–
Triffst du ihn ehr, als ich, so sagst du ihm,
Zu Worten hätt ich keine Zeit gehabt:
Mit Taten würd ich ihm die Antwort schreiben!
LUITGAR indem er den Dolch und die Stücke des Briefes übernimmt.
Wenn ich dich recht verstehe, mein Gebieter –?
MARBOD zu den Feldherren.
Auf, Komar! Brunold! Meine Feldherrn!
Laßt uns den Strom sogleich der Weser überschiffen!
Die Nornen werden ein Gericht,
Des Schicksals fürchterliche Göttinnen,
Im Teutoburger Wald, dem Heer des Varus halten:
Auf, mit der ganzen Macht, ihr Freunde,
Daß wir das Amt der Schergen übernehmen!
Alle ab.
Szene: Straße in Teutoburg. Es ist Nacht.
Dritter Auftritt
Hermann und Eginhardt treten auf.
HERMANN.
Tod und Verderben, sag ich, Eginhardt!
Woher die Ruh, woher die Stille,
In diesem Standplatz röm'scher Kriegerhaufen?
EGINHARDT.
Mein bester Fürst, du weißt, Quintilius Varus zog
Heut mit des Heeres Masse ab.
Er ließ, zum Schutz in diesem Platz,
Nicht mehr, als drei Kohorten nur, zurück.
Die hält man ehr in Zaum, als so viel Legionen,
Zumal, wenn sie so wohlgewählt, wie die.
HERMANN.
Ich aber rechnete, bei allen Rachegöttern,
Auf Feuer, Raub, Gewalt und Mord,
Und alle Greul des fessellosen Krieges!
Was brauch ich Latier, die mir Gutes tun?
Kann ich den Römerhaß, eh ich den Platz verlasse,
In der Cherusker Herzen nicht
Daß er durch ganz Germanien schlägt, entflammen:
So scheitert meine ganze Unternehmung!
EGINHARDT.
Du hättest Wolf, dünkt mich, und Thuskar und den andern
Doch dein Geheimnis wohl entdecken sollen.
Sie haben, als die Römer kamen,
Mit Flüchen, gleich die Teutoburg verlassen.
Wie gut, wenn deine Sache siegt,
Hättst du in Deutschland sie gebrauchen können.
HERMANN.
Die Schwätzer, die! Ich bitte dich;
Laß sie zu Hause gehn. –
Die schreiben, Deutschland zu befreien,
Mit Chiffern, schicken, mit Gefahr des Lebens,
Einander Boten, die die Römer hängen,
Versammeln sich um Zwielicht – essen, trinken,
Und schlafen, kommt die Nacht, bei ihren Frauen. –
Wolf ist der einz'ge, der es redlich meint.
EGINHARDT.
So wirst du doch den Flambert mindestens,
Den Torst und Alarich und Singar,
Die Fürsten an des Maines Ufer,
Von deinem Wagstück staatsklug unterrichten?
HERMANN.
Nichts, Liebster! Nenne mir die Namen nicht!
Meinst du, die ließen sich bewegen,
Auf meinem Flug mir munter nachzuschwingen?
Eh das von meinem Maultier würd ich hoffen.
Die Hoffnung: morgen stirbt Augustus!
Lockt sie, bedeckt mit Schmach und Schande,
Von einer Woche in die andere. –
Es braucht der Tat, nicht der Verschwörungen.
Den Widder laß sich zeigen, mit der Glocke,
So folgen, glaub mir, alle anderen.
EGINHARDT.
So mög der Himmel dein Beginnen krönen!
HERMANN.
Horch! Still!
EGINHARDT.
Was gibt's?
HERMANN.
Rief man nicht dort Gewalt?
EGINHARDT.
Nein, mein erlauchter Herr! Ich hörte nichts,
Es war die Wache, die die Stunden rief.
HERMANN.
Verflucht sei diese Zucht mir der Kohorten!
Ich stecke, wenn sich niemand rührt,
Die ganze Teutoburg an allen Ecken an!
EGINHARDT.
Nun, nun! Es wird sich wohl ein Frevel finden.
HERMANN.
Komm, laß uns heimlich durch die Gassen schleichen,
Und sehn ob uns der Zufall etwas beut.
