LOTHAR.
Ah – hört alle, hört!
WALA.
Was spielst du mit verruchten Rätseln, Maure?
Was mengst du hier die Kaiserin hinein?
ABDALLAH.
Weil zwischen ihr und Bernhard, ihrem Buhlen
Ludwig, der Kaiser stand.
Wilde Bewegung.
LUDWIG.
Um Gottes willen
Seid leise, Herrn, laßt dies verdammte Wort
Nicht weiter dringen. Maure, hör' mich an,
Gib mir Beweis untrüglich, unzweideut'gen,
Sonst samt der Lästerzunge schlag' ich dir
Das Haupt vom Rumpf.
ABDALLAH.
Schatten Hamatelliwas
Sieh, wie Abdallah ganz sich dir ergibt!
Das Gift, das Bernhard Kaiser Ludwig reichte,
Erfahrt, ich hab' es selber ihm gemischt!
Lautlose Pause.
LUDWIG.
O Vater – Vater –
WALA.
Gottverfluchte Zeit!
Fünfter Auftritt
Ein fränkischer Edler kommt aus dem Hintergrunde, winkt Matfried zu sich heran und flüstert ihm einige Worte zu, dann kommt Matfried in den Vordergrund.
MATFRIED.
Höchst sonderbar –
LOTHAR.
Was ist's? Was bringt Ihr uns?
MATFRIED.
Mir wird gemeldet, daß am Rand des Lagers
Ein Reiter hält, auf schaumbedecktem Roß,
Der Einlaß zu den Königen begehrt.
LOTHAR.
Nannt' er sich nicht?
MATFRIED.
Er wollte sich nicht nennen,
Und mit dem Mantel barg er das Gesicht.
Doch – fast unglaublich – nach dem Klang der Stimme
Glaubt man, es sei –
LOTHAR.
Wer?
MATFRIED.
Euer Bruder Karl.
LOTHAR.
Ah! Judiths Brut! Läufst du in unsre Hände?
Fort – laßt ihn ein.
Matfried will abgehn.
LUDWIG tritt ihm in den Weg.
Halt da – hier bin noch ich. –
Zu Lothar.
Was hast du mit ihm vor?
LOTHAR.
Das wird sich zeigen,
Wenn wir ihn haben. Fort, noch einmal.
LUDWIG.
Nein.
Er soll nicht kommen, eh' du nicht geschworen,
Daß er frei bleiben soll und ungefährdet.
LOTHAR.
O hört des frommen Ludwigs frommen Sohn!
WALA.
Den Segen Gottes, König Ludwig, Euch.
Lothar – 's ist Euer Bruder.
LOTHAR.
Was, mein Bruder!
Der Schößling aus dem Blute, das ich hasse –
Des abgefeimten Weibs dummdreister Sohn –
LUDWIG.
Ist er dein Bruder nicht, so ist's der meine
Und unsres Vaters vielgeliebter Sohn!
Schwörst du ihm Sicherheit?
LOTHAR.
Schwachherz'ge Torheit!
Wenn wir ihn halten, schreiben wir dem Kaiser
Jede Bedingung vor, die uns gefällt.
LUDWIG.
Fühlloser Wucherer! Du sollst mir nicht
Die Hand auf meines Vaters Kehle setzen!
Und dir Gewinn aus seinem Jammer ziehn!
LOTHAR zu der Umgebung.
Entscheiden diese Herren – sollen wir
So großen Vorteil aus den Händen lassen,
Weil's dem weichmüt'gen Manne dort gefällt?
ALLE dumpf murrend.
Wie König Ludwig sagt, so soll es sein.
LOTHAR giftig lachend.
So soll es sein. –
Winkt Matfried, dieser ab durch den Hintergrund.
Ich merk', es kommt die Zeit,
Wo Klugheit Frevel wird und Dummheit Tugend.
Nun will ich mein Gesicht in Falten ziehn
Und Liebe heucheln.
Sechster Auftritt
Karl erscheint auf der Schwelle der Halle.
LOTHAR der ihn bemerkt.
Ah – das Maskenspiel.
Dreht sich kurz um.
KARL zögert auf der Schwelle.
Eh' ich eintrete, sagt mir, ob ich komme
Als Bruder unter Brüdern?
LUDWIG geht auf ihn zu, reicht ihm die Hand, führt ihn vor.
