–
Servil, der mich dir sandte, schien zu glauben
Er werde dir, mit dem Cheruskerheer,
In deiner Lage sehr willkommen sein.
VARUS.
Willkommen mir? Daß ihn die Erd entraffte!
Fleuch gleich zu seinen Scharen hin,
Und ruf mir den Septimius, hörst du,
Den Feldherrn her, den ich ihm zugeordnet!
Dahinter fürcht ich sehr, steckt eine Meuterei,
Die ich sogleich ans Tageslicht will ziehn!
Neunter Auftritt
Aristan, Fürst der Ubier, tritt eilig auf. Die Vorigen.
ARISTAN.
Verräterei! Verräterei!
Marbod und Hermann stehn im Bund, Quintilius!
Den Teutoburger Wald umringen sie,
Mit deinem ganzen Heere dich
In der Moräste Tiefen zu ersticken!
VARUS.
Daß du zur Eule werden müßtest,
Mit deinem mitternächtlichen Geschrei!
– Woher kommt dir die Nachricht?
ARISTAN.
Mir die Nachricht? –
Hier lies den Brief, bei allen Römergöttern,
Den er mit Pfeilen eben jetzt
Ließ in die Feu'r der Deutschen schießen,
Die deinem Heereszug hierher gefolgt!
Er gibt ihm einen Zettel.
Er spricht von Freiheit, Vaterland und Rache,
Ruft uns – ich bitte dich! der gift'ge Meuter, auf,
Uns mutig seinen Scharen anzuschließen,
Die Stunde hätte deinem Heer geschlagen,
Und droht, jedwedes Haupt, das er in Waffen
Erschauen wird, die Sache Roms verfechtend,
Mit einem Beil, vom Rumpf herab, zum Kuß
Auf der Germania heil'gen Grund zu nöt'gen!
VARUS nachdem er gelesen.
Was sagten die german'schen Herrn dazu?
ARISTAN.
Was sie dazu gesagt? Die gleißnerischen Gauner!
Sie fallen alle von dir ab!
Fust rief zuerst, der Cimbern Fürst,
Die andern gleich, auf dieses Blatt, zusammen;
Und, unter einer Fichte eng
Die Häupter aneinander drückend,
Stand, einer Glucke gleich, die Rotte der Rebellen,
Und brütete, die Waffen plusternd,
Gott weiß, welch eine Untat aus,
Mordvolle Blick auf mich zur Seite werfend,
Der aus der Ferne sie in Aufsicht nahm!
VARUS scharf.
Und du, Verräter, folgst dem Aufruf nicht?
ARISTAN.
Wer? Ich? Dem Ruf Armins? – Zeus' Donnerkeil
Soll mich hier gleich zur Erde schmettern,
Wenn der Gedank auch nur mein Herz beschlich!
VARUS.
Gewiß? Gewiß? – Daß mir der schlechtste just,
Von allen deutschen Fürsten, bleiben muß! –
Doch, kann es anders sein? – – O Hermann! Hermann!
So kann man blondes Haar und blaue Augen haben,
Und doch so falsch sein, wie ein Punier?
Auf! Noch ist alles nicht verloren. –
Publius Sextus!
ZWEITER FELDHERR.
Was gebeut mein Feldherr?
VARUS.
Nimm die Kohorten, die den Schweif mir bilden,
Und wirf die deutsche Hülfsschar gleich,
Die meinem Zug hierher gefolgt, zusammen!
Zur Hölle, mitleidlos, eh sie sich noch entschlossen,
Die ganze Meuterbrut herab;
Es fehlt mir hier an Stricken, sie zu binden!
Er nimmt Schild und Spieß aus der Hand eines Römers.
Ihr aber – folgt mir zu den Legionen!
Arminius, der Verräter, wähnt,
Mich durch den Anblick der Gefahr zu schrecken;
Laß sehn, wie er sich fassen wird,
Wenn ich, die Waffen in der Hand,
Gleich einem Eber, jetzt hinein mich stürze!
Alle ab.
Szene: Eingang des Teutoburger Walds.
Zehnter Auftritt
Egbert mit mehreren Feldherrn und Hauptleuten stehen versammelt. Fackeln. Im Hintergrunde das Cheruskerheer.
