Schließlich war der Aufenthalt

Mir in Italien nur dann noch möglich, wenn

Ich mich zum Unflat eines Heeres werben ließ.

Es tanzten unterm Taktschlag des Magnifico

Ja hundert Griffel in Florenz, die mein Porträt

Als Steckbrief in das kleinste Kaff entsandten. Was

Hatt ich so Hochnotpeinliches verschuldet? Sags!

MICHELANGELO.

Dir ward die Kunst versagt. Mir säuerte das Leben.

Du warst geflohn: verflucht dreimal das Tageslicht,

Der Spiegel, der mein Bild mir zeigt, der Diener und

Der Freund, der sich die Türe nicht verrammeln läßt!

Ich komme mit den Hunden in Konflikt, weil ich

Des Nachts nur meine Hütte noch verlasse und

Wie sie den hellen Mond anbelle.

TORRIGIANO.

Das ging mit

Dir selber heim.

MICHELANGELO.

Den ersten besten Prügel greif

Ich und zerschmettere den Schurken, der mirs tat!

Man wird das Lachen dann verbeißen.

TORRIGIANO.

Nimmermehr!

Du weißt nicht, was ich schon ertrug. Als du nach Rom

Gegangen, nahm dein Ruf zu, rascher als der Mond.

Ich knetete im Lager Lehmpopanze aus.

Anstatt mit Weibern wie ihr andern, lagerte

Ich mit der Ziege, brannte Mord, trieb Ranzion

Mit denen Landsknechtshaufen und bezechte mich,

Daß Rausch, Betäubung, Fallsucht eines war.

MICHELANGELO.

Man sagt,

Daß einem Bilde, das du heimlich hingekleckst,

Zum Sonntagsspaß die Augen ausgeschossen wurden.

TORRIGIANO.

Unmöglich war dir damals kund, was mir geschah.

Du hättst es dir genügen lassen, und ich ständ

Nicht hier.

MICHELANGELO.

»Sorgt mir, daß er sich Hoffnung macht, und raubt

Sie ihm dann wieder«, dacht ich. So sehr haßt ich dich.

Doch jetzt sollst du Gewißheit haben: Schere dich

Zum Henker! Meine Zeit ist hin!

TORRIGIANO.

Weil ihm nun statt

Der Nase im Gesicht ein Fragezeichen stand,

Und er mit seinem Schneuztuch einen Knollen statt

Der altgewohnten Rübe in die Hand bekam!

Du mußt mich reden lassen, Michelangelo!

Cesare Borgia meuchelte im Angesicht

Des Vaters seinen Bruder hin um den Besitz

Der Schwester. Papst und Cäsar endigten durch Gift.

Mich schlugs nach Spanien, nachdem ich lang genug

Gewartet, daß du riefst. Dort wars: Ein Nobile

Sieht meine Marmorbüste der Maria; noch

Im Stein. Verspricht mir das Gewicht dafür in Gold

Und bringts in Pfennigen! Ich habe die Figur

Zerschmissen! Torrigiano, meinte er, der den

Buonarotti schändete, der sei genug

Bezahlt, wenn man ihn kenne und nicht namhaft mache.

MICHELANGELO.

Solls mir das Wasser aus der Tränenfistel pressen?

Er hieß Orsini und es war die Zeit, da ich

In Rom verschrieen ward als scheusälig und stolz.

Als zynisch und unnahbar. Ja, die Zeit war es.

Er hatte Briefe von mir selbst, dich zu vernichten.

Ich sage: Fort! Mir aus dem Aug! Ich brauche nur

Zu rufen und man schlägt dich in die Ecke dort

Hinein!

TORRIGIANO.

So rufe!

MICHELANGELO.

Diener, he!

 

Zwei Diener erscheinen, denen Michelangelo aber sogleich wieder abwinkt.

 

Ich kann es nicht!

TORRIGIANO.

Ich wußte, daß du es nicht kannst. Mein Totenkopf,

Als erster hätte er mit Recht gegrinst. Es ist

Ein andrer Fall, wenn man sich Stirn vor Stirne steht.