Hier die Antwort –
Ich bin dein Bruder Ludwig.
KARL.
Ja, ich seh's –
An deinen Augen. – O, mein Bruder Ludwig,
Wie wenig Tage und wie viele Dinge
Sind zwischen uns. – Mein teurer Bruder Ludwig!
Fällt ihm um den Hals.
LUDWIG.
Du weißt, daß unser Vater schwer erkrankt ist?
KARL.
Ich weiß – und darum hinter seinem Rücken
Kam ich zu Euch – o, hört mich, meine Brüder. –
LOTHAR.
Wir brauchen's nicht, wir wissen ohne dich,
Was Bernhard tat an unsrem Vater.
KARL.
Wie?
Was – Bernhard tat –?
LUDWIG.
Fasse dich, Bruder Karl.
LOTHAR.
Dein Vater steht nicht mehr vom Lager auf,
Er stirbt am Gift, das Bernhard ihm gegeben.
KARL.
Nein – ew'ger Gott im Himmel! Bruder Ludwig!
Ich glaube diesem nicht, sprich du – sprich du!
LUDWIG.
Hier ist der Mann, der selbst das Gift ihm mischte –
Sieh diesen Mauren.
KARL zu Abdallah.
Höllisches Gespenst! –
Stürzt auf Abdallah zu.
Verdammter, wenn du ihm den Trank gebraut,
So weißt du auch das Mittel, das ihn rettet,
Nenn' mir das Mittel!
ABDALLAH.
Ihn errettet nichts,
Es wächst kein Kraut auf dieser weiten Erde,
Das jenes Gift bewältigt.
KARL.
O – verloren.
Mein greiser Vater rettungslos verloren!
Sein mildes Herz, in dem die Güte wohnte,
Bedeckt von einem kalten, schweren Stein –
Sein Angesicht von Grabesnacht umschattet,
Sein Auge – Gott beschütze mich in Gnaden
Ich sehe ihn – sein Auge blickt mich an
Mit einem langen schweren Blick des Vorwurfs –
Mein Heil und Glück war seine Tagessorge,
Sein Traum zur Nacht. – Es bleichten seine Haare
In Sorg' um mich – und ich, ich steh' dabei
Und seh' die Schlange, die ans Herz ihm kriecht –
Und ich zertrat ihn nicht, den Höllenwurm!
Und ich vertraut ihm, folgte seinem Rat.
In meinem Herzen war die Warnerstimme
Des Abscheus, der uns vor dem Feinde warnt. –
Zu Abdallah.
Giftmischer, sag', wie lange hat mein Vater
Noch Frist zu leben?
ABDALLAH.
Wen'ge Stunden noch.
KARL nach dem Hintergrund.
Führt auf der Stelle mir mein Roß heran. –
Wir waren Feinde, Brüder, sind wir's noch? –
Pause.
Ihr zürnt mir? Jedem Anspruch, der Euch kränkte,
Entsag' ich, Brüder – lauter als der Zorn
Tönt durch die öde Nacht das Sterberöcheln
Des alten Manns, der einsam drüben liegt,
Verlassen, ohne Kinder – zürnt Ihr noch?
LUDWIG fällt ihm um den Hals.
Gott soll sein Antlitz ewig von mir wenden,
Wenn ich dich wen'ger liebe, als mich selbst!
Mein Roß herbei, mit dir reit' ich hinüber
Und fleh' um meines Vaters Segen.
LOTHAR.
Ludwig –
Gehst du ins Netz, das Bernhard dir gestellt?
KARL.
Weh über dich, daß du in dieser Stunde
So denken kannst! Hier reiß' ich Bernhards Namen
Aus meiner Brust und weih' ihn meiner Rache.
LOTHAR.
Versprich zu viel nicht, sei vorsichtig, Knabe,
Es möchten Stimmen sich für ihn erheben,
Gewicht'ge Stimmen –
KARL.
Wessen Stimme meinst du?
LOTHAR.
Du hast die Hälfte nur von dem erfahren,
Was dieser Maure brachte, hör' ihn ganz.
Maure, tritt her.
LUDWIG.
Lothar!
LOTHAR.
Maure, tritt her!
LUDWIG.
Maure, du schweigst! Lothar, es ist dein Bruder.
LOTHAR.
Ich will doch sehn, ob du auch mir den Mund
Verbieten wirst.