EGBERT.
Hier, meine Freunde! Sammelt euch um mich!
Ich will das Wort euch mutig führen!
Denkt, daß die Sueven Deutsche sind, wie ihr:
Und wie sich seine Red auch wendet,
Verharrt bei eurem Entschluß nicht zu fechten!
ERSTER FELDHERR.
Hier kommt er schon.
EIN HAUPTMANN.
Doch rat ich Vorsicht an!
Eilfter Auftritt
Hermann und Winfried treten auf. Die Vorigen.
HERMANN in die Ferne schauend.
Siehst du die Feuer dort?
WINFRIED.
Das ist der Marbod! –
Er gibt das Zeichen dir zum Angriff schon.
HERMANN.
Rasch! – Daß ich keinen Augenblick verliere.
Er tritt in die Versammlung.
Kommt her, ihr Feldherrn der Cherusker!
Ich hab euch etwas Wicht'ges zu entdecken.
EGBERT indem er vortritt.
Mein Fürst und Herr, eh du das Wort ergreifst,
Vergönnst, auf einen Augenblick,
In deiner Gnade, du die Rede mir!
HERMANN.
Dir? – Rede!
EGBERT.
Wir folgten deinem Ruf
Ins Feld des Tods, du weißt, vor wenig Wochen,
Im Wahn, den du geschickt erregt,
Es gelte Rom und die Tyrannenmacht,
Die unser heil'ges Vaterland zertritt.
Des Tages neueste, unselige Geschichte
Belehrt uns doch, daß wir uns schwer geirrt:
Dem August hast du dich, dem Feind des Reichs, verbunden,
Und rückst, um eines nicht'gen Streits,
Marbod, dem deutschen Völkerherrn entgegen.
Cherusker, hättst du wissen können,
Leihn, wie die Ubier sich, und Äduer, nicht,
Die Sklavenkette, die der Römer bringt,
Den deutschen Brüdern um den Hals zu legen.
Und kurz, daß ich's, o Herr, mit einem Wort dir melde:
Dein Heer verweigert mutig dir den Dienst;
Es folgt zum Sturm nach Rom dir wenn du willst,
Doch in des wackern Marbod Lager nicht.
HERMANN sieht ihn an.
Was! hört ich recht?
WINFRIED.
Ihr Götter des Olymps!
HERMANN.
Ihr weigert, ihr Verräter, mir den Dienst?
WINFRIED ironisch.
Sie weigern dir den Dienst, du hörst! Sie wollen
Nur gegen Varus' Legionen fechten!
HERMANN indem er sich den Helm in die Augen drückt.
Nun denn, bei Wodans erznem Donnerwagen,
So soll ein grimmig Beispiel doch
Solch eine schlechte Regung in dir strafen!
– Gib deine Hand mir her!
Er streckt ihm die Hand hin.
EGBERT.
Wie, mein Gebieter.
HERMANN.
Mir deine Hand, sag ich! Du sollst, du Römerfeind,
Noch heut, auf ihrer Adler einen,
Im dichtesten Gedräng des Kampfs mir treffen!
Noch eh die Sonn entwich, das merk dir wohl,
Legst du ihn hier zu Füßen mir darnieder!
EGBERT.
Auf wen, mein Fürst? Vergib, daß ich erstaune!
Ist's Marbod nicht, dem deine Rüstung –?
HERMANN.
Marbod?
Meinst du, daß Hermann minder deutsch gesinnt,
Als du? – Der ist hier diesem Schwert verfallen,
Der seinem greisen Haupt ein Haar nur krümmt! –
Auf meinen Ruf, ihr Brüder, müßt ihr wissen,
Steht er auf jenen Höhn, durch eine Botschaft
Mir, vor vier Tagen, heimlich schon verbunden!
Und kurz, daß ich mich gleichfalls rund erkläre:
Auf, ihr Cherusker zu den Waffen!
Doch ihm nicht, Marbod, meinem Freunde,
Germaniens Henkersknecht, Quintilius Varus gilt's!
WINFRIED.
Das war's, was Hermann euch zu sagen hatte.
EGBERT freudig.
Ihr Götter!
DIE FELDHERRN UND HAUPTLEUTE durcheinander.