Beide ab.
Vierter Auftritt
Ein Auflauf. – Zuerst ein Greis und andere, bald darauf zwei Cherusker, welche eine Person aufführen, die ohnmächtig ist. Fackeln. Volk jeden Alters und Geschlechts.
DER GREIS mit aufgehobenen Händen.
Wodan, den Blitz regierst du, in den Wolken:
Und einen Greul, entsetzensvoll,
Wie den, läßt du auf Erden sich verüben!
EIN JUNGES MÄDCHEN.
Mutter, was gibt's?
EIN ANDERES.
Was läuft das Volk zusammen?
DIE MUTTER mit einem Kinde an der Brust.
Nichts, meine Töchter, nichts! Was fragt ihr doch?
Ein Mensch, der auf der offnen Straß erkrankte,
Wird von den Freunden hier vorbeigeführt.
EIN MANN indem er auftritt.
Habt ihr gesehn? Den jungen Römerhauptmann,
Der plötzlich, mit dem Federbusch, erschien?
EIN ANDERER.
Nein, Freund! Von wo?
EIN DRITTER.
Was tat er?
DER MANN.
Was er tat?
Drei'n dieser geilen apennin'schen Hunden,
Als man die Tat ihm meldete,
Hat er das Herz gleich mit dem Schwert durchbohrt!
DER GREIS.
Vergib mir, Gott! ich kann es ihm nicht danken!
EIN WEIB aus dem Haufen.
Da kommt die Unglücksel'ge schon heran!
Die Person, von zwei Cheruskern geführt, erscheint.
DER GREIS.
Hinweg die Fackeln!
DAS VOLK.
Seht, o seht!
DER GREIS.
Hinweg!
– Seht ihr nicht, daß die Sonne sich verbirgt?
DAS VOLK.
O des elenden, schmachbedeckten Wesens!
Der fußzertretnen, kotgewälzten,
An Brust und Haupt, zertrümmerten Gestalt.
EINIGE STIMMEN.
Wer ist's? Ein Mann? Ein Weib?
DER CHERUSKER der die Person führt.
Fragt nicht, ihr Leute,
Werft einen Schleier über die Person!
Er wirft ein großes Tuch über sie.
DER ZWEITE CHERUSKER der sie führt.
Wo ist der Vater?
EINE STIMME aus dem Volke.
Der Vater ist der Teuthold!
DER ZWEITE CHERUSKER.
Der Teuthold, Helgars Sohn, der Schmidt der Waffen?
MEHRERE STIMMEN.
Teuthold, der Schmidt, er, ja!
DER ZWEITE CHERUSKER.
Ruft ihn herbei!
DAS VOLK.
Da tritt er schon, mit seinen Vettern, auf!
Fünfter Auftritt
Teuthold und zwei andre Männer treten auf.
DER ZWEITE CHERUSKER.
Teuthold, heran!
TEUTHOLD.
Was gibt's?
DER ZWEITE CHERUSKER.
Heran hier, sag ich! –
Platz, Freunde, bitt ich! Laßt den Vater vor!
TEUTHOLD.
Was ist geschehn?
DER ZWEITE CHERUSKER.
Gleich, gleich! – Hier stell dich her!
Die Fackeln! He, ihr Leute! Leuchtet ihm!
TEUTHOLD.
Was habt ihr vor?
DER ZWEITE CHERUSKER.
Hör an und faß dich kurz. –
Kennst du hier die Person?
TEUTHOLD.
Wen, meine Freunde?
DER ZWEITE CHERUSKER.
Hier, frag ich, die verschleierte Person?
TEUTHOLD.
Nein! Wie vermöcht ich das? Welch ein Geheimnis!
DER GREIS.
Du kennst sie nicht?
DER ERSTE DER BEIDEN VETTERN.
Darf man den Schleier lüften?
DER ERSTE CHERUSKER.
Halt, sag ich dir! Den Schleier rühr nicht an!
DER ZWEITE VETTER.
Wer die Person ist, fragt ihr?
Er nimmt eine Fackel und beleuchtet ihre Füße.
TEUTHOLD.
Gott im Himmel!
Hally, mein Einziges, was widerfuhr dir?
