Hast du verstanden?

ASTOLF.

Wohl, mein erlauchter Herr.

EGINHARDT besorgt.

Mein bester Fürst! Willst du nicht lieber ihn

Nach Norden, an den Lippstrom, schicken,

Cheruska vor dem Pästus zu beschirmen,

Der dort, du weißt, mit Holm, dem Herrn der Friesen, kämpft.

Cheruska ist ganz offen dort,

Und Pästus, wenn er hört, daß Rom von dir verraten,

Beim Styx! er sendet, zweifle nicht,

Gleich einen Haufen ab, in deinem Rücken,

Von Grund aus, alle Plätze zu verwüsten.

HERMANN.

Nichts, nichts, mein alter Freund! Was fällt dir ein?

Kämpf ich auch für den Sand, auf den ich trete,

Kämpf ich für meine Brust?

Cheruska schirmen! Was! Wo Hermann steht, da siegt er,

Und mithin ist Cheruska da.

Du folgst mir, Astolf, ins Gefild der Schlacht;

Wenn Varus, an der Weser, sank,

Werd ich, am Lippstrom, auch den Pästus treffen!

ASTOLF.

Es ist genug, o Herr! Es wird geschehn.

HERMANN wendet sich zu Thusnelda.

Leb wohl, Thusnelda, mein geliebtes Weib!

Astolf hat deine Rache übernommen.

THUSNELDA steht auf.

An dem Ventidius?

 

Sie drückt einen heißen Kuß auf seine Lippen.

 

Überlaß ihn mir!

Ich habe mich gefaßt, ich will mich rächen!

HERMANN.

Dir?

THUSNELDA.

Mir! Du sollst mit mir zufrieden sein.

HERMANN.

Nun denn, so ist der erste Sieg erfochten!

Auf jetzt, daß ich den Varus treffe:

Roms ganze Kriegsmacht, wahrlich, scheu ich nicht!

 

Alle ab.

 

 

Fünfter Akt

 

Szene: Teutoburger Wald. Nacht, Donner und Blitz.

 

Erster Auftritt

Varus und mehrere Feldherrn, an der Spitze des römischen Heeres, mit Fackeln treten auf.

 

VARUS.

Ruft Halt! ihr Feldherrn, den Kohorten zu!

DIE FELDHERRN in der Ferne.

Halt! – Halt!

VARUS.

Licinius Valva!

EIN HAUPTMANN vortretend.

Hier! Wer ruft?

VARUS.

Schaff mir die Boten her, die drei Cherusker,

Die an der Spitze gehn!

DER HAUPTMANN.

Du hörst, mein Feldherr!

Du wirst die Männer schuldlos finden;

Arminius hat sie also unterrichtet.

VARUS.

Schaff sie mir her, sag ich, ich will sie sprechen! –

Ward, seit die Welt in Kreisen rollt,

Solch ein Verrat erlebt? Cherusker führen mich,

Die man, als Kundige des Landes, mir

Mit breitem Munde rühmt, am hellen Mittag irr!

Rück ich nicht, um zwei Meilen zu gewinnen,

Bereits durch sechzehn volle Stunden fort?

War's ein Versehn, daß man nach Pfiffi– mich,

Statt Iphikon geführt: wohlan, ich will es mindstens,

Bevor ich weiterrücke, untersuchen.

ERSTER FELDHERR in den Bart.

Daß durch den Mantel doch, den sturmzerrißnen,

Der Nacht, der um die Köpf uns hängt,

Ein einz'ges Sternbild schimmernd niederblinkte!

Wenn auf je hundert Schritte nicht,

Ein Blitzstrahl zischend vor uns niederkeilte,

Wir würden, wie die Eul am Tage,

Haupt und Gebein uns im Gebüsch zerschellen!

ZWEITER FELDHERR.

Wir können keinen Schritt fortan,

In diesem feuchten Mordgrund, weiter rücken!

Er ist so zäh, wie Vogelleim geworden.

Das Heer schleppt halb Cheruska an den Beinen,

Und wird noch, wie ein bunter Specht,

Zuletzt, mit Haut und Haar, dran klebenbleiben.

DRITTER FELDHERR.

Pfiffikon! Iphikon! – Was das, beim Jupiter!

Für eine Sprache ist! Als schlüg ein Stecken

An einen alten, rostzerfreßnen Helm!

Ein Greulsystem von Worten, nicht geschickt,

Zwei solche Ding, wie Tag und Nacht,

Durch einen eignen Laut zu unterscheiden.

Ich glaub, ein Tauber war's, der das Geheul erfunden,

Und an den Mäulern sehen sie sich's ab.

EIN RÖMER.

Dort kommen die Cherusker!

VARUS.