Tag des Jubels und der Freude!
DAS CHERUSKERHEER jauchzend.
Heil, Hermann, Heil dir! Heil, Sohn Siegmars, dir!
Daß Wodan dir den Sieg verleihen mög!
Zwölfter Auftritt
Ein Cherusker tritt auf. Die Vorigen.
DER CHERUSKER.
Septimius Nerva kommt, den du gerufen!
HERMANN.
Still, Freunde, still! Das ist der Halsring von der Kette,
Die der Cheruska angetan;
Jetzt muß das Werk der Freiheit gleich beginnen.
WINFRIED.
Wo war er?
HERMANN.
Bei dem Brand in Arkon, nicht?
Beschäftiget zu retten und zu helfen?
DER CHERUSKER.
In Arkon, ja, mein Fürst; bei einer Hütte,
Die durch den Römerzug, in Feuer aufgegangen.
Er schüttete gerührt dem Eigner
Zwei volle Säckel Geldes aus!
Bei Gott! der ist zum reichen Mann geworden,
Und wünscht noch oft ein gleiches Unheil sich.
HERMANN.
Das gute Herz!
WINFRIED.
Wo stahl er doch die Säckel?
HERMANN.
Dem Nachbar auf der Rechten oder Linken?
WINFRIED.
Er preßt mir Tränen aus.
HERMANN.
Doch still! Da kömmt er.
Dreizehnter Auftritt
Septimius tritt auf. Die Vorigen.
HERMANN kalt.
Dein Schwert, Septimius Nerva, du mußt sterben.
SEPTIMIUS.
– Mit wem sprech ich?
HERMANN.
Mit Hermann, dem Cherusker,
Germaniens Retter und Befreier
Von Roms Tyrannenjoch!
SEPTIMIUS.
Mit dem Armin? –
Seit wann führt der so stolze Titel?
HERMANN.
Seit August sich so niedre zugelegt.
SEPTIMIUS.
So ist es wahr? Arminius spielte falsch?
Verriet die Freunde, die ihn schützen wollten?
HERMANN.
Verriet euch, ja; was soll ich mit dir streiten?
Wir sind verknüpft, Marbod und ich,
Und werden, wenn der Morgen tagt,
Den Varus, hier im Walde, überfallen.
SEPTIMIUS.
Die Götter werden ihre Söhne schützen!
– Hier ist mein Schwert!
HERMANN indem er das Schwert wieder weggibt.
Führt ihn hinweg,
Und laßt sein Blut, das erste, gleich
Des Vaterlandes dürren Boden trinken!
Zwei Cherusker ergreifen ihn.
SEPTIMIUS.
Wie, du Barbar! Mein Blut? Das wirst du nicht –!
HERMANN.
Warum nicht?
SEPTIMIUS mit Würde.
– Weil ich dein Gefangner bin!
An deine Siegerpflicht erinnr' ich dich!
HERMANN auf sein Schwert gestützt.
An Pflicht und Recht! Sieh da, so wahr ich lebe!
Er hat das Buch vom Cicero gelesen.
Was müßt ich tun, sag an, nach diesem Werk?
SEPTIMIUS.
Nach diesem Werk? Armsel'ger Spötter, du!
Mein Haupt, das wehrlos vor dir steht,
Soll deiner Rache heilig sein;
Also gebeut dir das Gefühl des Rechts,
In deines Busens Blättern aufgeschrieben!
HERMANN indem er auf ihn einschreitet.
Du weißt was Recht ist, du verfluchter Bube,
Und kamst nach Deutschland, unbeleidigt,
Um uns zu unterdrücken?
Nehmt eine Keule doppelten Gewichts,
Und schlagt ihn tot!
SEPTIMIUS.
Führt mich hinweg! – hier unterlieg ich,
Weil ich mit Helden würdig nicht zu tun!
Der das Geschlecht der königlichen Menschen
Besiegt, in Ost und West, der ward
Von Hunden in Germanien zerrissen:
Das wird die Inschrift meines Grabmals sein!
Er geht ab; Wache folgt ihm.
DAS HEER in der Ferne.
Hurra! Hurra! Der Nornentag bricht an!