Der Greis führt ihn auf die Seite und sagt ihm etwas ins Ohr. Teuthold steht, wie vom Donner gerührt. Die Vettern, die ihm gefolgt waren, erstarren gleichfalls. Pause.
DER ZWEITE CHERUSKER.
Genug! Die Fackeln weg! Führt sie ins Haus!
Ihr aber eilt den Hermann herzurufen!
TEUTHOLD indem er sich plötzlich wendet.
Halt dort!
DER ERSTE CHERUSKER.
Was gibt's?
TEUTHOLD.
Halt, sag ich, ihr Cherusker!
Ich will sie führen, wo sie hingehört.
Er zieht den Dolch.
– Kommt, meine Vettern, folgt mir!
DER ZWEITE CHERUSKER.
Mann, was denkst du?
TEUTHOLD zu den Vettern.
Rudolf, du nimmst die Rechte, Ralf, die Linke!
– Seid ihr bereit, sagt an?
DIE VETTERN indem sie die Dolche ziehn.
Wir sind's! Brich auf!
TEUTHOLD bohrt sie nieder.
Stirb! Werde Staub! Und über deiner Gruft
Schlag ewige Vergessenheit zusammen!
Sie fällt, mit einem kurzen Laut, übern Haufen.
DAS VOLK.
Ihr Götter!
DER ERSTE CHERUSKER fällt ihm in den Arm.
Ungeheuer! Was beginnst du?
EINE STIMME aus dem Hintergrunde.
Was ist geschehn?
EINE ANDERE.
Sprecht!
EINE DRITTE.
Was erschrickt das Volk?
DAS VOLK durcheinander.
Weh! Weh! Der eigne Vater hat, mit Dolchen,
Die eignen Vettern, sie in Staub geworfen!
TEUTHOLD indem er sich über die Leiche wirft.
Hally! Mein einz'ges! Hab ich's recht gemacht?
Sechster Auftritt
Hermann und Eginhardt treten auf. Die Vorigen.
DER ZWEITE CHERUSKER.
Komm her, mein Fürst, schau diese Greuel an!
HERMANN.
Was gibt's?
DER ERSTE CHERUSKER.
Was! Fragst du noch? Du weißt von nichts?
HERMANN.
Nichts, meine Freund'! ich komm aus meinem Zelte.
EGINHARDT.
Sagt, was erschreckt euch?
DER ZWEITE CHERUSKER halblaut.
Eine ganze Meute
Von geilen Römern, die den Platz durchschweifte,
Hat bei der Dämmrung schamlos eben jetzt –
HERMANN indem er ihn vorführt.
Still, Selmar, still! Die Luft, du weißt, hat Ohren.
– Ein Römerhaufen?
EGINHARDT.
Ha! Was wird das werden?
Sie sprechen heimlich zusammen. Pause.
HERMANN mit Wehmut, halblaut.
Hally? Was sagst du mir! Die junge Hally?
DER ZWEITE CHERUSKER.
Hally, Teutholds, des Schmidts der Waffen, Tochter!
– Da liegt sie jetzt, schau her, mein Fürst,
Von ihrem eignen Vater hingeopfert!
EGINHARDT vor der Leiche.
Ihr großen, heiligen und ew'gen Götter!
DER ERSTE CHERUSKER.
Was wirst du nun, o Herr, darauf beschließen?
HERMANN zum Volke.
Kommt, ihr Cherusker! Kommt, ihr Wodankinder!
Kommt, sammelt euch um mich und hört mich an!
Das Volk umringt ihn; er tritt vor Teuthold.
Teuthold, steh auf!
TEUTHOLD am Boden.
Laß mich!
HERMANN.
Steh auf, sag ich!
TEUTHOLD.
Hinweg! Des Todes ist, wer sich mir naht.
HERMANN.
– Hebt ihn empor, und sagt ihm, wer ich sei.
DER ZWEITE CHERUSKER.
Steh auf, unsel'ger Alter!
DER ERSTE CHERUSKER.
Fasse dich!
DER ZWEITE CHERUSKER.
Hermann, dein Rächer ist's, der vor dir steht.
Sie heben ihn empor.
TEUTHOLD.
