Und wenn heute oder morgen der grosse Krach kommt, dann ist man Bettler – ist das nicht so?“
Pause.
Und dann Helena Pawlowna: „Mir ist, als ob Sie nicht alles Gold umgewechselt hätten, Kasimir.“
„Vielleicht, Helena Pawlowna, es kann sein, dass ich das gethan habe. Aber dieses Gold gilt nicht im Leben, müssen Sie wissen. Es ist ausser Kurs. Man muss Scheine haben und recht viele“ –
Das macht den deutschen Maler ungeduldig: „Ja, ja –“ sagt er, „da hört man's ja wieder. Ihr seid Pessimisten, Ihr Slaven, unheilbare Pessimisten. Wir haben das überwunden: wir lieben das Leben, und unsere Kunst kommt mitten heraus.“
Er macht ein paar Schritte zum Fenster hin und fügt von dort etwas leiser hinzu: „Ich glaube doch, die Herren müssen mir recht geben. Sie, Herr Graf; denn die Franzosen haben uns ja gerade manches gelehrt, was das Leben betrifft. Wie? Na und Ihr in Wien ...“
„Ja, ja,“ antwortet der Herr mit den feinen Händen langsam, „es ist wahr, wir in Wien, wir thun gerne so, als ob wir alles hätten – Leben – und Kunst und –“
Und Graf Saint-Quentin nippt von seinem Thee und ist so mit der feinen Tasse beschäftigt, dass er nicht zum Antworten kommt. Wie er sie hinstellt, singt sie eine Weile vor sich hin.
Aber der deutsche Maler ärgert sich. Er fühlt sich so im Stiche gelassen und hat die Idee, seine Sache retten zu müssen um jeden Preis. Er beginnt also:
„Darum habt Ihr ja auch eigentlich keine Kunst, Ihr Polen und so weiter. Na, was Litteratur betrifft und so Zeug, kann sein. Man soll aus Weltschmerz ja schöne Gedichte machen können und dann sentimentale Musik, hm, Chopin, Tschaikowski, freilich. Aber davon versteh' ich nichts. Was Malerei anlangt, ich meine, moderne –“
„Oh, sehen Sie den Wereschtschagin –“
Der Maler wehrt ab.
„Oder Porträt: da haben wir jetzt in Wien den Pochwalski“ – der Wiener wird ganz eifrig in dem Bestreben, die schroffe Behauptung des Anderen zu dämpfen. Er möchte immer noch eine Liebenswürdigkeit darüber breiten, und seine Hände zittern davon.
Aber da sagt Kasimir schon:
„Der Herr hat ganz recht. Wir haben keine Kunst.“
„Vergessen Sie Ihren „Pan Tadeuz“ nicht,“ mahnt Graf Saint-Quentin.
„Gerade an ihn denke ich. Und an die grossen Russen. Und an Tetmajer und diese feinen jungen Poeten, die das Kranksein so schön machen. Sie sehen, ich denke an Viele. Und dabei kommt heraus, dass wir Künste haben, keine Kunst. Viele Sehnsüchte und keine Erfüllung. Vielleicht ist das bei den Deutschen anders, ich weiss nicht. Aber dann müssen die Deutschen sehr glücklich sein –“
Die Prinzessin hat sich vom Kamin abgewendet. Ihre Augen rufen in das Dunkel hinein.
Und der deutsche Maler fühlt: jetzt geht wieder so ein Gespräch los, das zu nichts führt. Es ist eine grässliche Art, dieses Geistreichsein. Und dabei sind alle die Dinge so klar, so lange man nicht in ihnen herumrührt.
Und er schweigt, um die Sache nicht weiter auszudehnen.
Wenn nur der Herr aus Wien nicht gefragt hätte: „Wie meinen Sie das?“ Dann wäre es ja wohl zu Ende gewesen. Aber natürlich fragt er. „Wie meinen Sie das?“
Nicht gleich antwortet Kasimir, und die Prinzessin Helena Pawlowna hat Zeit, ihre Hände zu falten.
Dann kommen wieder lauter weiche Worte aus dem Dunkel. Dann und wann vernimmt man einen Schritt, als ob der Pole irgend ein besonders ängstliches Wort ein Stück begleiten wollte in den Saal hinein.
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