Vierzehnter Auftritt
Die Vorigen ohne den Septimius.
HERMANN.
Steckt das Fanal in Brand, ihr Freunde,
Zum Zeichen Marbod und den Sueven,
Daß wir nunmehr zum Schlagen fertig sind!
Ein Fanal wird angesteckt.
Die Barden! He! Wo sind die süßen Alten
Mit ihrem herzerhebenden Gesang?
WINFRIED.
Ihr Sänger, he! Wo steckt ihr?
EGBERT.
Ha, schau her!
Dort, auf dem Hügel, wo die Fackeln schimmern!
WINFRIED.
Horch! Sie beginnen dir das Schlachtlied schon!
Musik.
CHOR DER BARDEN aus der Ferne.
Wir litten menschlich seit dem Tage,
Da jener Fremdling eingerückt;
Wir rächten nicht die erste Plage,
Mit Hohn auf uns herabgeschickt;
Wir übten, nach der Götter Lehre,
Uns durch viel Jahre im Verzeihn:
Doch endlich drückt des Joches Schwere,
Und abgeschüttelt will es sein!
Hermann hat sich, mit vorgestützter Hand, an den Stamm einer Eiche gelehnt. – Feierliche Pause. – Die Feldherren sprechen heimlich miteinander.
WINFRIED nähert sich ihm.
Mein Fürst, vergib! Die Stunde drängt,
Du wolltest uns den Plan der Schlacht –
HERMANN wendet sich.
Gleich, gleich! –
– Du, Bruder, sprich für mich, ich bitte dich.
Er sinkt, heftig bewegt, wieder an die Eiche zurück.
EIN HAUPTMANN.
Was sagt er?
EIN ANDERER.
Was?
WINFRIED.
Laßt ihn. – Er wird sich fassen
Kommt her, daß ich den Schlachtplan euch entdecke!
Er versammelt die Anführer um sich.
Wir stürzen uns, das Heer zum Keil geordnet,
Hermann und ich, vorn an der Spitze,
Grad auf den Feldherrn des Augustus ein!
Sobald ein Riß das Römerheer gesprengt,
Nimmst du die erste Legion,
Die zweite du, die dritte du!
In Splittern völlig fällt es auseinander.
Das Endziel ist, den Marbod zu erreichen;
Wenn wir zu diesem, mit dem Schwert,
Uns kämpfend einen Weg gebahnt,
Wird der uns weitere Befehle geben.
CHOR DER BARDEN fällt wieder ein.
Du wirst nicht wanken und nicht weichen,
Vom Amt, das du dir kühn erhöht,
Die Regung wird dich nicht beschleichen,
Die dein getreues Volk verrät;
Du bist so mild, o Sohn der Götter,
Der Frühling kann nicht milder sein:
Sei schrecklich heut, ein Schloßenwetter,
Und Blitze laß dein Antlitz spein!
Die Musik schweigt. – Kurze Pause. – Ein Hörnertusch in der Ferne.
EGBERT.
Ha! Was war das?
HERMANN in ihre Mitte tretend.
Antwortet! Das war Marbod!
Ein Hörnertusch in der Nähe.
Auf! – Mana und die Helden von Walhalla!
Er bricht auf.
EGBERT tritt ihn an.
Ein Wort, mein Herr und Herrscher! Winfried! Hört mich!
Wer nimmt die Deutschen, das vergaßt ihr,
Die sich dem Zug der Römer angeschlossen?
HERMANN.
Niemand, mein Freund! Es soll kein deutsches Blut,
An diesem Tag, von deutschen Händen fließen!
EGBERT.
Was! Niemand! hört ich recht? Es wär dein Wille –?
HERMANN.
Niemand! So wahr mir Wodan helfen mög!
Sie sind mir heilig; ich berief sie,
Sich mutig unsern Scharen anzuschließen!
EGBERT.
Was! Die Verräter, Herr, willst du verschonen,
Die grimm'ger, als die Römer selbst,
In der Cheruska Herzen wüteten?
HERMANN.
Vergebt! Vergeßt! Versöhnt, umarmt und liebt euch!
Das sind die Wackersten und Besten,
Wenn es nunmehr die Römerrache gilt! –
Hinweg! – Verwirre das Gefühl mir nicht!