Hermann, mein Rächer, sagt ihr? – Kann er Rom,
Das Drachennest, vom Erdenrund vertilgen?
HERMANN.
Ich kann's und will's! Hör an, was ich dir sage.
TEUTHOLD sieht ihn an.
Was für ein Laut des Himmels traf mein Ohr?
DIE BEIDEN VETTERN.
Du kannst's und willst's?
TEUTHOLD.
Gebeut! Sprich! Red, o Herr!
Was muß geschehn? Wo muß die Keule fallen?
HERMANN.
Das hör jetzt, und erwidre nichts. –
Brich, Rabenvater, auf, und trage, mit den Vettern,
Die Jungfrau, die geschändete,
In einen Winkel deines Hauses hin!
Wir zählen funfzehn Stämme der Germaner;
In funfzehn Stücke, mit des Schwertes Schärfe,
Teil ihren Leib, und schick mit funfzehn Boten,
Ich will dir funfzehn Pferde dazu geben,
Den funfzehn Stämmen ihn Germaniens zu.
Der wird in Deutschland, dir zur Rache,
Bis auf die toten Elemente werben:
Der Sturmwind wird, die Waldungen durchsausend,
Empörung! rufen, und die See,
Des Landes Rippen schlagend, Freiheit! brüllen.
DAS VOLK.
Empörung! Rache! Freiheit!
TEUTHOLD.
Auf! Greift an!
Bringt sie ins Haus, zerlegt in Stücken sie!
Sie tragen die Leiche fort.
HERMANN.
Komm, Eginhardt! Jetzt hab ich nichts mehr
An diesem Ort zu tun! Germanien lodert:
Laß uns den Varus jetzt, den Stifter dieser Greuel,
Im Teutoburger Walde suchen!
Alle ab.
Szene: Hermanns Zelt.
Siebenter Auftritt
Hermann tritt auf, mit Schild und Spieß. Hinter ihm Septimius. – Gefolge.
HERMANN.
Hast du die neuste Einrichtung getroffen?
Mir das Cheruskerheer, das vor den Toren liegt,
Nach Römerart, wie du versprachst,
In kleinere Manipeln abgeteilt?
SEPTIMIUS.
Mein Fürst, wie konnt ich? Deine deutschen Feldherrn
Versicherten, du wolltest selbst,
Bei dieser Neuerung zugegen sein.
Ich harrte, vor dem Tor, bis in die Nacht auf dich;
Doch du – warum? nicht weiß ich es – bliebst aus.
HERMANN.
Was! So ist alles noch im Heer, wie sonst?
SEPTIMIUS.
Auf jeden Punkt; wie könnt es anders?
Es ließ sich, ohne dich, du weißt, nichts tun.
HERMANN.
Das tut mir leid, Septimius, in der Tat!
Mich hielt ein dringendes Geschäft
Im Ort zurück; du würdest, glaubt ich,
Auch ohne mich hierin verfügen können.
Nun – wird es wohl beim alten bleiben müssen.
Der Tag bricht an; hast du das Heer,
Dem Plan gemäß, zum Marsch nach Arkon,
Dem Teutoburger Waldplatz angeschickt?
SEPTIMIUS.
Es harrt nur deines Worts, um anzutreten.
HERMANN indem er einen Vorhang lüftet.
– Ich denk, es wird ein schöner Tag heut werden?
SEPTIMIUS.
Die Nacht war heiß, ich fürchte ein Gewitter.
Pause.
HERMANN.
Nun, sei so gut, verfüg dich nur voran!
Von meinem Weib nur will ich Abschied nehmen,
Und folg, in einem Augenblick, dir nach!
Septimius ab.
Zu dem Gefolge.
Auf, folgt ihm, und verlaßt ihn nicht!
Und jegliche Gemeinschaft ist,
Des Heers mit Teutoburg, von jetzt streng aufgehoben.
Das Gefolge ab.
Achter Auftritt
HERMANN nachdem er Schild und Spieß weggelegt.
Nun wär ich fertig, wie ein Reisender.
Cheruska, wie es steht und liegt,
Kommt mir, wie eingepackt in eine Kiste, vor:
Um einen Wechsel könnt ich es verkaufen.
