Er ist ganz allein.“
Da nickte der Wachtmeister leise vor sich hin, zog ein sehr pfiffiges Gesicht und sagte, nachdem er die beiden Legitimationspapiere zusammengelegt und in die Satteltasche gesteckt hatte:
„Die Sache kommt mir verdächtig vor. Ich werde sie genauer untersuchen.“
Der Sänger aber zog die Brauen finster zusammen, trat ihm einen Schritt näher und antwortete:
„Dazu hast du kein Recht! Meine Legitimationen sind richtig. Sie stimmen ganz genau; also mußt du sie mir zurückgeben und darfst mich nicht in meiner Freiheit hindern.“
„Aber die Aussage meines Kameraden muß berücksichtigt werden. Er behauptet, daß derjenige Saltewitsch, der du sein willst, gar keinen Bruder habe. Ich muß also den Paß und den Schein von meinem Offizier prüfen lassen. Du wirst uns nach der Station begleiten müssen.“
„Das fällt mir nicht ein.“
„Brüderchen, es ist gar nicht so schlimm, wie du denkst. Du wirst uns auf der Station etwas singen und dafür viel Wodka trinken und auch noch Geld erhalten.“
„Ich trinke keinen Wodka, und ich weiß auch, daß ihr Soldaten niemals Geld übrig habt. Ich will mein Recht, weiter nichts.“
Die Art und Weise, in der Alexius sprach, verfehlte nicht, den beabsichtigten Eindruck auf den Wachtmeister hervorzubringen. Er langte bereits mit der Hand wieder nach der Tasche, um die Legitimationspapiere aus derselben zu nehmen; da aber trieb der erwähnte Kosak sein Pferd ganz nahe an ihn heran und sagte leise:
„Brüderchen, laß dich nicht irremachen. Er ist kein Sänger. Ich glaube vielmehr, daß er der Zobeljäger ist; ich möchte darauf schwören. Gestern, als du ausgeritten warst, las uns der Sotnik vor, daß der gesuchte Zobeljäger ein ganz besonderes Kennzeichen habe. Es ist ihm nämlich einmal der linke Arm in eine Zobelfalle geraten. Davon sieht man gleich unter der Hand noch die Spur. Fordere ihn auf, zu singen. Wenn er die Balalaika spielt, hält er den Hals derselben mit dem linken Arm empor, und da wird der Ärmel so weit nieder rutschen, daß es sichtbar wird. Das ist das beste; meinst du nicht auch?“
„Brüderchen, du bist ein Schlaukopf!“
Das Flüstern der beiden Kosaken hatte nicht so lange gedauert, als Zeit zur Beschreibung nötig ist. Sie hatten sehr schnell und eilig gesprochen, und nun wandte sich der Wachtmeister wieder an den Sänger:
„Ich habe mit meinem Kameraden hier gesprochen. Er sagt noch immer, daß du nicht Peter Saltewitsch seist. Ich sollte dich eigentlich arretieren; aber ich will mich in anderer Weise überzeugen, ob du mich belogen hast oder nicht. Du kannst mir nur dadurch, daß du uns etwas vorsingst, beweisen, daß du der bist, für den du dich ausgegeben hast. Wenn du wirklich Sänger bist, so muß dir das schöne Sängerlied von der Laute bekannt sein. Sing es!“
Der Sänger tauchte den Blick tief forschend in das Auge des Wachtmeisters und bemerkte deutlich die Heimtücke, die in der Tiefe desselben lauerte. Er ahnte, daß man ihn aus einer ganz besonderen Absicht zum Gesang auffordere, konnte jedoch dieselbe nicht erraten.
Scheinbar unbefangen lehnte er sich wieder an den Baum, aber so, daß er keinen der drei Kosaken hinter sich hatte, und tat, als ob er nur mit der ihm gestellten Aufgabe beschäftigt sei, war aber trotzdem darauf gefaßt, sich in jedem Augenblick gegen eine etwaige Überrumpelung zu wehren.
Nun erhob er die Balalaika, schlug einige Akkorde an und begann, während die Blicke der Kosaken nach seiner linken Hand gerichtet waren, folgendes Lied:
„Meine Laute ist mein höchstes Gut;
Meine Laute ist mein Stolz, mein Mut,
Und sie laß ' ich nicht,
Denn ihr Klingen spricht
Wie ein Engel aus vergangnen Zeiten.
Meine Laute sah des Jünglings Glück,
Meine Laute seinen Tränenblick,
Sah ihn singend stehn,
Stolz wie Götter gehen
Durch des Lebens Frühlingsauen.
Meine Laute sah des Mannes Schmerz,
Sah auch schwellen das zufriedne Herz,
Und des Herzens Schlag
Sprach die Saite nach,
Laut verkündend Schmerz und Lustgefühle.“
So weit war er mit dem in Rußland sehr beliebten Lied gekommen, als er durch die vorsichtig niedergeschlagenen Wimpern bemerkte, daß der Wachtmeister den beiden Kosaken verstohlen zunickte.
Was meinte dieser Mann? Das war nicht das Nicken des Wohlgefallens über das Lied, sondern das war vielmehr das Zeichen der Übereinstimmung; es sah aus wie ein Befehl, den der Wachtmeister seinen Untergebenen erteilte. Dennoch tat der Sänger so, als ob er gar nichts bemerkt habe, und fuhr fort:
„Meine Laute ziere noch den Greis
Mit dem Haupte zitternd einst und weiß!
Von des Lebens Harm,
Mit der Laut' im Arm
Will ich auf zu reinem Chören schweben.“
Während dieser fünf gesungenen Zeilen hatte der Wachtmeister nach dem Griff seiner Wolfspeitsche gelangt und dieselbe unter dem Halsriemen des Pferdes hervorgezogen. Er hielt sie jetzt so in der Hand, als ob er bereit sei, mit derselben zuzuschlagen. Dessenungeachtet sang der junge Mann auch die letzte Strophe:
„Meine Laute gebt mir in das Grab;
Meine Laute senkt mit mir hinab.
Denn der Klang verdirbt,
Wenn der Sänger stirbt,
Und der Fremde weiß sie nicht zu spielen.“
Jetzt sollte eigentlich noch das Nachspiel kommen, aber der Sänger wurde daran verhindert. Er hatte wohl bemerkt, daß die drei Kosaken nur seine linke Hand fixierten; aber er hatte nicht geahnt, was ihre Blicke dort suchten. Jetzt aber, gerade noch zur richtigen Zeit, sah er, daß ihm der Ärmel zurückgerutscht war. Da war ganz deutlich eine dunkel gefärbte Stelle an der Handwurzel zu erkennen.
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