Bringt sie her!

 

 

Zweiter Auftritt

Der Hauptmann mit den drei cheruskischen Boten. – Die Vorigen.

 

VARUS.

Nach welchem Ort, sag an, von mir benannt,

Hast du mich heut von Arkon führen sollen?

DER ERSTE CHERUSKER.

Nach Pfiffikon, mein hochverehrter Herr.

VARUS.

Was, Pfiffikon! hab ich nicht Iphi– dir

Bestimmt, und wieder Iphikon genannt?

DER ERSTE CHERUSKER.

Vergib, o Herr, du nanntest Pfiffikon.

Zwar sprachst du, nach der Römermundart,

Das leugn ich nicht: »führt mich nach Iphikon«;

Doch Hermann hat bestimmt uns gestern,

Als er uns unterrichtete, gesagt:

»Des Varus Wille ist nach Pfiffikon zu kommen;

Drum tut nach mir, wie er auch ausspricht,

Und führt sein Heer auf Pfiffikon hinaus.«

VARUS.

Was!

DER ERSTE CHERUSKER.

Ja, mein erlauchter Herr, so ist's.

VARUS.

Woher kennt auch dein Hermann meine Mundart?

Den Namen hatt ich: Iphikon,

Ja schriftlich ihm, mit dieser Hand gegeben?!

DER ERSTE CHERUSKER.

Darüber wirst du ihn zur Rede stellen;

Doch wir sind schuldlos, mein verehrter Herr.

VARUS.

O wart! – – Wo sind wir jetzt?

DER ERSTE CHERUSKER.

Das weiß ich nicht.

VARUS.

Das weißt du nicht, verwünschter Galgenstrick,

Und bist ein Bote?

DER ERSTE CHERUSKER.

Nein! Wie vermöcht ich das?

Der Weg, den dein Gebot mich zwang,

Südwest quer durch den Wald hin einzuschlagen,

Hat in der Richtung mich verwirrt:

Mir war die große Straße nur,

Von Teutoburg nach Pfiffikon, bekannt.

VARUS.

Und du? Du weißt es auch nicht.

DER ZWEITE CHERUSKER.

Nein, mein Feldherr.

VARUS.

Und du?

DER DRITTE CHERUSKER.

Ich auch bin, seit es dunkelt, irre. –

Nach allem doch, was ich ringsum erkenne,

Bist du nicht weit von unserm Waldplatz Arkon.

VARUS.

Von Arkon? Was! Wo ich heut ausgerückt?

DER DRITTE CHERUSKER.

Von eben dort; du bist ganz heimgegangen.

VARUS.

Daß euch der Erde finstrer Schoß verschlänge! –

Legt sie in Stricken! – Und wenn sie jedes ihrer Worte

Hermann ins Antlitz nicht beweisen können,

So hängt der Schufte einen auf,

Und gerbt den beiden anderen die Rücken!

 

Die Boten werden abgeführt.

 

 

Dritter Auftritt

Die Vorigen ohne die Boten.

 

VARUS.

Was ist zu machen? – – Sieh da! Ein Licht im Walde!

ERSTER FELDHERR.

He, dort! Wer schleicht dort?

ZWEITER FELDHERR.

Nun, beim Jupiter!

Seit wir den Teutoburger Wald durchziehn,

Der erste Mensch, der unserm Blick begegnet!

DER HAUPTMANN.

Es ist ein altes Weib, das Kräuter sucht.

 

 

Vierter Auftritt

Eine Alraune tritt auf, mit Krücke und Laterne. Die Vorigen.

 

VARUS.

Auf diesem Weg, den ich im Irrtum griff,

Stammütterchen Cheruskas, sag mir an,

Wo komm ich her? Wo bin ich? Wohin wandr ich?

DIE ALRAUNE.

Varus, o Feldherr Roms, das sind drei Fragen!

Auf mehr nicht kann mein Mund dir Rede stehn!

VARUS.

Sind deine Worte so geprägt,

Daß du, wie Stücken Goldes, sie berechnest?

Wohlan, es sei, ich bin damit zufrieden!

Wo komm ich her?

DIE ALRAUNE.

Aus Nichts, Quintilius Varus!

VARUS.

Aus Nichts? – Ich komm aus Arkon heut.

– Die Römische Sibylle, seh ich wohl,

Und jene Wunderfrau von Endor bist du nicht.

– Laß sehn, wie du die andern Punkt' erledigst!

Wenn du nicht weißt, woher des Wegs ich wandre:

Wenn ich südwestwärts, sprich, stets ihn verfolge,

Wo geh ich hin?

DIE ALRAUNE.

Ins Nichts, Quintilius Varus!

VARUS.

Ins Nichts? – Du singst ja, wie ein Rabe!

