„Sie werden nun Feindschaft hegen.“
„Pah, diese Kerle sind niemals Freunde zu nennen. Und nun, Mila, du hast mir nur kurz sagen können, was geschehen ist. Erzähl es mir doch einmal ausführlich.“
Mila gehorchte, und die Eltern hörten ihr aufmerksam zu. Als sie geendet hatte, sagte der Bauer:
„Also das, das war Alexius Boroda! So habe ich ihn mir gedacht, jung, kühn, umsichtig, klug und verwegen und dabei stark wie ein Bär! Wie war denn seine Gestalt, sein Aussehen?“
Mila beschrieb den Sänger, so gut sie es vermochte – oder vielleicht noch besser, denn ihr Vater sagte lächelnd:
„Er scheint also ein sehr hübscher junger Mann zu sein? Hat er dir gefallen?“
„Ja.“
„So, so! Weiter, als was du erzähltest, hat er dir nichts mitgeteilt?“
„Kein Wort.“
„Hm! So wissen wir leider nichts Genaues.“
„Väterchen, er wird wiederkommen.“
„Das glaube ich nicht. Dazu wird er wohl zu vorsichtig sein, da er hier erkannt worden ist. Man würde ja alle Vorkehrungen treffen, ihn zu fangen, falls er zurückkehrt.“
„Mein Gott! Denkst du das wirklich?“
„Natürlich denke ich es. Vielleicht umstellt man meine ganze Besitzung mit Wachtposten.“
„So ist er verloren!“
Mila verriet eine innere Angst und eine Teilnahme, wie sie dieselbe noch bei keinem der vielen Leute geäußert, denen sie zur Freiheit verholfen hatte. Ihr Vater bemerkte dies gar wohl, sagte aber nichts, sondern fuhr fort:
„Um ihn habe ich keine Sorge. Er hat sich noch in ganz anderen Fährlichkeiten befunden, als diejenigen sind, die ihm hier bei uns drohen. Aber um andere ist es mir bange. Wie leicht kann gerade heute irgendein Hilfsbedürftiger zu uns wollen, der dann anstelle Borodas ergriffen würde! Und sodann steht alle Tage die Ankunft der großen Anzahl von Flüchtlingen zu erwarten, deretwegen wir zu Karpala gesandt haben. Ich wollte, die Tungusen wären schon da. Da hätten wir reichlichen Schutz.“
„Karpala wird sofort aufgebrochen sein“, meinte Mila.
„Natürlich. Aber in so bedeutender Anzahl reitet man nicht so schnell wie allein. Unser Bote wird auch erst heute bei ihr in Platowa ankommen. Es ist zwei Tagereisen her zu uns. Wenn nur nicht indessen etwas geschieht. Man scheint so nach und nach hinter unser Geheimnis zu kommen. Nun, es ist nur gut, daß wir nicht länger hier bleiben.“
Die Bäuerin hatte sich bis jetzt nicht an dem Gespräch beteiligt, nun aber fragte sie schnell:
„Nicht länger? Also gelingt es? Wirst du verkaufen?“
„Ja“, nickte ihr Gatte.
„Und wohl bald?“
„Schneller als ihr denkt“, antwortete Dobronitsch lächelnd. „Seht euch einmal das Pferd an.“
Er deutete auf das Tier, von dem er vorher abgestiegen war, als er ankam. Es stand noch so fromm dort, wie er es stehengelassen hatte. Zu beiden Seiten des Sattels hingen verheißungsvoll große Ledertaschen.
Dobronitsch nahm die beiden Taschen, die ziemlich schwer zu sein schienen, von dem Pferd und öffnete eine derselben. Sie enthielt kleine, viereckige Papierpakete und längliche Rollen, die versiegelt waren.
„Was ist das?“ fragte er.
„Das ist Geld!“ antwortete die Bäuerin.
„Ja, liebes Frauchen, das ist Geld, sehr viel Geld.“
„Von wem hast du es denn?“
„Von dem Käufer. Er hat mir rund hunderttausend Rubel für unsere Besitzung bezahlt.“
„Hunderttausend Rubel!“ riefen die Frauen erstaunt.
„Ja, hunderttausend Rubel!“ entgegnete der Bauer im Ton selbstbewußter Befriedigung. „Wir kehren in die liebe Heimat zurück und können dort nun ohne schwere Arbeit und ohne alle Sorge leben. Wißt ihr, wer sich am allermeisten darüber wundern und ärgern wird.?“
„Nun, wer?“
„Unser nächster Nachbar, Sergius Propow.“
„Ja, weil er nicht hat ahnen können, daß wir so reich sind.“
„Oh, da irrst du dich gar sehr! Es ist ihm wohl bekannt, daß mein Gut eigentlich viel mehr wert ist als hunderttausend, denn er will es haben.“
„Kaufen?“
„O nein. Dazu ist er zu geizig und auch viel zu – klug. Man kann sich so ein Gut auch erheiraten.“
„Erhei –“
Der Bäuerin blieb das Wort im Munde stecken.
„Vater!“ rief Mila erschrocken.
„Nun, was meinst du?“
„Dieser Sergius Propow sollte – sollte mich zur Frau haben wollen?“
„Ja, das ist sein Wunsch. Ich habe es erst heute erfahren.“
„In der Stadt?“
„Ja. Vom Schneider, bei dem er sich einen neuen Rock hat machen lassen.
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