Varus und die Kohorten, sag ich dir;
Das ist der Feind, dem dieser Busen schwillt!
Alle ab.
Szene: Teutoburg. Garten hinter dem Fürstenzelt. Im Hintergrund ein eisernes Gitter, das in einen, von Felsen eingeschlossenen, öden Eichwald führt.
Funfzehnter Auftritt
Thusnelda und Gertrud treten auf.
THUSNELDA.
Was war's, sag an, was dir Ventidius gestern,
Augusts Legat gesagt, als du ihm früh
Im Eingang des Gezelts begegnetest?
GERTRUD.
Er nahm, mit schüchterner Gebärde, meine Königin,
Mich bei der Hand, und einen Ring
An meinen Finger flüchtig steckend,
Bat und beschwor er mich, bei allen Kindern Zeus',
Ihm in geheim zu Nacht Gehör zu schaffen,
Bei der, die seine Seele innig liebt.
Er schlug, auf meine Frage: wo?
Hier diesen Park mir vor, wo zwischen Felsenwänden,
Das Volk sich oft vergnügt, den Ur zu hetzen;
Hier, meint' er, sei es still, wie an dem Lethe,
Und keines läst'gen Zeugen Blick zu fürchten,
Als nur der Mond, der ihm zur Seite buhlt.
THUSNELDA.
Du hast ihm meine Antwort überbracht?
GERTRUD.
Ich sagt ihm: wenn er heut, beim Untergang des Mondes,
Eh noch der Hahn den Tag bekräht,
Den Eichwald, den er meint, besuchen wollte,
Würd ihn daselbst die Landesfürstin,
Sie, deren Seele heiß ihn liebt,
Am Eingang gleich, zur Seite rechts, empfangen.
THUSNELDA.
Und nun hast du, der Bärin wegen,
Die Hermann jüngst im Walde griff,
Mit Childrich, ihrem Wärter, dich besprochen?
GERTRUD.
Es ist geschehn, wie mir dein Mund geboten;
Childrich, der Wärter, führt sie schon heran! –
Doch, meine große Herrscherin,
Hier werf ich mich zu Füßen dir:
Die Rache der Barbaren sei dir fern!
Es ist Ventidius nicht, der mich mit Sorg erfüllt;
Du selbst, wenn nun die Tat getan,
Von Reu und Schmerz wirst du zusammenfallen!
THUSNELDA.
Hinweg! – Er hat zur Bärin mich gemacht!
Arminius' will ich wieder würdig werden!
Sechzehnter Auftritt
Childerich tritt auf, eine Bärin an einer Kette führend. Die Vorigen.
CHILDERICH.
Heda! Seid Ihr's, Frau Gertrud?
GERTRUD steht auf.
Gott im Himmel!
Da naht der Allzupünktliche sich schon!
CHILDERICH.
Hier ist die Bärin!
GERTRUD.
Wo?
CHILDERICH.
Seht Ihr sie nicht?
GERTRUD.
Du hast sie an der Kette, will ich hoffen?
CHILDERICH.
An Kett und Koppel. – Ach, so habt Euch doch!
Wenn ich dabei bin, müßt Ihr wissen,
Ist sie so zahm, wie eine junge Katze.
GERTRUD.
Gott möge ewig mich vor ihr bewahren! –
's ist gut, bleib mir nur fern, hier ist der Schlüssel,
Tu sie hinein und schleich dich wieder weg.
CHILDERICH.
Dort in den Park?
GERTRUD.
Ja, wie ich dir gesagt.
CHILDERICH.
Mein Seel ich hoff, solang die Bärin drin,
Wird niemand anders sich der Pforte nahn?
GERTRUD.
Kein Mensch, verlaß dich drauf! Es ist ein Scherz nur,
Den meine Frau sich eben machen will.
CHILDERICH.
Ein Scherz?
GERTRUD.
Ja, was weiß ich?
CHILDERICH.
Was für ein Scherz?
GERTRUD.
Ei, so frag du –! Fort! In den Park hinein!
Ich kann das Tier nicht mehr vor Augen sehn!
CHILDERICH.
Nun, bei den Elfen, hört; nehmt Euch in acht!