Von wannen kommt dir diese Wissenschaft?

Eh ich in Charons düstern Nachen steige,

Denk ich, als Sieger, zweimal noch

Rom, mit der heiteren Quadriga, zu durchschreiten!

Das hat ein Priester Jovis mir vertraut.

– Triff, bitt ich dich, der dritten Frage,

Die du vergönnt mir, besser auf die Stirn!

Du siehst, die Nacht hat mich Verirrten überfallen:

Wo geh ich her? Wo geh ich hin?

Und wenn du das nicht weißt, wohlan:

Wo bin ich? sag mir an, das wirst du wissen;

In welcher Gegend hier befind ich mich?

DIE ALRAUNE.

Zwei Schritt vom Grab, Quintilius Varus,

Hart zwischen Nichts und Nichts! Gehab dich wohl!

Das sind genau der Fragen drei;

Der Fragen mehr, auf dieser Heide,

Gibt die cheruskische Alraune nicht!

 

Sie verschwindet.

 

 

Fünfter Auftritt

Die Vorigen ohne die Alraune.

 

VARUS.

Sieh da!

ERSTER FELDHERR.

Beim Jupiter, dem Gott der Welt!

ZWEITER FELDHERR.

Was war das?

VARUS.

Wo?

ZWEITER FELDHERR.

Hier, wo der Pfad sich kreuzet!

VARUS.

Saht ihr es auch, das sinnverrückte Weib?

ERSTER FELDHERR.

Das Weib?

ZWEITER FELDHERR.

Ob wir's gesehn?

VARUS.

Nicht? – Was war's sonst?

Der Schein des Monds, der durch die Stämme fällt?

ERSTER FELDHERR.

Beim Orkus! Eine Hexe! halt't sie fest!

Da schimmert die Laterne noch!

VARUS niedergeschlagen.

Laßt, laßt!

Sie hat des Lebens Fittich mir

Mit ihrer Zunge scharfem Stahl gelähmt!

 

 

Sechster Auftritt

Ein Römer tritt auf. Die Vorigen.

 

DER RÖMER.

Wo ist der Feldherr Roms! Wer führt mich zu ihm?

DER HAUPTMANN.

Was gibt's? Hier steht er!

VARUS.

Nun? Was bringst du mir?

DER RÖMER.

Quintilius, zu den Waffen, sag ich dir!

Marbod hat übern Weserstrom gesetzt!

Auf weniger, denn tausend Schritte,

Steht er mit seinem ganzen Suevenheere da!

VARUS.

Marbod! Was sagst du mir?

ERSTER FELDHERR.

Bist du bei Sinnen?

VARUS.

– Von wem kommt dir die aberwitz'ge Kunde?

DER RÖMER.

Die Kunde? Was! Beim Zeus, hier von mir selbst!

Dein Vortrab stieß soeben auf den seinen,

Bei welchem ich, im Schein der Fackeln,

Soeben durch die Büsche, ihn gesehn!

VARUS.

Unmöglich ist's!

ZWEITER FELDHERR.

Das ist ein Irrtum, Freund!

VARUS.

Fulvius Lepidus, der Legate Roms,

Der eben jetzt, aus Marbods Lager,

Hier angelangt, hat ihn vorgestern

Ja noch jenseits des Weserstroms verlassen?!

DER RÖMER.

Mein Feldherr, frage mich nach nichts!

Schick deine Späher aus und überzeuge dich!

Marbod, hab ich gesagt, steht, mit dem Heer der Sueven,

Auf deinem Weg zur Weser aufgepflanzt;

Hier diese Augen haben ihn gesehn!

VARUS.

– Was soll dies alte Herz fortan nicht glauben?

Kommt her und sprecht: Marbod und Hermann

Verständen heimlich sich, in dieser Fehde,

Und so wie der im Antlitz mir,

So stände der mir schon im Rücken,

Mich hier mit Dolchen in den Staub zu werfen:

Beim Styx! ich glaubt es noch; ich hab's, schon vor drei Tagen,

Als ich den Lippstrom überschifft, geahnt!

ERSTER FELDHERR.

Pfui doch, Quintilius, des unrömerhaften Worts!

Marbod und Hermann! In den Staub dich werfen!

Wer weiß, ob einer noch von beiden

In deiner Nähe ist! – Gib mir ein Häuflein Römer,

Den Wald, der dich umdämmert, zu durchspähn:

Die Schar, auf die dein Vordertrab gestoßen,

Ist eine Horde noch zuletzt,

Die hier den Uren oder Bären jagt.

VARUS sammelt sich.

Auf! – Drei Centurien geb ich dir!

– Bring Kunde mir, wenn du's vermagst,

Von seiner Zahl; verstehst du mich?

