KARL.
Im langen, dunklen Schleier?
Was ficht mich an? Laßt sehn –
Er geht auf den Garten zu; Bernhard vertritt ihm den Weg.
BERNHARD.
Bleibt, König Karl!
KARL zu Abdallah.
Welch nächtliches Geheimnis spinnt sich hier?
Sahst du in ihr Gesicht?
ABDALLAH.
Laßt, gnädiger Herr,
Die Frau hat nichts zu tun mit dieser Sache,
Denn trog mein Auge nicht, so war's –
KARL.
So war's?
ABDALLAH.
Laßt, gnäd'ger Herr –
KARL.
So war's?
ABDALLAH.
Die Kaiserin.
KARL.
Die Kaiserin?
HAMATELLIWA zu Bernhard.
In langem, dunklem Schleier
Saß jenes Weib geschmiegt an deine Brust!!
BERNHARD.
Wagst du, zu lästern meine Kaiserin?
Er reißt einen Dolch vom Gürtel und stößt ihn Hamatelliwa in die Brust.
HAMATELLIWA.
Ach – konnt'st du das mir tun?
Sie sinkt in Abdallahs Arme.
ABDALLAH.
Hamatelliwa!
KARL.
O blut'ge, blut'ge, allzuschnelle Tat!
HAMATELLIWA um welche die Mauren in dumpf betäubter Gruppe stehen.
Laß mich dein Antlitz sehn, greiser Abdallah,
Es gleicht dem seinen – geh' zum Vater heim
Und wenn er zürnt, so sag' ihm, was du sah'st,
Dann wirst du sehn, was du nie sah'st zuvor.
Tränen in El Moheiras Heldenaugen.
Kein Weib auf Erden trug je Schuld, wie ich;
Kein Weib auf Erden litt je solche Buße.
Stirbt.
SATILATLAS.
Meineidiger, verräterischer Christ!
TEMIN.
Rache für unsre Herrin!
SATILATLAS.
Wahre dich!
Sie ziehen.
BERNHARD zieht.
Kommt an, ich bin dabei! Die Klinge hier
Durchschnitt so manchen Turban schon.
Achter Auftritt
Ein plötzlicher Drommetenstoß außerhalb der Szene. Gleichzeitig kommen von rechts und aus dem Garten Rudthardt, Ottgar, Humfried und andere.
RUDTHARDT.
Gebt Frieden.
Stellt sich zwischen sie.
Nach draußen, Herzog, brauchet jetzt das Schwert,
Hört Ihr die Stimme der Drommeten nicht?
BERNHARD.
Was bringen sie?
RUDTHARDT.
Den Frieden sicher nicht.
Drei Herolde der Söhne Irmengards
Drommeten sie uns auf den Hals.
BERNHARD.
Willkommen!
Sturmwind der Taten blase mir durchs Herz –
Nun bin ich wieder ich.
OTTGAR.
Welch Weib ist dies?
BERNHARD.
Hier ward Gericht gehalten über eine,
Die sich an ihrer Kaiserin verging.
SATILATLAS.
Läst'rer der Toten, wagst du, ihrem Schatten
Noch Steine nachzuwerfen? Deine Buhle
Entlarvte sie!
KARL wie rasend.
Verdammter! Sprich's noch einmal
Und aus dem Haupt die Zunge reiß' ich dir!
RUDTHARDT.
Was geht hier vor?
BERNHARD.
Erklärung soll Euch werden,
Wenn's Zeit sein wird. Jetzt ist es Zeit für diese.
Neunter Auftritt
Drei Ritter ganz dunkel gepanzert, durch die Mitte.
ERSTER.
Mich schickt Lothar, der König vo Italien.
ZWEITER.
Pipin der Aquitanier sendet mich.
DRITTER.
Und Ludwig sendet mich, der Bayernkönig.
ERSTER.
So sprechen sie zu Ludwig, ihrem Vater:
ZWEITER.