Denn käm's heraus, daß ich auch nur
Davon geträumt, Germanien zu befrein:
Roms Feldherr steckte gleich mir alle Plätze an,
Erschlüge, was die Waffen trägt,
Und führte Weib und Kind gefesselt übern Rhein. –
August straft den Versuch, so wie die Tat!
Er zieht eine Klingel; ein Trabant tritt auf.
Ruf mir die Fürstin!
DER TRABANT.
Hier erscheint sie schon!
Neunter Auftritt
Hermann und Thusnelda.
HERMANN nimmt einen Brief aus dem Busen.
Nun, Thuschen, komm; ich hab dir was zu sagen.
THUSNELDA ängstlich.
Sag, liebster Freund, um 's Himmelswillen,
Welch ein Gerücht läuft durch den Lagerplatz?
Ganz Teutoburg ist voll, es würd, in wenig Stunden,
Dem Crassus, der Kohorten Führer,
Ein fürchterliches Blutgericht ergehn!
Dem Tode, wär die ganze Schar geweiht,
Die als Besatzung hier zurückgeblieben.
HERMANN.
Ja! Kind, die Sach hat ihre Richtigkeit.
Ich warte nur auf Astolf noch,
Deshalb gemeßne Ordre ihm zu geben.
Sobald ich Varus' Heer, beim Strahl des nächsten Tages,
Im Teutoburger Wald erreicht,
Bricht Astolf hier im Ort dem Crassus los;
Die ganze Brut, die in den Leib Germaniens
Sich eingefilzt, wie ein Insektenschwarm,
Muß durch das Schwert der Rache jetzo sterben.
THUSNELDA.
Entsetzlich! – Was für Gründe, sag mir,
Hat dein Gemüt, so grimmig zu verfahren?
HERMANN.
Das muß ich dir ein andermal erzählen.
THUSNELDA.
Crassus, mein liebster Freund, mit allen Römern –?
HERMANN.
Mit allen, Kind; nicht einer bleibt am Leben!
Vom Kampf, mein Thuschen, übrigens,
Der hier im Ort gekämpft wird werden,
Hast du auch nicht das mindeste zu fürchten;
Denn Astolf ist dreimal so stark, als Crassus;
Und überdies noch bleibt ein eigner Kriegerhaufen,
Zum Schutze dir, bei diesem Zelt zurück.
THUSNELDA.
Crassus? Nein, sag mir an! Mit allen Römern –?
Die Guten mit den Schlechten, rücksichtslos?
HERMANN.
Die Guten mit den Schlechten. – Was! Die Guten!
Das sind die Schlechtesten! Der Rache Keil
Soll sie zuerst, vor allen andern, treffen!
THUSNELDA.
Zuerst! Unmenschlicher! Wie mancher ist,
Dem wirklich Dankbarkeit du schuldig bist –?
HERMANN.
– Daß ich nicht wüßte! Wem?
THUSNELDA.
Das fragst du noch!
HERMANN.
Nein, in der Tat, du hörst; ich weiß von nichts.
Nenn einen Namen mir?
THUSNELDA.
Dir einen Namen!
So mancher einzelne, der, in den Plätzen,
Auf Ordnung hielt, das Eigentum beschützt –
HERMANN.
Beschützt! Du bist nicht klug! Das taten sie,
Es um so besser unter sich zu teilen.
THUSNELDA mit steigender Angst.
Du Unbarmherz'ger! Ungeheuerster!
– So hätt auch der Centurio,
Der, bei dem Brande in Thuiskon jüngst
Die Heldentat getan, dir kein Gefühl entlockt?
HERMANN.
Nein – Was für ein Centurio?
THUSNELDA.
Nicht? Nicht?
Der junge Held, der, mit Gefahr des Lebens,
Das Kind, auf seiner Mutter Ruf,
Dem Tod der Flammen mutig jüngst entrissen? –
Er hätte kein Gefühl der Liebe dir entlockt?
HERMANN glühend.
Er sei verflucht, wenn er mir das getan!
Er hat, auf einen Augenblick,
Mein Herz veruntreut, zum Verräter
An Deutschlands großer Sache mich gemacht!
Warum setzt' er Thuiskon mir in Brand?
Ich will die höhnische Dämonenbrut nicht lieben!