Und seine Stellung auch im Wald erforsche;

Jedoch vermeide sorgsam ein Gefecht.

 

Der erste Feldherr ab.

 

 

Siebenter Auftritt

Varus. – Im Hintergrunde das Römerheer.

 

VARUS.

O Priester Zeus', hast du den Raben auch,

Der Sieg mir zu verkünd'gen schien, verstanden?

Hier war ein Rabe, der mir prophezeit,

Und seine heisre Stimme sprach: das Grab!

 

 

Achter Auftritt

Ein zweiter Römer tritt auf. Die Vorigen.

 

DER RÖMER.

Man schickt mich her, mein Feldherr, dir zu melden,

Daß Hermann, der Cheruskerfürst,

Im Teutoburger Wald soeben eingetroffen;

Der Vortrab seines Heers, dir hülfreich zugeführt,

Berührt den Nachtrab schon des deinigen!

VARUS.

Was sagst du?

ZWEITER FELDHERR.

Hermann? – Hier in diesem Wald?

VARUS wild.

Bei allen Furien der flammenvollen Hölle!

Wer hat ihm Fug und Recht gegeben,

Heut weiter, als bis Arkon, vorzurücken?

DER RÖMER.

Darauf bleib ich die Antwort schuldig dir. –

Servil, der mich dir sandte, schien zu glauben

Er werde dir, mit dem Cheruskerheer,

In deiner Lage sehr willkommen sein.

VARUS.

Willkommen mir? Daß ihn die Erd entraffte!

Fleuch gleich zu seinen Scharen hin,

Und ruf mir den Septimius, hörst du,

Den Feldherrn her, den ich ihm zugeordnet!

Dahinter fürcht ich sehr, steckt eine Meuterei,

Die ich sogleich ans Tageslicht will ziehn!

 

 

Neunter Auftritt

Aristan, Fürst der Ubier, tritt eilig auf. Die Vorigen.

 

ARISTAN.

Verräterei! Verräterei!

Marbod und Hermann stehn im Bund, Quintilius!

Den Teutoburger Wald umringen sie,

Mit deinem ganzen Heere dich

In der Moräste Tiefen zu ersticken!

VARUS.

Daß du zur Eule werden müßtest,

Mit deinem mitternächtlichen Geschrei!

– Woher kommt dir die Nachricht?

ARISTAN.

Mir die Nachricht? –

Hier lies den Brief, bei allen Römergöttern,

Den er mit Pfeilen eben jetzt

Ließ in die Feu'r der Deutschen schießen,

Die deinem Heereszug hierher gefolgt!

 

Er gibt ihm einen Zettel.

 

Er spricht von Freiheit, Vaterland und Rache,

Ruft uns – ich bitte dich! der gift'ge Meuter, auf,

Uns mutig seinen Scharen anzuschließen,

Die Stunde hätte deinem Heer geschlagen,

Und droht, jedwedes Haupt, das er in Waffen

Erschauen wird, die Sache Roms verfechtend,

Mit einem Beil, vom Rumpf herab, zum Kuß

Auf der Germania heil'gen Grund zu nöt'gen!

VARUS nachdem er gelesen.

Was sagten die german'schen Herrn dazu?

ARISTAN.

Was sie dazu gesagt? Die gleißnerischen Gauner!

Sie fallen alle von dir ab!

Fust rief zuerst, der Cimbern Fürst,

Die andern gleich, auf dieses Blatt, zusammen;

Und, unter einer Fichte eng

Die Häupter aneinander drückend,

Stand, einer Glucke gleich, die Rotte der Rebellen,

Und brütete, die Waffen plusternd,

Gott weiß, welch eine Untat aus,

Mordvolle Blick auf mich zur Seite werfend,

Der aus der Ferne sie in Aufsicht nahm!

VARUS scharf.

Und du, Verräter, folgst dem Aufruf nicht?

ARISTAN.

Wer? Ich? Dem Ruf Armins? – Zeus' Donnerkeil

Soll mich hier gleich zur Erde schmettern,

Wenn der Gedank auch nur mein Herz beschlich!

VARUS.

Gewiß? Gewiß? – Daß mir der schlechtste just,

Von allen deutschen Fürsten, bleiben muß! –

Doch, kann es anders sein? – – O Hermann! Hermann!

So kann man blondes Haar und blaue Augen haben,

Und doch so falsch sein, wie ein Punier?

Auf! Noch ist alles nicht verloren. –

Publius Sextus!

ZWEITER FELDHERR.

Was gebeut mein Feldherr?

VARUS.

Nimm die Kohorten, die den Schweif mir bilden,

Und wirf die deutsche Hülfsschar gleich,

Die meinem Zug hierher gefolgt, zusammen!