Die Petze hat, wie Ihr befahlt,
Nun seit zwölf Stunden nichts gefressen;
Sie würde Witz, von grimmiger Art, Euch machen,
Wenn's Euch gelüsten sollte, sie zu necken.
Er läßt die Bärin in den Park und schließt ab.
GERTRUD.
Fest!
CHILDERICH.
Es ist alles gut.
GERTRUD.
Ich sage, fest!
Den Riegel auch noch vor, den eisernen!
CHILDERICH.
Ach, was! Sie wird doch keine Klinke drücken?
– Hier ist der Schlüssel!
GERTRUD.
Gut, gib her! –
Und nun entfernst du dich, in das Gebüsch,
Doch so, daß wir sogleich dich rufen können. –
Childerich geht ab.
Schirmt, all ihr guten Götter, mich!
Da schleicht der Unglücksel'ge schon heran!
Siebzehnter Auftritt
Ventidius tritt auf. – Thusnelda und Gertrud.
VENTIDIUS.
Dies ist der stille Park, von Bergen eingeschlossen,
Der, auf die Lispelfrage: wo?
Mir gestern in die trunknen Sinne fiel!
Wie mild der Mondschein durch die Stämme fällt!
Und wie der Waldbach fern, mit üppigem Geplätscher,
Vom Rand des hohen Felsens niederrinnt! –
Thusnelda! Komm und lösche diese Glut,
Soll ich, gleich einem jungen Hirsch,
Das Haupt voran, mich in die Flut nicht stürzen! –
Gertrud! – – So hieß ja, dünkt mich, wohl die Zofe,
Die mir versprach, mich in den Park zu führen?
Gertrud steht und kämpft mit sich selbst.
THUSNELDA mit gedämpfter Stimme.
Fort! Gleich! Hinweg! Du hörst! Gib ihm die Hand,
Und führ ihn in den Park hinein!
GERTRUD.
Geliebte Königin?!
THUSNELDA.
Bei meiner Rache!
Fort, augenblicks, sag ich! Gib ihm die Hand,
Und führ ihn in den Park hinein!
GERTRUD fallt ihr zu Füßen.
Vergebung, meine Herrscherin, Vergebung!
THUSNELDA ihr ausweichend.
Die Närrin, die verwünschte, die! Sie auch
Ist in das Affenangesicht verliebt!
Sie reißt ihr den Schlüssel aus der Hand und geht zu Ventidius.
VENTIDIUS.
Gertrud, bist du's?
THUSNELDA.
Ich bin's.
VENTIDIUS.
O sei willkommen,
Du meiner Juno süße Iris,
Die mir Elysium eröffnen soll! –
Komm, gib mir deine Hand, und leite mich!
– Mit wem sprachst du?
THUSNELDA.
Thusnelden, meiner Fürstin.
VENTIDIUS.
Thusnelden! Wie du mich entzückst!
Mir wär die Göttliche so nah?
THUSNELDA.
Im Park, dem Wunsch gemäß, den du geäußert,
Und heißer Brunst voll harrt sie schon auf dich!
VENTIDIUS.
O so eröffne schnell die Tore mir!
Komm her! Der Saturniden Wonne
Ersetzt mir solche Augenblicke nicht!
Thusnelda läßt ihn ein. Wenn er die Tür hinter sich hat, wirft sie dieselbe mit Heftigkeit zu, und zieht den Schlüssel ab.
Achtzehnter Auftritt
Ventidius innerhalb des Gitters. Thusnelda und Gertrud. – Nachher Childerich, der Zwingerwärter.
VENTIDIUS mit Entsetzen.
Zeus, du, der Götter und der Menschen Vater!
Was für ein Höllen-Ungetüm erblick ich?
THUSNELDA durch das Gitter.
Was gibt's, Ventidius? Was erschreckt dich so?
VENTIDIUS.
Die zottelschwarze Bärin von Cheruska,
Steht, mit gezückten Tatzen, neben mir!
GERTRUD in die Szene eilend.
Du Furie, gräßlicher, als Worte sagen –!
– He, Childerich! Herbei! Der Zwingerwärter!
THUSNELDA.
Die Bärin von Cheruska?
GERTRUD.