Und so zu ihrem jüngsten Bruder Karl:
DRITTER.
So sprechen sie zu Judith, Tochter Welfs:
ERSTER.
Wir drei, vereint, zu wahren unser Recht
Und abzuwehren Ungerechtigkeit,
Euch dreien künden Fehde wir und Krieg
Und laden Euch zur blutigen Entscheidung
Aufs rote Feld bei Kolmar. – Kommt Ihr?
BERNHARD UND ALLE DEUTSCHEN laut und wild.
Ja!!
ERSTER.
So wolle Gott dem guten Rechte helfen.
BERNHARD.
Gott helfe ihm und unser männlich Schwert!
Zu Karl.
Gedenkt an das, was ich vorhin Euch sagte:
Die Kaiserrose blüht auf Kolmars Feld
Laut.
Und nun kein Säumen mehr; ans Werk, zur Tat.
Weckt auf die Pfalz; zu seinen Völkern jeder,
Zählt jeden Kopf und wäget jedes Herz.
Ihr, König Karl, zum Kaiser, bitt' ich, geht,
Und sagt ihm, wenn die Sonne morgen früh
Aufs stahlbeschuppte Blachfeld niederfunkelt,
Wird ihm das tausendarm'ge Reich der Franken
Bereitet stehn, ein einz'ges mächtiges Schwert,
Gericht zu halten über seine Feinde.
Zu den drei Herolden.
Nach Haus Ihr drei!
Noch nie zu Tanz und Reigen
Schlug so das Herz mir wie zu diesem Kampf!
SATILATLAS.
Ein jeder Fluch, der Unheil je gebar,
Begleite dich zum Kampfe!
TEMIN.
Fluch dir! Fluch!
Bernhard mit den Deutschen und den Herolden nach der Mitte ab.
Der Vorhang fällt.
Vierter Akt
Erste Szene
Nacht. Eine offne Halle, im Hintergrunde der Rhein. Fackeln beleuchten die Szene.
Erster Auftritt
König Ludwig. Hugo von Tours. Matfried von Orleans. Andere fränkische Große kommen aus dem Hintergrunde.
LUDWIG.
Nein, sagt mir, edle Herrn, es ist nicht wahr.
Noch denke ich, es ist nur ein Gerücht,
Entstanden aus dem heiß erregten Blute,
Das diese Zeit regiert.
MATFRIED.
Nein, gnäd'ger Herr,
Gott wollte, daß es wäre, wie Ihr glaubt,
Doch leider sah ich's an mit eignen Augen.
Zweiter Auftritt
Lothar aus dem Hintergrunde zu den vorigen.
LOTHAR.
Was regt die Herren auf? Was ist geschehn?
LUDWIG geht ihm entgegen.
Ein schweres Unheil, das uns plötzlich traf;
Erfuhrst du von Pipin?
LOTHAR.
Ich hörte nichts –
Was ist mit ihm geschehn?
LUDWIG.
Pipin ist tot.
LOTHAR.
Nein, das verhüte Gott!
MATFRIED.
Und dennoch ist's so.
Heut nachmittag ritt er aus seinem Lager,
Des Feindes Stellung drüben zu erspähn –
Er ritt das Pferd, vor dem man oft ihn warnte,
Den ungestümen, schwarzen Berberhengst –
Und als wir gerad' der Stelle gegenüber,
Wo drüben lag das kaiserliche Zelt,
Fügt sich's, daß plötzlich sich ein Wind erhebt,
Der von des kaiserlichen Zeltes Spitze
Das Wimpel reißt und der es gradenwegs
Zu ihm hinüberwirft. – Sein Pferd darauf,
Wie angepackt von einem wüt'gen Schrecken,
Dreht zweimal, dreimal wirbelnd sich im Kreis,
Und eh' wir noch zu Hilfe eilen können,
Wirft es den König krachend in den Sand
Und schmettert ihm das Haupt an einen Feldstein,
Daß augenblicks das Leben ihn verließ.