Zur Hölle, mitleidlos, eh sie sich noch entschlossen,

Die ganze Meuterbrut herab;

Es fehlt mir hier an Stricken, sie zu binden!

 

Er nimmt Schild und Spieß aus der Hand eines Römers.

 

Ihr aber – folgt mir zu den Legionen!

Arminius, der Verräter, wähnt,

Mich durch den Anblick der Gefahr zu schrecken;

Laß sehn, wie er sich fassen wird,

Wenn ich, die Waffen in der Hand,

Gleich einem Eber, jetzt hinein mich stürze!

 

Alle ab.

 

Szene: Eingang des Teutoburger Walds.

 

Zehnter Auftritt

Egbert mit mehreren Feldherrn und Hauptleuten stehen versammelt. Fackeln. Im Hintergrunde das Cheruskerheer.

 

EGBERT.

Hier, meine Freunde! Sammelt euch um mich!

Ich will das Wort euch mutig führen!

Denkt, daß die Sueven Deutsche sind, wie ihr:

Und wie sich seine Red auch wendet,

Verharrt bei eurem Entschluß nicht zu fechten!

ERSTER FELDHERR.

Hier kommt er schon.

EIN HAUPTMANN.

Doch rat ich Vorsicht an!

 

 

Eilfter Auftritt

Hermann und Winfried treten auf. Die Vorigen.

 

HERMANN in die Ferne schauend.

Siehst du die Feuer dort?

WINFRIED.

Das ist der Marbod! –

Er gibt das Zeichen dir zum Angriff schon.

HERMANN.

Rasch! – Daß ich keinen Augenblick verliere.

 

Er tritt in die Versammlung.

 

Kommt her, ihr Feldherrn der Cherusker!

Ich hab euch etwas Wicht'ges zu entdecken.

EGBERT indem er vortritt.

Mein Fürst und Herr, eh du das Wort ergreifst,

Vergönnst, auf einen Augenblick,

In deiner Gnade, du die Rede mir!

HERMANN.

Dir? – Rede!

EGBERT.

Wir folgten deinem Ruf

Ins Feld des Tods, du weißt, vor wenig Wochen,

Im Wahn, den du geschickt erregt,

Es gelte Rom und die Tyrannenmacht,

Die unser heil'ges Vaterland zertritt.

Des Tages neueste, unselige Geschichte

Belehrt uns doch, daß wir uns schwer geirrt:

Dem August hast du dich, dem Feind des Reichs, verbunden,

Und rückst, um eines nicht'gen Streits,

Marbod, dem deutschen Völkerherrn entgegen.

Cherusker, hättst du wissen können,

Leihn, wie die Ubier sich, und Äduer, nicht,

Die Sklavenkette, die der Römer bringt,

Den deutschen Brüdern um den Hals zu legen.

Und kurz, daß ich's, o Herr, mit einem Wort dir melde:

Dein Heer verweigert mutig dir den Dienst;

Es folgt zum Sturm nach Rom dir wenn du willst,

Doch in des wackern Marbod Lager nicht.

HERMANN sieht ihn an.

Was! hört ich recht?

WINFRIED.

Ihr Götter des Olymps!

HERMANN.

Ihr weigert, ihr Verräter, mir den Dienst?

WINFRIED ironisch.

Sie weigern dir den Dienst, du hörst! Sie wollen

Nur gegen Varus' Legionen fechten!

HERMANN indem er sich den Helm in die Augen drückt.

Nun denn, bei Wodans erznem Donnerwagen,

So soll ein grimmig Beispiel doch

Solch eine schlechte Regung in dir strafen!

– Gib deine Hand mir her!

 

Er streckt ihm die Hand hin.

 

EGBERT.

Wie, mein Gebieter.

HERMANN.

Mir deine Hand, sag ich! Du sollst, du Römerfeind,

Noch heut, auf ihrer Adler einen,

Im dichtesten Gedräng des Kampfs mir treffen!

Noch eh die Sonn entwich, das merk dir wohl,

Legst du ihn hier zu Füßen mir darnieder!

EGBERT.

Auf wen, mein Fürst? Vergib, daß ich erstaune!

Ist's Marbod nicht, dem deine Rüstung –?

HERMANN.

Marbod?

Meinst du, daß Hermann minder deutsch gesinnt,

Als du? – Der ist hier diesem Schwert verfallen,

Der seinem greisen Haupt ein Haar nur krümmt! –

Auf meinen Ruf, ihr Brüder, müßt ihr wissen,

Steht er auf jenen Höhn, durch eine Botschaft

Mir, vor vier Tagen, heimlich schon verbunden!

