Denkt nur an die ‚armen Leute‘, denen ihr gegen das Gesetz euren Beistand gewährt! Ich werde es so weit bringen, daß ihr selbst nach Nertschinsk verbannt werdet, um in den unterirdischen Bergwerken zu arbeiten, bis der Tod euch in die Hölle sendet!“
Propow eilte hinaus, so schnell es seine Gravität und fromme Würde erlaubten, die er auch jetzt noch möglichst beibehielt.
Jetzt kam Mila herein.
„Gott sei Dank, daß er fort ist!“ sagte sie. „Väterchen, Mütterchen, habe ich recht gehandelt?“
„Ja, mein Kind“, antwortete der Bauer. „Es war ganz recht, daß du ihm endlich einmal die Augen geöffnet hast. So einem Menschen muß man die volle Wahrheit sagen. Er hatte uns beleidigt, und so verdiente er diese kräftige Zurechtweisung vollständig.“
„Und du fürchtest seine Rache nicht?“
„Nein. Ich hoffe, daß er uns nichts wird anhaben können.“
Der abgewiesene Freier freilich dachte ganz anders. Er brütete, indem er langsam von dannen ritt, darüber, wie er wohl am besten und sichersten Rache nehmen könne. Und zufälligerweise schien sich ihm sehr schnell eine vortreffliche Gelegenheit dazu zu bieten.
Propow hatte das Gut bereits weit hinter sich, und sein Pferd trabte auf grasigem Boden dahin, während rechts und links Büsche standen, die sich hinab nach dem Mückenfluß zogen, da hört er von der Seite her das Schnauben eines Pferdes, und gleich darauf kam ein Reiter zwischen den Büschen hervor. Es war der Kosakenwachtmeister.
Beide, Propow und der Kosak, kannten einander natürlich, aber sie liebten sich nicht. Sie hatten noch niemals ein Wort über Mila verloren, aber sie wußten, daß sie Rivalen seien – beide trachteten nach ihrer Hand.
Daher machte der Wachtmeister keineswegs ein sehr freundliches Gesicht, als er seinem Nebenbuhler begegnete. Er ergriff vielmehr sofort die Gelegenheit, ihn zu ärgern, und parierte sein Pferd gerade vor demjenigen Propows, so daß dieser nicht vorüber konnte.
„Was soll das?“ fragte der Russe. „Du stellst dich mir in den Weg?“
„Wo ist hier ein Weg? Jeder kann reiten und anhalten, wo es ihm beliebt. Mit einem so guten Freund von Peter Dobronitsch mache ich kein Federlesen.“
Diese letztere Bemerkung kam dem Russen sehr gelegen.
„Was?“ fragte er. „Was soll ich sein? Ein Freund von Peter Dobronitsch?“
„Kannst du es leugnen?“
„Ich leugne es. Ich möchte den sehen, der es mir beweisen kann, daß ich der Freund dieses Menschen bin!“
„So! Aber seine Tochter möchtest du!“
„Mann, wer hat dir das weisgemacht?“
Der Wachtmeister betrachtete Propow mit mißtrauisch forschenden Blicken. Ein schadenfrohes Lächeln glitt über sein Gesicht.
„Das braucht mir niemand weiszumachen. Das sehe ich ja. Denkst du, ich habe die Blicke nicht bemerkt, mit denen du das Mädchen verschlingst, wenn du bei ihm bist?“
„Das hast du dir nur eingebildet. Es fällt mir gar nicht ein, an diese Dirne zu denken. Ihr Vater könnte sie mir anbieten, ich möchte sie doch nicht!“
Propow sagte das in zornigem Ton, und seine Miene war dabei so aufrichtig grimmig, daß der Wachtmeister erkannte, daß der Mann jetzt die Wahrheit sprach. Er nickte leise vor sich hin, betrachtete ihn abermals lächelnd und versetzte:
„Sergius Propow, du hast ja einen neuen Rock an! Und Handschuhe dazu! Es scheint heute ein sehr feierlicher Tag für dich zu sein, ich glaube gar, du bist auf der Brautschau gewesen! Nicht wahr, du hast die Mila haben wollen und hast sie nicht bekommen?“
„Was geht es dich an! Wenn du mir nicht Platz machen kannst, suche ich mir einen anderen Weg.“
Propow wollte den Wachtmeister umreiten, dieser aber ergriff ihn beim Arm und hielt ihn fest.
„Halt! So schnell kommst du nicht fort von mir! Wo willst du hin?“
„Über den Fluß hinüber, nach Hause.“
„Ich reite mit und begleite dich bis zum Fluß.“
Jetzt ritten beide Männer nebeneinander in der Richtung, die Propow ursprünglich verfolgt hatte. Der Wachtmeister beobachtete diesen eine Weile verstohlen von der Seite, dann fragt er:
„Hatte ich recht? Du warst bei Peter Dobronitsch, und er hat dir seine Tochter abgeschlagen?“
„Was soll ich es leugnen! Er wird es ja allüberall erzählen.“
„Also doch! Was hat er denn eigentlich für Gründe, dich abzuweisen, angegeben? Du bist doch ein reicher und noch dazu ein reputierlicher und angesehener Mann.“
„Ich möchte allerdings wissen, wer gegen meinen guten Ruf etwas einzuwenden hätte.“
„Auch von Gestalt und Ansehen gut und sehr wohl erhalten.“
Der Russe warf einen mißtrauischen Blick auf den Kosaken, antwortete aber, als dieser letztere eine sehr ernste Miene zeigte:
„Wenigstens denke ich, daß ich kein Scheusal bin.“
„Nein, das bist du nicht. Du kannst mit deinem Äußeren vollkommen zufrieden sein. Und was dein Gemüt und deinen Verstand betrifft, so kannst du dich getrost mit einem jeden vergleichen. Ein Dummkopf bist du nicht.“
„Aber gerade einen Dummkopf hat mich der Peter Dobronitsch genannt.“
„Ah! Wirklich? Einen Mann von den Geistesgaben, die du besitzt. Hält er sich etwa für gescheiter und klüger als du? Der Esel!“
Propow glaubte wirklich, daß der Kosak es aufrichtig meine. Darum gestand er in seinem Grimm:
„Ich könnte dir noch viel mehr sagen. Wenn ich nicht ein treuer Sohn der Kirche wäre, dem Demut und Vergebung als schöne Tugenden gelten, so hätte ich alle Veranlassung, diesem Menschen Rache zu schwören. Jetzt könnte er mir sein Mädchen an den Hals werfen, ich möchte es nicht. Ich bereue es überhaupt, um die Hand dieses eingebildeten Ding angehalten zu haben.
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