LOTHAR.
Das ist ein düstrer Anfang unsrer Sache,
Denn morgen, rechn' ich, haben wir die Schlacht.
LUDWIG.
Dem kaiserlichen Zelte gegenüber –
Ein sonderbarer Zufall, in der Tat.
LOTHAR.
Ein Zufall, weiter nichts, doch sorgt dafür,
Daß man im Heer den Umstand nicht erfährt,
Sonst nährt's den Aberglauben in den Köpfen
Und ängstigt die Gemüter.
MATFRIED.
Gnäd'ger Herr,
Ich fürchte sehr, es sprach sich schon herum.
LOTHAR.
Das wär' nicht gut.
HUGO.
Daneben ist noch eins,
Das seltsam schreckend alle Herzen aufwühlt.
Ein alter Maure kam von drüben an,
Mit abenteuerlicher Nachricht, sagt man.
LUDWIG.
Was bringt er?
HUGO.
Herr, ich weiß es nicht genau,
Doch munkelt man im Volk, er brächte Kunde
Von grausigen Verbrechen, die am Hofe
Des Kaisers sich begeben.
LOTHAR.
Nun, bei Gott,
Das wäre günstige Fördrung unsrer Sache.
Schafft mir den Mauren her wir woll'n ihn brauchen
Wie den gemalten Teufel, unsre Tugend
So heller dran zu zeigen –
Lachend.
unsre Tugend!
LUDWIG.
Im Angesicht des väterlichen Zelts –
LOTHAR.
Ja, er ist tot, daran ist nichts zu ändern,
Und da, wo dreie waren, sind jetzt zwei.
Kommt, nichts von Weichheit jetzt und Grübelei;
Die Herren seh' ich, sind zumeist versammelt,
So laßt uns Kriegsrat halten und beraten,
Denn morgen, denk' ich, rücken wir ins Feld.
Dritter Auftritt
Wala aus dem Hintergrunde zu den vorigen.
WALA.
Eh' ihr zum Kriegsrat schreitet, höret mich.
LUDWIG.
Wala, der Abt.
WALA.
Ja, Wala, der Euch beide
Am Herzen trug, als Ihr noch Knaben wart –
LOTHAR.
Wir wissen, daß wir's waren – was beliebt?
WALA.
Der Euch die jungen Hände falten lehrte
Zum ersten, heiligsten Gebet des Christen:
»Vater vergibt!« Euch beide und Pipin. –
LOTHAR.
Wir sind beschäftigt, Herr.
LUDWIG.
Nein, er soll sprechen.
Was habt Ihr uns zu sagen werter Abt?
WALA.
Den Preis sollt Ihr mir nennen, Söhne Ludwigs,
Den Ihr auf Eures Vaters Kopf gesetzt.
Ihr sollt mir sagen, wie Ibrs tragen werdet,.
Wenn morgen sich, im Staub vor Euren Rossen,
Der blut'ge Leichnam Eures Vaters wälzt
Und wenn sich die empörte Kreatur,
Mit einem dumpfen Aufschrei des Entsetzens
Von Euch, den Vatermördern, wenden wird?
LOTHAR.
Ihr sprecht sehr schön, nur leider etwas lang
Und nicht am rechten Ort. Was predigt Ihr
Vor unsren Ohren Buße? Gebt hinüber
Und predigt da.
WALA.
Ich war bei Eurem Vater,
Ich sah das gramgefurchte Angesicht,
Den müden Nacken und das graue Haupt –
Sein Haupt – o, eines Vaters graues Haupt
Ist heilig, jedes Haar auf seinem Scheitel
Ruft seine Kinder auf zu Schutz und Ehrfurcht;
Wahrzeichen ist's der mahnenden Natur,
Daß uns das teure Gut nicht lange mehr
Gehören wird!