Und kurz, daß ich mich gleichfalls rund erkläre:

Auf, ihr Cherusker zu den Waffen!

Doch ihm nicht, Marbod, meinem Freunde,

Germaniens Henkersknecht, Quintilius Varus gilt's!

WINFRIED.

Das war's, was Hermann euch zu sagen hatte.

EGBERT freudig.

Ihr Götter!

DIE FELDHERRN UND HAUPTLEUTE durcheinander.

Tag des Jubels und der Freude!

DAS CHERUSKERHEER jauchzend.

Heil, Hermann, Heil dir! Heil, Sohn Siegmars, dir!

Daß Wodan dir den Sieg verleihen mög!

 

 

Zwölfter Auftritt

Ein Cherusker tritt auf. Die Vorigen.

 

DER CHERUSKER.

Septimius Nerva kommt, den du gerufen!

HERMANN.

Still, Freunde, still! Das ist der Halsring von der Kette,

Die der Cheruska angetan;

Jetzt muß das Werk der Freiheit gleich beginnen.

WINFRIED.

Wo war er?

HERMANN.

Bei dem Brand in Arkon, nicht?

Beschäftiget zu retten und zu helfen?

DER CHERUSKER.

In Arkon, ja, mein Fürst; bei einer Hütte,

Die durch den Römerzug, in Feuer aufgegangen.

Er schüttete gerührt dem Eigner

Zwei volle Säckel Geldes aus!

Bei Gott! der ist zum reichen Mann geworden,

Und wünscht noch oft ein gleiches Unheil sich.

HERMANN.

Das gute Herz!

WINFRIED.

Wo stahl er doch die Säckel?

HERMANN.

Dem Nachbar auf der Rechten oder Linken?

WINFRIED.

Er preßt mir Tränen aus.

HERMANN.

Doch still! Da kömmt er.

 

 

Dreizehnter Auftritt

Septimius tritt auf. Die Vorigen.

 

HERMANN kalt.

Dein Schwert, Septimius Nerva, du mußt sterben.

SEPTIMIUS.

– Mit wem sprech ich?

HERMANN.

Mit Hermann, dem Cherusker,

Germaniens Retter und Befreier

Von Roms Tyrannenjoch!

SEPTIMIUS.

Mit dem Armin? –

Seit wann führt der so stolze Titel?

HERMANN.

Seit August sich so niedre zugelegt.

SEPTIMIUS.

So ist es wahr? Arminius spielte falsch?

Verriet die Freunde, die ihn schützen wollten?

HERMANN.

Verriet euch, ja; was soll ich mit dir streiten?

Wir sind verknüpft, Marbod und ich,

Und werden, wenn der Morgen tagt,

Den Varus, hier im Walde, überfallen.

SEPTIMIUS.

Die Götter werden ihre Söhne schützen!

– Hier ist mein Schwert!

HERMANN indem er das Schwert wieder weggibt.

Führt ihn hinweg,

Und laßt sein Blut, das erste, gleich

Des Vaterlandes dürren Boden trinken!

 

Zwei Cherusker ergreifen ihn.

 

SEPTIMIUS.

Wie, du Barbar! Mein Blut? Das wirst du nicht –!

HERMANN.

Warum nicht?

SEPTIMIUS mit Würde.

– Weil ich dein Gefangner bin!

An deine Siegerpflicht erinnr' ich dich!

HERMANN auf sein Schwert gestützt.

An Pflicht und Recht! Sieh da, so wahr ich lebe!

Er hat das Buch vom Cicero gelesen.

Was müßt ich tun, sag an, nach diesem Werk?

SEPTIMIUS.

Nach diesem Werk? Armsel'ger Spötter, du!

Mein Haupt, das wehrlos vor dir steht,

Soll deiner Rache heilig sein;

Also gebeut dir das Gefühl des Rechts,

In deines Busens Blättern aufgeschrieben!

HERMANN indem er auf ihn einschreitet.

Du weißt was Recht ist, du verfluchter Bube,

Und kamst nach Deutschland, unbeleidigt,

Um uns zu unterdrücken?

Nehmt eine Keule doppelten Gewichts,

Und schlagt ihn tot!

SEPTIMIUS.

Führt mich hinweg! – hier unterlieg ich,

Weil ich mit Helden würdig nicht zu tun!

Der das Geschlecht der königlichen Menschen

Besiegt, in Ost und West, der ward

Von Hunden in Germanien zerrissen:

Das wird die Inschrift meines Grabmals sein!

 

Er geht ab; Wache folgt ihm.

 

DAS HEER in der Ferne.

Hurra! Hurra! Der Nornentag bricht an!

 

 

Vierzehnter Auftritt

Die Vorigen ohne den Septimius.