LUDWIG tritt drohend auf ihn zu.
Erfahr' es denn: Du schweigst!
KARL zu Ludwig.
Um Gott, was geht hier vor?
LUDWIG.
Still – forsche nicht –
Ich führe deine Sache.
LOTHAR.
Seine Sache?
Tritt deinem ältern Bruder aus dem Weg,
Was maßest du für Recht dir an?
LUDWIG.
Das Recht,
Von dem dein unnatürlich Herz nichts weiß,
Weil die Natur es gab.
LOTHAR.
Aus meinem Wege,
Du täppischer Gesell! Den will ich sehn,
Der mir das Recht verwehrt, schandbaren Frevel
Ans Licht zu ziehn.
LUDWIG reißt das Schwert heraus.
So wende Gott die Augen
Vom Haus der Karolinger! Sprich ein Wort
Und diese Klinge, in dein Herz gestoßen,
Soll prüfen, ob es fühllos sei für Stahl,
Wie für die Menschlichkeit!
LOTHAR zur Umgebung.
Seht Ihr das an?
Vor Euren Augen droht man Eurem König
Mit blankem Schwert?
Dumpfes Gemurr der Anwesenden.
MATFRIED tritt vor.
Vergebt uns, gnäd'ger Herr,
Wir können es nicht bill'gen, was Ihr tut.
LOTHAR.
Wer hat nach Eurer Meinung Euch befragt?
Mein Wille ist der Eure.
MATFRIED.
Nein, mein König,
Wir dienen Eurem Recht, nicht Eurem Haß.
HUGO.
Wir alle hatten einmal eine Mutter,
Und was Ihr tut an Eurem jüngsten Bruder,
Ist wider Satzung und Gefühl.
ALLE.
So ist es!
KARL.
Was spricht er von der Mutter! Was geht vor?
Erklärt es mir –
WALA.
Laßt, teurer, junger König,
Es ist nur ein Gerücht, das uns erschreckt.
ABDALLAH.
Gerücht? Nur ein Gerücht?
KARL.
Was weiß der Maure?
LUDWIG.
Nichts weiß er, nichts!
ABDALLAH.
Du Sohn der schönen Judith,
Des Schleiers denke, der im Garten rauschte,
Zur Mitternacht, zur Zeit verbuhlter Liebe.
LUDWIG.
Reißt ihn hinweg!
Alle stürzen sich auf Abdallah.
ABDALLAH sträubt sich.
Ihr sollt mich reden lassen –
Hamatelliwas denke, welche drüben
Erschlagen liegt vom Buhlen deiner Mutter –
Erfahre seinen Namen –
LUDWIG.
Reißt ihn fort.
Sperrt den verfluchten Mund ihm!
Sie reißen Abdallah hinaus.
ABDALLAH wendet im Abgehen das Haupt.
Bernhard!!
KARL aufschreiend.
Ah!!
Bricht in die Knie.
WALA tritt zu ihm.
Stark, junger Fürst, seid stark –
KARL.
Hier kommt etwas,
Das wie der Wahnsinn aussieht! Bringt mein Pferd,
Bringt augenblicks mein Pferd!
LUDWIG.
Ich reite mit dir.
KARL.
Niemand begleite mich! Verflucht das Auge,
Das meinem Wege folgt, verflucht das Ohr,
Das meine Worte hört! Laßt mich allein sein
Auf dieser Welt mit einer Einzigen!
Er springt auf und stürzt durch die Mitte ab.
LUDWIG.
Hier nun verbünde ich mich seinem Rechte:
Karl soll der König sein von Aquitanien.
Beifälliges Gemurmel.
LOTHAR.
Ei, seht, wie rasch man hier die Kön'ge macht.
Ich denk', man fragt auch mich?
LUDWIG.
Erkennst du ihn
Als König an?
LOTHAR.
Und wenn ich sagte nein?
LUDWIG.
Dann mit der stahlbewehrten Faust des Krieges
Greif' ich dich an, bis daß du ja gesagt.
MATFRIED.
Es scheint uns gut, was König Ludwig sagte.
HUGO.
Karl soll der König sein!
ALLE.
Er sei's! Er sei's!
LOTHAR.
Spart Euch den Lärm, ich weiß auch ohne Euch,
Daß zwanzig Stimmen lauter sind als eine. –
So sei er König.
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