Er faßt Ludwig und Lothar an der Hand und geht mit ihnen zwei Schritte nach vorn.
Sagt mir, Ihr Schrecklichen,
Was eilt Ihr der Natur so wild voraus?
Ist Euch ihr Schritt zu langsam? Seid beruhigt,
Mißgönnt ihm seine letzten Tage nicht,
Nur wen'ge sind's noch.
LUDWIG.
Sagt, um Gottes willen,
Was wißt Ihr, Abt? Wie steht's mit meinem Vater?
WALA.
Schlecht, König Ludwig.
LUDWIG.
Ist er krank?
WALA.
Er ist's.
Es gibt 'nen Ausdruck in des Menschen Zügen,
Wenn Ihr den seht, dann wißt, daß ihn der Tod
Gezeichnet hat, daß er ihn wiederfinde
Auf seinem nächsten Rundgang durch die Welt.
Vierter Auftritt
Abdallah erscheint im Hintergrunde, von den übrigen vorläufig noch nicht bemerkt.
LUDWIG zu Wala.
Saht Ihr in seinem Antlitz diesen Ausdruck?
WALA.
Ich sah in seinem Angesicht die Krankheit,
Die keine Heilung kennt: gebrochnes Herz.
ABDALLAH.
Ha ha ha!
Alles wendet sich zu Abdallah.
LUDWIG.
Wer wagt es, hier zu lachen? Wer ist da?
MATFRIED.
Der Maure, wie es scheint, von dem wir sprachen.
LOTHAR.
Verzeiht ihm, Abt, es ist ein blinder Heide,
Der nichts von priesterlicher Würde weiß.
Komm, du Aushängeschild für unsre Tugend,
Du führst dich trefflich ein. –
Abdallah kommt vor.
Was lachtest du
Zu dieses Priesters Worten?
ABDALLAH.
Weil er spricht,
Als kenne er die Krankheit Kaiser Ludwigs,
Die er nicht kennt.
WALA.
Die ich nicht kenne, Maure?
Die ich nicht kenne?
ABDALLAH.
Nein, die du nicht kennst.
Nur einer weiß den Keim zu dieser Krankheit?
LUDWIG.
Was ist der Keim zu seiner Krankheit?
ABDALLAH.
Gift.
Allgemeine tiefe Bewegung.
LUDWIG.
Gift? Unserm Vater?
LOTHAR.
Laßt – das Ding wird ernsthaft.
Maure – wer so viel weiß, weiß auch noch mehr –
Wer gab dem Kaiser Gift? – Maure, du weißt es –
Sag's – oder –
ABDALLAH.
Meinst du, daß ich zum Verschweigen kam?
Ihr kennt ihn alle, alle haßt Ihr ihn –
Zu zahm war Euer Haß, verdoppelt ihn –
Erschlagt, zerreißt ihn, tilget seinen Namen
Aus der befleckten Reihe der Lebend'gen. –
LUDWIG.
Wer gab ihm Gift?
ABDALLAH.
Bernhard von Barcelona!
Bewegung.
LOTHAR.
Ha – ob ich diesen gift'gen Molch erkannte!
LUDWIG.
Bernhard von Barcelona. Nein – unmöglich!
ABDALLAH.
Unmöglich? Ihm?
LUDWIG.
Ich weiß, du hassest ihn,
Weil er die Mauren zwang. Hass' ich ihn gleich,
Als meinen schlimmsten Feind, doch glaub' ich's nicht –
Solch grause Tat verlangt nach einem Grund –
ABDALLAH.
Der Grund? Der Grund? Ich weiß es, bei Euch Christen
Muß alles Namen haben und getauft sein –
Wenn es ein Recht zum Dasein haben soll –
Wohlan, der Grund zu seiner Freveltat
Hat einen Namen – taufen will ich ihn –
Und er heißt Judith.
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