 

HERMANN.

Steckt das Fanal in Brand, ihr Freunde,

Zum Zeichen Marbod und den Sueven,

Daß wir nunmehr zum Schlagen fertig sind!

 

Ein Fanal wird angesteckt.

 

Die Barden! He! Wo sind die süßen Alten

Mit ihrem herzerhebenden Gesang?

WINFRIED.

Ihr Sänger, he! Wo steckt ihr?

EGBERT.

Ha, schau her!

Dort, auf dem Hügel, wo die Fackeln schimmern!

WINFRIED.

Horch! Sie beginnen dir das Schlachtlied schon!

 

Musik.

 

CHOR DER BARDEN aus der Ferne.

Wir litten menschlich seit dem Tage,

Da jener Fremdling eingerückt;

Wir rächten nicht die erste Plage,

Mit Hohn auf uns herabgeschickt;

Wir übten, nach der Götter Lehre,

Uns durch viel Jahre im Verzeihn:

Doch endlich drückt des Joches Schwere,

Und abgeschüttelt will es sein!

 

Hermann hat sich, mit vorgestützter Hand, an den Stamm einer Eiche gelehnt. – Feierliche Pause. – Die Feldherren sprechen heimlich miteinander.

 

WINFRIED nähert sich ihm.

Mein Fürst, vergib! Die Stunde drängt,

Du wolltest uns den Plan der Schlacht –

HERMANN wendet sich.

Gleich, gleich! –

– Du, Bruder, sprich für mich, ich bitte dich.

 

Er sinkt, heftig bewegt, wieder an die Eiche zurück.

 

EIN HAUPTMANN.

Was sagt er?

EIN ANDERER.

Was?

WINFRIED.

Laßt ihn. – Er wird sich fassen

Kommt her, daß ich den Schlachtplan euch entdecke!

 

Er versammelt die Anführer um sich.

 

Wir stürzen uns, das Heer zum Keil geordnet,

Hermann und ich, vorn an der Spitze,

Grad auf den Feldherrn des Augustus ein!

Sobald ein Riß das Römerheer gesprengt,

Nimmst du die erste Legion,

Die zweite du, die dritte du!

In Splittern völlig fällt es auseinander.

Das Endziel ist, den Marbod zu erreichen;

Wenn wir zu diesem, mit dem Schwert,

Uns kämpfend einen Weg gebahnt,

Wird der uns weitere Befehle geben.

CHOR DER BARDEN fällt wieder ein.

Du wirst nicht wanken und nicht weichen,

Vom Amt, das du dir kühn erhöht,

Die Regung wird dich nicht beschleichen,

Die dein getreues Volk verrät;

Du bist so mild, o Sohn der Götter,

Der Frühling kann nicht milder sein:

Sei schrecklich heut, ein Schloßenwetter,

Und Blitze laß dein Antlitz spein!

 

Die Musik schweigt. – Kurze Pause. – Ein Hörnertusch in der Ferne.

 

EGBERT.

Ha! Was war das?

HERMANN in ihre Mitte tretend.

Antwortet! Das war Marbod!

 

Ein Hörnertusch in der Nähe.

 

Auf! – Mana und die Helden von Walhalla!

 

Er bricht auf.

 

EGBERT tritt ihn an.

Ein Wort, mein Herr und Herrscher! Winfried! Hört mich!

Wer nimmt die Deutschen, das vergaßt ihr,

Die sich dem Zug der Römer angeschlossen?

HERMANN.

Niemand, mein Freund! Es soll kein deutsches Blut,

An diesem Tag, von deutschen Händen fließen!

EGBERT.

Was! Niemand! hört ich recht? Es wär dein Wille –?

HERMANN.

Niemand! So wahr mir Wodan helfen mög!

Sie sind mir heilig; ich berief sie,

Sich mutig unsern Scharen anzuschließen!

EGBERT.

Was! Die Verräter, Herr, willst du verschonen,

Die grimm'ger, als die Römer selbst,

In der Cheruska Herzen wüteten?

HERMANN.

Vergebt! Vergeßt! Versöhnt, umarmt und liebt euch!

Das sind die Wackersten und Besten,

Wenn es nunmehr die Römerrache gilt! –

Hinweg! – Verwirre das Gefühl mir nicht!

Varus und die Kohorten, sag ich dir;

Das ist der Feind, dem dieser Busen schwillt!

 

Alle ab.

 

 

Szene: Teutoburg. Garten hinter dem Fürstenzelt. Im Hintergrund ein eisernes Gitter, das in einen, von Felsen eingeschlossenen, öden Eichwald führt.

 

Funfzehnter Auftritt

Thusnelda und Gertrud treten auf.

 

THUSNELDA.

