damals?

RINOLD.

Marbod?

MARBOD.

Ja, Marbod, frag ich, mein Gebieter.

RINOLD.

Ach, Marbod! Was! Freilich trugst du den Ring!

Du sagtest, weiß ich noch, auf Vater Hermanns Frage,

Du hättest ein Gelübd getan,

Und müßtest an dem Arm den Ring von Eisen tragen,

Solang ein römischer Mann in Deutschland sei.

MARBOD.

Das hätt ich – wem? Euch? Nein, das hab ich nicht –!

RINOLD.

Nicht uns! Dem Hermann!

MARBOD.

Wann?

RINOLD.

Am ersten Mittag,

Als Holtar beid in dein Gezelt uns brachte.

 

Marbod sieht den Attarin an.

 

ATTARIN der die Knaben aufmerksam beobachtet.

Das ist ja sonderbar, so wahr ich lebe!

 

Er nimmt Hermanns Brief noch einmal und überliest ihn. Pause.

 

MARBOD indem er gedankenvoll in den Haaren der Knaben spielt.

Ist denn, den Weserstrom zu überschiffen,

Vorläufig eine Anstalt schon gemacht?

EINER DER BEIDEN HAUPTLEUTE vortretend.

Mein Fürst, die Kähne liegen, in der Tat,

Zusamt am rechten Ufer aufgestellt.

MARBOD.

Mithin könnt ich – wenn ich den Entschluß faßte,

Gleich, in der Tat, wie Hermann wünscht,

Des Stromes andern Uferrand gewinnen.

DER HAUPTMANN.

Warum nicht? In drei Stunden, wenn du willst.

Der Mond erhellt die Nacht; du hättest nichts,

Als den Entschluß nur schleunig zu erklären. –

ATTARIN unruhig.

Mein Herr und Herrscher, ich beschwöre dich,

Laß zu nichts Übereiltem dich verführen!

Armin ist selbst hier der Betrogene!

Nach dem, wie sich Roms Cäsar zeigte,

Wär's eine Raserei, zu glauben,

Er werde den Cheruskern sich verbinden.

Hat er mit Waffen dich, dich nicht mit Geld versehn,

In ihre Staaten feindlich einzufallen?

Stählt man die Brust, die man durchbohren will?

Dein Lager ist von Römern voll

Der herrlichsten Patrizier Söhnen,

Die hergesandt, dein Heer die Bahn des Siegs zu führen;

Die dienen dir, für Augusts Wort,

Als Geißel, Herr, und würden ja

Zusamt ein Opfer deiner Rache fallen,

Wenn ein so schändlicher Verrat dich träfe.

– Beschließe nichts, ich bitte dich,

Bis dir durch Fulvius, den Legaten Roms,

Von Varus' Plänen nähre Kunde ward.

 

Pause.

 

MARBOD.

Ich will den Fulvius mindestens

Gleich über diese Sache doch vernehmen.

 

Er steht auf und klingelt.

 

 

Zweiter Auftritt

Komar tritt auf. Die Vorigen.

 

MARBOD.

Den Fulvius Lepidus, Legaten Roms,

Ersuch ich, einen Augenblick,

In diesem Zelt, sein Antlitz mir zu schenken.

KOMAR.

Den Fulvius? Vergib! Der wird nicht kommen;

Er hat soeben, auf fünf Kähnen,

Sich mit der ganzen Schar von Römern eingeschifft,

Die dein Gefolg bis heut vergrößerten. –

Hier ist ein Brief, den er zurückgelassen.

MARBOD.

Was sagst du mir?

ATTARIN.

Er hat, mit allen Römern –?

MARBOD.

Wohin mit diesem Troß, jetzt, da die Nacht kömmt?

KOMAR.

In das Cheruskerland, dem Anschein nach.

Er ist am andern Weserufer schon,

Wo Pferde stehen, die ihn weiter bringen.

ATTARIN.

– Gift, Tod und Rache! Was bedeutet dies?

MARBOD liest.

»Du hast für Rom dich nicht entscheiden können,

Aus voller Brust, wie du gesollt:

Rom, der Bewerbung müde, gibt dich auf.

Versuche jetzt (es war dein Wunsch) ob du

Allein den Herrschthron dir in Deutschland kannst errichten.

August jedoch, daß du es wissest,

Hat den Armin auf seinem Sitz erhöht,

Und dir – die Stufen jetzo weist er an!«

 

Er läßt den Brief fallen.

 

ATTARIN.

Verräterei! Verräterei!

Auf! Zu den Kähnen an der Weser!

Setzt dem Verfluchten nach und bringt ihn her!

MARBOD.

Laß, laß ihn, Freund! Er läuft der Nemesis,

Der er entfliehen will, entgegen!

Das Rachschwert ist schon über ihn gezückt!

Er glaubte, mir die Grube zu eröffnen,

Und selbst, mit seiner ganzen Rotte,

Zur neunten Hölle schmetternd stürzt er nieder!

– Luitgar!

LUITGAR.

Mein erlauchter Herr!

MARBOD.

Tritt näher! –

Wo ist, sag an, wollt ich die Freiheitsschlacht versuchen,

Nach des Arminius Kriegsentwurf,

Der Ort, an dem die Würfel fallen sollen?

LUITGAR.

Das ist der Teutoburger Wald, mein König.

MARBOD.

Und welchen Tag, unfehlbar und bestimmt,

Hat er zum Fall der Würfel festgesetzt?

LUITGAR.

Den Nornentag, mein königlicher Herr. –

MARBOD indem er ihm die Kinder gibt und den Dolch zerbricht.

Wohlan, dein Amt ist aus, hier nimm die Kinder,

Und auch, in Stücken, deinen Dolch zurück!

Den Brief auch –

 

Indem er ihn durchsieht.

 

kann ich nur zur Hälfte brauchen;

 

Er zerreißt ihn.

 

Den Teil, der mir von seiner Huld'gung spricht,

Als einem Oberherrn, den lös ich ab.