Solang sie in Germanien trotzt,
Ist Haß mein Amt und meine Tugend Rache!
THUSNELDA weinend.
Mein liebster, bester Herzens-Hermann,
Ich bitte dich um des Ventidius Leben!
Das eine Haupt nimmst du von deiner Rache aus!
Laß, ich beschwöre dich, laß mich ihm heimlich melden,
Was über Varus du verhängt:
Mag er ins Land der Väter rasch sich retten!
HERMANN.
Ventidius? Nun gut. – Ventidius Carbo?
Nun denn, es sei! – Weil es mein Thuschen ist,
Die für ihn bittet, mag er fliehn:
Sein Haupt soll meinem Schwert, so wahr ich lebe,
Um dieser schönen Regung heilig sein!
THUSNELDA sie küßt seine Hand.
O Hermann! Ist es wirklich wahr? O Hermann!
Du schenkst sein Leben mir?
HERMANN.
Du hörst. Ich schenk's ihm.
Sobald der Morgen angebrochen,
Steckst du zwei Wort ihm heimlich zu,
Er möchte gleich sich übern Rheinstrom retten;
Du kannst ihm Pferd' aus meinen Ställen schicken,
Daß er den Tagesstrahl nicht mehr erschaut.
THUSNELDA.
O Liebster mein! Wie rührst du mich! O Liebster!
HERMANN.
Doch eher nicht, hörst du, das bitt ich sehr,
Als bis der Morgen angebrochen!
Eh auch mit Mienen nicht verrätst du dich!
Denn alle andern müssen unerbittlich,
Die schändlichen Tyrannenknechte, sterben:
Der Anschlag darf nicht etwa durch ihn scheitern!
THUSNELDA indem sie sich die Tränen trocknet.
Nein, nein; ich schwör's dir zu! Kurz vor der Sonn erst!
Kurz vor der Sonn erst soll er es erfahren!
HERMANN.
So, wenn der Mond entweicht. Nicht eh, nicht später.
THUSNELDA.
Und daß der Jüngling auch nicht etwa,
Der törichte, um dieses Briefs,
Mit einem falschen Wahn sich schmeichele,
Will ich den Brief in deinem Namen schreiben;
Ich will, mit einem höhn'schen Wort ihm sagen:
Bestimmt wär er, die Post vom Untergang des Varus
Nach Rom, an seinen Kaiserhof, zu bringen!
HERMANN heiter.
Das tu. Das ist sehr klug. – Sieh da, mein schönes Thuschen!
Ich muß dich küssen. –
Doch, was ich sagen wollte – –
Hier ist die Locke wieder, schau,
Die er dir jüngst vom Scheitel abgelöst,
Sie war, als eine Probe deiner Haare,
Schon auf dem Weg nach Rom; jedoch ein Schütze bringt,
Der in den Sand den Boten streckte,
Sie wieder in die Hände mir zurück.
Er gibt ihr den Brief, worin die Locke eingeschlagen.
THUSNELDA indem sie den Brief entfaltet.
Die Lock? O was! Um die ich ihn verklagt?
HERMANN.
Dieselbe, ja!
THUSNELDA.
Sieh da! Wo kommt sie her?
Du hast sie dem Arkadier abgefordert?
HERMANN.
Ich? O behüte!
THUSNELDA.
Nicht? – Ward sie gefunden?
HERMANN.
Gefunden, ja, in einem Brief, du siehst,
Den er nach Rom hin, gestern früh,
An Livia, seine Kaisrin, abgefertigt.
THUSNELDA.
In einem Brief? An Kaiserin Livia?
HERMANN.
Ja, lies die Aufschrift nur. Du hältst den Brief.
Indem er mit dem Finger zeigt.
»An Livia, Roms große Kaiserin.«
THUSNELDA.
Nun? Und?
HERMANN.
Nun? Und?
THUSNELDA.
– Freund, ich versteh kein Wort!
– Wie kamst du zu dem Brief? Wer gab ihn dir?
HERMANN.
Ein Zufall, Thuschen, hab ich schon gesagt!
Der Brief, mit vielen andern noch,
Ward einem Boten abgejagt,
Der nach Italien ihn bringen sollte.