Wenn du mich selber doch verfolgtest, wußtest du

Auch davon: daß ich nun Inquisitionsprofoß

In Deutschland werden konnte, eingestellt, weil ich

Von Spanien kam und dort der Pfaffe Meister war

Im Schinden; daß ich Ketzerblut nun kelterte;

Mit glühnder Zange nun die Rasse reinigte

Von schnödem Haar und Knochen renkte, daß zuletzt

Mir jedes nicht verzerrte Wesen scheußlich schien?

MICHELANGELO für sich.

Ich haßte ihn und hasse ihn nicht mehr. Das ists:

Ich fühl ihn tief mit mir verwandt, und was er mir

Einst antat, hat sich jetzt verjährt; verjährt, wie sich

Buonarotti selbst verjährte. Was versteif

Ich mich auf Unerbittlichkeit?

TORRIGIANO.

»Ich haßte ihn

Und hasse ihn nicht mehr?« Nein .. nein .. ich habe falsch

Gehört! Was wollte ich denn noch? Was wär ich noch?

Auf Milde hab ich nicht gerechnet!

MICHELANGELO immer noch für sich.

Mensch bleibt Mensch.

Die Hand weg vom Ixionsrade! Keiner hemmts!

Das ist der Kehraus zu dem Fastnachtsstück von Leben,

In dem ich Narr sein sollt und keinen Spaß verstand!

Doch kann ich selbst den Mann nicht mehr zerschmettern, soll

Er auch von der Zelotenschar, die draußen paßt

Auf ihn, nicht abgeschlachtet werden. Nein, dann sei

Er auch befestigt wieder wie ers war, und zwar:

In Rom hier mitten unter den Fanatikern.

Zu spät ists nie. Geht Same, der auf Felsen fiel,

Doch nach Jahrzehnten noch mit grünem Ausschlag auf!

TORRIGIANO.

Da kommt er mir entgegen! Ists der alte Traum?

MICHELANGELO.

Die Hand her, Torrigiano! Warum so erstaunt?

Ists unerhört, daß der, den wir zumeist verfolgen,

Am Ende unser Nachbar wird und Hausgenoß?

Als dich dein König aus der Themse ziehen ließ,

Und du ihm halb ertrunken über dein Geschick

Die Auskunft weigern wolltest –

TORRIGIANO.

Künstler suchte er.

Er ließ sie nirgends untergehn. Er war ein Mensch.

MICHELANGELO.

Auch damals noch in England war ichs selbst – genug!

Ich triebs zu weit! Ich seh es ein. Doch dafür reizts

Mich nun, dich deshalb grad zu schützen, weil ich weiß,

Wie Rom dann an dir in die Höhe kläffen wird.

TORRIGIANO stößt Michelangelos Hand zurück.

Ein schlechter Spaß? Denk an Florenz! Ich bin der Mann

Nicht, der sich foppen läßt, und dächt, das wüßtest du!

MICHELANGELO.

Und wenn ichs weiß!

TORRIGIANO.

Du mußt gestehn, ich hab ein Recht,

Dir zu mißtraun!

MICHELANGELO.

Wenn du an dir hinunterschaust:

Die Vogelscheuchen, die verfolgt man nicht!

TORRIGIANO.

Es gibt

Ein ätzend Wort. Das dachte ich dir ins Gesicht

Zu schleudern und zu gehn. Gewissen heißt das Wort!

MICHELANGELO.

Nichts mehr davon!

TORRIGIANO.

Dann nur noch eins, auf Mannestreu:

Da ist ein Hitzkopf, der Cellini heißt, statt Blut

Veltliner in den Adern hat. Manchmal soll er

Dir näher als dein Schatten sein. Hast du bedacht,

Was der zu deinem neuen Schützling sagen wird?

MICHELANGELO.

Ich nenn ihn meinen Schwarmgeist, meinen Jugendbold!

Ich weiß: Er ist das Haupt der Eifrer gegen dich.

Es soll ihm eine Lehre werden. Unbesorgt!

Gerade der wird dann ein Werkzeug für dich sein!

TORRIGIANO.

So nehm ich beide Hände, Michelangelo!

Für jetzt nur das!

 

Händedruck.

 

Denn stottern will ich nicht, und noch

Klemmts mir die Brust zu sehr. Hast du mich vor den Papst

Geführt und ist das Pergament zerrissen, das

Mich in den Bann tat, so wirds anders sein.