Childrich! Childrich!
THUSNELDA.
Thusnelda, bist du klug, die Fürstin ist's,
Von deren Haupt, der Livia zur Probe,
Du jüngst die seidne Locke abgelöst!
Laß den Moment, dir günstig, nicht entschlüpfen,
Und ganz die Stirn jetzt schmeichelnd scher ihr ab!
VENTIDIUS.
Zeus, du, der Götter und der Menschen Vater,
Sie bäumt sich auf, es ist um mich geschehn!
CHILDERICH tritt auf.
Ihr Rasenden! Was gibt's? Was machtet ihr?
Wen ließt ihr in den Zwinger ein, sagt an?
GERTRUD.
Ventidius, Childrich, Roms Legat, ist es!
Errett ihn, bester aller Menschenkinder,
Eröffn den Pfortenring und mach ihn frei!
CHILDERICH.
Ventidius, der Legat? Ihr heil'gen Götter!
Er bemüht sich das Gitter zu öffnen.
THUSNELDA durch das Gitter.
Ach, wie die Borsten, Liebster, schwarz und starr,
Der Livia, deiner Kaiserin, werden stehn,
Wenn sie um ihren Nacken niederfallen!
Statthalter von Cheruska, grüß ich dich!
Das ist der mindste Lohn, du treuer Knecht,
Der dich für die Gefälligkeit erwartet!
VENTIDIUS.
Zeus, du, der Götter und der Menschen Vater,
Sie schlägt die Klaun in meine weiche Brust!
THUSNELDA.
Thusneld? O was!
CHILDERICH.
Wo ist der Schlüssel, Gertrud?
GERTRUD.
Der Schlüssel, Gott des Himmels, steckt er nicht?
CHILDERICH.
Der Schlüssel, nein!
GERTRUD.
Er wird am Boden liegen.
– Das Ungeheur! Sie hält ihn in der Hand.
Auf Thusnelda deutend.
VENTIDIUS schmerzvoll.
Weh mir! Weh mir!
GERTRUD zu Childerich.
Reiß ihr das Werkzeug weg!
THUSNELDA.
Sie sträubt sich dir?
CHILDERICH da Thusnelda den Schlüssel verbirgt.
Wie, meine Königin?
GERTRUD.
Reiß ihr das Werkzeug, Childerich, hinweg!
Sie bemühen sich, ihr den Schlüssel zu entwinden.
VENTIDIUS.
Ach! O des Jammers! Weh mir! O Thusnelda!
THUSNELDA.
Sag ihr, daß du sie liebst, Ventidius,
So hält sie still und schenkt die Locken dir!
Sie wirft den Schlüssel weg und fällt in Ohnmacht.
GERTRUD.
Die Gräßliche! – Ihr ew'gen Himmelsmächte!
Da fällt sie sinnberaubt mir in den Arm!
Sie läßt die Fürstin auf einen Sitz nieder.
Neunzehnter Auftritt
Astolf und ein Haufen cheruskischer Krieger treten auf. – Die Vorigen.
ASTOLF.
Was gibt's, ihr Fraun? Was für ein Jammerruf,
Als ob der Mord entfesselt wäre,
Schallt aus dem Dunkel jener Eichen dort?
CHILDERICH.
Fragt nicht und kommt und helft das Gitter mir zersprengen!
Die Cherusker stürzen in den Park. Pause. – Bald darauf die Leiche des Ventidius, von den Cheruskern getragen, und Childerich mit der Bärin.
ASTOLF läßt die Leiche vor sich niederlegen.
Ventidius, der Legate Roms! –
Nun, bei den Göttern von Walhalla,
So hab ich einen Spieß an ihm gespart!
GERTRUD aus dem Hintergrund.
Helft mir, ihr Leut, ins Zelt die Fürstin führen!
ASTOLF.
Helft ihr!
EIN CHERUSKER.
Bei allen Göttern, welch ein Vorfall?
ASTOLF.
Gleichviel! Gleichviel! Auf! Folgt zum Crassus mir,
Ihn, eh er noch die Tat erfuhr,
Ventidius, dem Legaten, nachzuschicken!
Alle ab.
Szene: Teutoburger Wald. Schlachtfeld.
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