Das war die Spur, die die Zobelfalle zurückgelassen hatte. Er war also unbedingt erkannt und entdeckt worden.

Kaum hatte er die letzten Worte gesungen und wollte eben das Nachspiel beginnen, so erhob auch schon der Wachtmeister die Peitsche und rief in befehlendem Ton:

„Drauf! Er ist's, Alexius Boroda!“

Die beiden Kosaken warfen sich aus dem Sattel und drangen auf den Sänger ein.

Mila stieß einen Schrei aus. Sie war überzeugt, daß der Mutige verloren sei, er, der Unbewaffnete, gegen drei bis an die Zähne bewaffnete Kosaken. Er aber hatte ganz und gar nicht das Aussehen eines Mannes, der sich verloren gibt, denn seine Wangen röteten sich; seine Augen blitzten hell auf, und seine Gestalt schien zu wachsen, als er jetzt lachend antwortete:

„So! So! Also ich bin Boroda! Nun, ich will nichts dagegen haben. Ihr habt jetzt den berühmten Zobeljäger gesehen und könnt damit zufrieden sein. Reitet also ganz ruhig heim und sagt den Kameraden, wie schön ich singen kann.“

„Ja“, antwortete der Wachtmeister zornig. „Wir werden heimreiten, aber nicht ohne dich!“

„Drauf!“ erklang dann abermals der donnernde Befehl.

Nun gab es für die gehorsamen Kosaken freilich kein Zögern mehr. Sie drangen auf Boroda ein. Dieser aber, der noch immer am Baum lehnte, so daß er im Rücken gedeckt war, erhob seine Balalaika und schlug sie dem einen so an den Kopf, daß sie krachend in Splitter flog. Dem anderen versetzte er einen Faustschlag in die Magengrube, und das so schnell, daß beide auf dem Boden lagen, ehe der Wachtmeister noch Zeit gefunden hatte, ihnen beizustehen.

„Hund!“ brüllte dieser auf. „Das will ich dir bezahlen!“

Dann spornte er sein Pferd nach dem Baum und erhob die Peitsche zu einem Schlag, der immerhin tödlich sein konnte, da die sibirischen Völkerschaften sich dieser Peitschen zu bedienen pflegen, um die Wölfe mit einem einzigen Hieb zu erschlagen.

„Mach dich nicht lächerlich, Knabe!“ lachte jedoch Boroda auf, sprang blitzschnell zur Seite, so daß der Schlag fehlging, ergriff den Wachtmeister beim Arm und riß ihn mit einem gewaltigen Ruck vom Pferd, so daß der Mann in einem weiten Bogen zur Erde flog. Nun entriß er ihm die Peitsche, sprang in den Sattel, ergriff die Zügel und rief in lustigem Ton:

„So! Jetzt wißt ihr, wie Boroda zu handeln versteht. Erzählt es weiter und lebt wohl, meine guten Brüderchen!“

Er versetzte den beiden anderen Pferden noch ein paar kräftige Hiebe, so daß sie, vor Schmerz laut aufwiehernd, im Galopp davon sprangen, dann jagte auch er davon, schnell um die Ecke des Gebäudes herum, um rasch Deckung gegen etwaige Schüsse zu haben.

Die drei Kosaken lagen noch am Boden. Es war alles so blitzschnell gegangen, daß sie noch gar keine Zeit gefunden hatten, sich aufzuraffen.

Mila hatte beide Hände auf ihre erst vor Angst und nun vor Freude hochklopfende Brust gelegt.

„Gott sei Dank!“ seufzte sie auf, indem sie Alexius nachblickte, bis er hinter dem Haus verschwunden war. „Er ist gerettet! Wie stark, wie kühn und stolz er ist! Und zugenickt hat er mir auch noch einmal und mich angelacht, als ob – als ob – als ob ich hoffen solle, daß er wiederkommen werde. Das also, das war Boroda!“

Jetzt endlich bekam der Wachtmeister seine Stimme wieder, die er vor Schreck verloren hatte, und rief:

„Heilige Petrowna Paulowitschina! Wo bin ich denn?“

„So möchte ich auch fragen, Brüderchen“, entgegnete einer der Kosaken, der seinen Kopf hielt, während der andere seine Magengegend betastete. „Mein Leib, mein Leib! Meine Rippen!“

„Und mein Kopf, mein Kopf! Diese verdammte Balalaika! Da liegt sie neben mir in lauter Stücken und Splittern!“

Indem die beiden Kosaken das sagten, setzten sie sich neben ihrem Wachtmeister auf und bildeten mit ihm zusammen eine so jammervolle Gruppe, daß ein jeder über dieselbe in laut schallendes Gelächter hätte ausbrechen müssen. Die einzige Zeugin, die nahe gewesen war, Mila, hatte sich schleunigst in das Innere des Hauses entfernt, damit sie vor Anforderungen an ihre Hilfsbereitschaft bewahrt sein möge, und nun stand drinnen an den Fenstern die Bäuerin mit ihrer schönen Tochter und sämtlichen Mägden, und alle lachten herzlich über die jammervolle Gruppe da draußen vor dem Haus.

In diesem Augenblick kam ein Reiter um die Ecke gesprengt. Es war Milas Vater, der Bauer Peter Dobronitsch. Als er die Gruppe erblickte, hielt er erstaunt sein Pferd an.

„Was ist denn das?“ fragte er. „Was tut hier hier?“

„Wir sind verwundet“, antwortete der Wachtmeister im allerkläglichsten Ton.

„Sapperment! Von wem denn? Etwa vom Teufel?“

„Ja, denn ein Teufel ist er, dieser verdammte Alexius Boroda. Er war als Sänger da und hat seine Balalaika diesem hier auf dem Kopf zerschlagen; den anderen da schlug er mit der Faust zu Boden, und mich riß er vom Pferd, so daß ich alle zweiundsechzig Rippen gebrochen habe.“

Der Bauer gab sich Mühe, ernsthaft zu bleiben.

„O weh!“ sagte er in bedauerndem Ton. „Das ist freilich schlimm! Wo ist er denn hin?“

„Wissen wir es?“

„Und wo sind eure Pferde?“

„Zwei hat er mit der Peitsche fortgejagt, damit wir ihn nicht verfolgen konnten, und auf dem meinigen ist er davongeritten. Hast du nicht einen Schluck Wodka da?“

„Den habe ich wohl, aber er wird euch wohl schwerlich dienlich sein.“

„O doch! Er hilft ja gegen alle Schmerzen, also auch gegen die unsrigen.“

„Zunächst wird es nötiger sein, zu untersuchen, welchen Schaden ihr genommen habt. Du weißt, daß ich mich auch ein wenig auf die Behandlung von Wunden verstehe. Also zeig einmal deinen Kopf her!“

Der Bauer stieg vom Pferd und trat zunächst zu dem von der Balalaika Verwundeten, um ihm die Hand auf den Kopf zu legen und denselben zu untersuchen. Aber da schrie der Mann sofort auf:

„Halt! Halt! Nicht anrühren! Ich kann es vor Schmerzen nicht aushalten!“

Der Bauer war ein hochgewachsener Mann mit ernsten, energischen, aber doch wohlwollenden Gesichtszügen. Sein kluges Gesicht blieb auch jetzt ernst, als er antwortete:

„Da steht es allerdings schlimm mit dir. Du wirst's nicht mehr lange machen. Dein Kopf ist ganz zerschmettert.