Den Boten warf ein guter Pfeilschuß nieder,
Und sein Paket, worin die Locke,
Hat mir der Schütze eben überbracht.
THUSNELDA.
Das ist ja seltsam, das, so wahr ich lebe! –
Was sagt Ventidius denn darin?
HERMANN.
Er sagt –:
Laß sehn! Ich überflog ihn nur. Was sagt er?
Er guckt mit hinein.
THUSNELDA liest.
»Varus, o Herrscherin, steht, mit den Legionen,
Nun in Cheruska siegreich da;
Cheruska, faß mich wohl, der Heimat jener Locken,
Wie Gold so hell und weich wie Seide,
Die dir der heitre Markt von Rom verkauft.
Nun bin ich jenes Wortes eingedenk,
Das deinem schönen Mund, du weißt,
Als ich zuletzt dich sah, im Scherz entfiel.
Hier schick ich von dem Haar, das ich dir zugedacht,
Und das sogleich, wenn Hermann sinkt,
Die Schere für dich ernten wird,
Dir eine Probe zu, mir klug verschafft;
Beim Styx! so legt's am Kapitol,
Phaon, der Krämer, dir nicht vor:
Es ist vom Haupt der ersten Frau des Reichs,
Vom Haupt der Fürstin selber der Cherusker!«
– Ei der Verfluchte!
Sie sieht Hermann an, und wieder in den Brief hinein.
Nein, ich las wohl falsch?
HERMANN.
Was?
THUSNELDA.
Was!
HERMANN.
– Steht's anders in dem Briefe da?
Er sagt –:
THUSNELDA.
»Hier schick ich von dem Haar«, sagt er,
»Das ich dir zugedacht, und das sogleich,
Wenn Hermann sinkt – die Schere für dich ernten wird –«
Die Sprache geht ihr aus.
HERMANN.
Nun ja; er will –! Verstehst du's nicht?
THUSNELDA.
Sie wirft sich auf einen Sessel nieder.
O Hertha! Nun mag ich diese Sonne nicht mehr sehn.
Sie verbirgt ihr Haupt.
HERMANN leise, flüsternd.
Thuschen! Thuschen! Er ist ja noch nicht fort.
Er folgt ihr und ergreift ihre Hand.
THUSNELDA.
Geh, laß mich sein.
HERMANN beugt sich ganz über sie.
Heut, wenn die Nacht sinkt, Thuschen,
Schlägt dir der Rache süße Stunde ja!
THUSNELDA.
Geh, geh, ich bitte dich! Verhaßt ist alles,
Die Welt mir, du mir, ich: laß mich allein!
HERMANN er fällt vor ihr nieder.
Thuschen! Mein schönes Weib! Wie rührst du mich!
Kriegsmusik draußen.
Zehnter Auftritt
Eginhardt und Astolf treten auf. Die Vorigen.
EGINHARDT.
Mein Fürst, die Hörner rufen dich! Brich auf!
Du darfst, willst du das Schlachtfeld noch erreichen,
Nicht, wahrlich! einen Augenblick mehr säumen.
HERMANN steht auf.
Gertrud!
EGINHARDT.
Was fehlt der Königin?
HERMANN.
Nichts, nichts!
Die Frauen der Thusnelda treten auf.
Hier! Sorgt für eure Frau! Ihr seht, sie weint.
Er nimmt Schild und Spieß.
Astolf ist von dem Kriegsplan unterrichtet?
EGINHARDT.
Er weiß von allem.
HERMANN zu Astolf.
Sechshundert Krieger bleiben dir
In Teutoburg zurück, und ein Gezelt mit Waffen,
Cheruskas ganzes Volk damit zu rüsten.
Teuthold bewaffnest, und die Seinen, du,
Um Mitternacht, wenn alles schläft, zuerst.
Sobald der Morgen dämmert brichst du los.
Crassus und alle Führer der Kohorten,
Suchst du in ihren Zelten auf;
Den Rest des Haufens fällst du, gleichviel, wo?
Auch den Ventidius empfehl ich dir.
Wenn hier in Teutoburg der Schlag gefallen,
Folgst du, mit deinem ganzen Troß,
Mir nach dem Teutoburger Walde nach;
Dort wirst du weiteren Befehl erhalten.
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