Er hat diesem Mann unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt, daß er diesen Rock braucht, um dir einen Heiratsantrag zu stellen.“

„Heilige Maria!“

„Heute früh hat der Rock fertig werden müssen, und Sergius hat ihn sich geholt. Daraus schließe ich, daß er seinen Antrag baldigst machen will.“

„Etwa gar noch heute? Aber, Vater, was wirst du dazu sagen? Du wirst ihm doch nicht etwa deine Einwilligung geben?“

„Wie könnte ich das beabsichtigen! Ich habe doch verkauft. Wir ziehen ja fort. Daraus geht hervor, daß ich nichts von diesem Menschen wissen will. Kommt herein!“

Damit ergriff Peter Dobronitsch die beiden Taschen und ging in das Haus, um sein Vermögen in sichere Verwahrung zu bringen. Mutter und Tochter blieben jedoch noch für einige Minuten stehen.

Da deutete Mila plötzlich nach rechts, über das offene Feld hinaus, von woher man in sehr bedächtiger Eile einen Reiter nahen sah, und rief:

„Mütterchen, dieser Reiter ist unser Nachbar Sergius Propow. Er kommt, mich von euch zu verlangen. Ich lasse mich gar nicht sehen. Dieser steife, ungelenke und dabei so heuchlerische Mensch ist mir so zuwider, daß ich eine Kröte lieber sehe als ihn. Komm herein! Wenigstens will ich nicht gleich die erste sein, die er erblickt.“

Damit verschwanden die Frauen im Inneren des Eingangs, und wenige Minuten später machte der Betreffende vor diesem halt.

Der herannahende Mann war spindeldürr. Sein Kopf hatte eine melonenartige, langrunde Form, so daß der hohe, schwarze, rauhhaarige Zylinderhut ganz eigenartig auf demselben saß. Unter einer schmalen Stirn trat zwischen zwei kleinen, grünlich gefärbten Äuglein eine scharfe, fast sichelförmig gebogene Nase hervor, deren Löcher sich so weit aufblähten, daß man ziemlich weit Einsicht in sie nehmen konnte. Das Gesicht war bartlos wie bei den meisten Frömmlern, die Lippen breit und der Mund voll schwarzer, modriger Zähne.

Die langen, dürren Arme trugen Hände, aus denen man sechs andere hätte schnitzen können, und die krummen Beine endeten in Füßen, die für einen vorweltlichen Sohlengänger zugereicht hätten.

Diese Gestalt steckte in einem engen, schwarztuchenen Rock, dessen Taille oben zwischen den Schultern saß, während die faltenreichen Schöße bis zu den Knöcheln hinabreichten. Der Hals war in eine so hohe, weiße Halsbinde eingeschnürt, daß der Mann das Kinn genau waagerecht halten mußte. An den Füßen trug er halblange, mit Talg eingeriebene Stiefel, an denen ein paar mächtige, pfundschwere eiserne Sporen befestigt waren.

Über die Hände hatte er schwarzlederne Handschuhe gezogen, die elegant sein sollten und daher so eng gewählt worden waren, daß er seine Finger nur nach stundenlanger Anstrengung hatte hineinarbeiten können. Nun aber mußten alle zehn Finger steif geradeaus stehen, denn wenn dieser Mann die Hände hätte zumachen wollen, so wären ihm sämtliche Teile und Zwickel der Handschuhe zerplatzt.

Also dieser Adonis hielt sein Pferd vor der Tür an, stieg sehr, sehr langsam und sehr, sehr gravitätisch aus dem Sattel, band sein Pferd sehr vorsichtig an einen dazu in die Erde gerammten Pfahl und stieg dann die Stufen hinan, die zur Tür führten. Dieses Steigen geschah so, wie es etwa ein Storch gemacht hätte, falls er verhindert gewesen wäre, mit beiden Füßen zugleich von Stufe zu Stufe zu springen.

An der Tür blieb er stehen.

„Sonderbar!“ murmelte er. „Kein Mensch ist da! Man muß doch durch die Fenster gesehen haben, daß ich heute in meinem besten Staat komm! Der Rock, zum Donnerwetter, ist geradezu direkt vom Schneider!“

Es geschah nämlich dem frommen Mann zu seinem eigenen Leidwesen zuweilen, daß ihm mitten in der salbungsvollsten Rede ein Fluch entfuhr. War er allein, so nahm er es nicht so genau.

Daß dieser Mann der nächste Nachbar von Peter Dobronitsch sei, das hieß hier nicht anderes, als daß er vielleicht zwölf Werst von ihm entfernt wohnte. Als Nachbar aber hatte er nach seiner Meinung ein für allemal das Recht, bereits an der Haustür auf das freundlichste bewillkommt zu werden. Daß dies heute nicht geschah, ärgerte ihn. Er schritt also mißmutig und gravitätisch in das Haus hinein, aber so langsam, als ob er für einen jeden Schritt einen Rubel zu bezahlen habe, und klopfte an die Tür des Wohnzimmers.

Man antwortete nicht, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Mutter und Tochter schnell in die hintere Stube geeilt waren, um wegen dieses Besuchs ihren Anzügen noch irgendeine Kleinigkeit hinzuzufügen, während der Bauer von demselben gar nicht wußte und oben in seinem abgelegenen Giebelstübchen saß, um sein Geld in die Truhe zu zählen und dann fest zu verschließen. Die Mägde aber waren in der Küche und die Knechte bei den Herden auf der Weide.

„Man antwortet nicht“, brummte der Besucher nun noch mißmutiger. „Ich will es zum zweiten Mal versuchen.“

Er klopfte wieder, natürlich aber mit ganz demselben Mißerfolg.

„Kreuzhimmeldonnerwetter!“ fluchte er da. „Was ist denn das für eine hochsträfliche Unachtsamkeit! Ein Mann wie ich ist natürlich einen ganz anderen Empfang gewöhnt! Ich werde das diesen Leuten deutlich erklären!“

Zum dritten Mal klopfte er, und als auch da sich keine Stimme vernehmen ließ, die ihn zum Eintreten aufforderte, so sagte er höchst zornig zu sich selbst:

„Nun, so lasse auch ich jede Rücksicht beiseite und gehe hinein!“

Er öffnete und trat ein.

„Ah! Kein Mensch ist da!“ brummte er. „Es ist höchst ungezogen, gar nicht zu merken, daß ich komme. Ich werde, wenn Mila meine Frau ist, ein strengeres Regiment einführen. Zucht und Ordnung, Aufmerksamkeit und Sorgfalt muß sein. Ich werde es ihr angewöhnen, jedem meiner Wünsche zu gehorchen. Was tue ich nun?“

Er blickte sich noch einmal aufmerksam im Zimmer um.