Was war's, sag an, was dir Ventidius gestern,

Augusts Legat gesagt, als du ihm früh

Im Eingang des Gezelts begegnetest?

GERTRUD.

Er nahm, mit schüchterner Gebärde, meine Königin,

Mich bei der Hand, und einen Ring

An meinen Finger flüchtig steckend,

Bat und beschwor er mich, bei allen Kindern Zeus',

Ihm in geheim zu Nacht Gehör zu schaffen,

Bei der, die seine Seele innig liebt.

Er schlug, auf meine Frage: wo?

Hier diesen Park mir vor, wo zwischen Felsenwänden,

Das Volk sich oft vergnügt, den Ur zu hetzen;

Hier, meint' er, sei es still, wie an dem Lethe,

Und keines läst'gen Zeugen Blick zu fürchten,

Als nur der Mond, der ihm zur Seite buhlt.

THUSNELDA.

Du hast ihm meine Antwort überbracht?

GERTRUD.

Ich sagt ihm: wenn er heut, beim Untergang des Mondes,

Eh noch der Hahn den Tag bekräht,

Den Eichwald, den er meint, besuchen wollte,

Würd ihn daselbst die Landesfürstin,

Sie, deren Seele heiß ihn liebt,

Am Eingang gleich, zur Seite rechts, empfangen.

THUSNELDA.

Und nun hast du, der Bärin wegen,

Die Hermann jüngst im Walde griff,

Mit Childrich, ihrem Wärter, dich besprochen?

GERTRUD.

Es ist geschehn, wie mir dein Mund geboten;

Childrich, der Wärter, führt sie schon heran! –

Doch, meine große Herrscherin,

Hier werf ich mich zu Füßen dir:

Die Rache der Barbaren sei dir fern!

Es ist Ventidius nicht, der mich mit Sorg erfüllt;

Du selbst, wenn nun die Tat getan,

Von Reu und Schmerz wirst du zusammenfallen!

THUSNELDA.

Hinweg! – Er hat zur Bärin mich gemacht!

Arminius' will ich wieder würdig werden!

 

 

Sechzehnter Auftritt

Childerich tritt auf, eine Bärin an einer Kette führend. Die Vorigen.

 

CHILDERICH.

Heda! Seid Ihr's, Frau Gertrud?

GERTRUD steht auf.

Gott im Himmel!

Da naht der Allzupünktliche sich schon!

CHILDERICH.

Hier ist die Bärin!

GERTRUD.

Wo?

CHILDERICH.

Seht Ihr sie nicht?

GERTRUD.

Du hast sie an der Kette, will ich hoffen?

CHILDERICH.

An Kett und Koppel. – Ach, so habt Euch doch!

Wenn ich dabei bin, müßt Ihr wissen,

Ist sie so zahm, wie eine junge Katze.

GERTRUD.

Gott möge ewig mich vor ihr bewahren! –

's ist gut, bleib mir nur fern, hier ist der Schlüssel,

Tu sie hinein und schleich dich wieder weg.

CHILDERICH.

Dort in den Park?

GERTRUD.

Ja, wie ich dir gesagt.

CHILDERICH.

Mein Seel ich hoff, solang die Bärin drin,

Wird niemand anders sich der Pforte nahn?

GERTRUD.

Kein Mensch, verlaß dich drauf! Es ist ein Scherz nur,

Den meine Frau sich eben machen will.

CHILDERICH.

Ein Scherz?

GERTRUD.

Ja, was weiß ich?

CHILDERICH.

Was für ein Scherz?

GERTRUD.

Ei, so frag du –! Fort! In den Park hinein!

Ich kann das Tier nicht mehr vor Augen sehn!

CHILDERICH.

Nun, bei den Elfen, hört; nehmt Euch in acht!

Die Petze hat, wie Ihr befahlt,

Nun seit zwölf Stunden nichts gefressen;

Sie würde Witz, von grimmiger Art, Euch machen,

Wenn's Euch gelüsten sollte, sie zu necken.

 

Er läßt die Bärin in den Park und schließt ab.

 

GERTRUD.

Fest!

CHILDERICH.

Es ist alles gut.

GERTRUD.

Ich sage, fest!

Den Riegel auch noch vor, den eisernen!

CHILDERICH.

Ach, was! Sie wird doch keine Klinke drücken?

– Hier ist der Schlüssel!

GERTRUD.

Gut, gib her! –

Und nun entfernst du dich, in das Gebüsch,

Doch so, daß wir sogleich dich rufen können. –

 

Childerich geht ab.

 

Schirmt, all ihr guten Götter, mich!

Da schleicht der Unglücksel'ge schon heran!

 

 

Siebzehnter Auftritt

Ventidius tritt auf.