Doch kommt ihr mir jetzt nicht
Zu Paß. Verlaßt darum das Haus und schweigt!
CELLINI arbeitet sich durch die Menge.
Nein, bleibt!
Bleibt alle und vernehmt von mir, wie ich den hier
Verehre, unsrer abendländischen Kunst Großmeister,
Den Schirm- und Ahnherrn kommender Jahrtausende!
Mit Namen heißt er Michelangelo. So sehr
Verehr ich ihn, daß ich – nein, habt Geduld, ich muß
Das Ganze euch erzählen.
MICHELANGELO nachdem auf einen Wink den Papstes hin die Türen geschlossen wurden.
Sprich, wo kommst du her?
CELLINI.
Von dir, Gewaltigster!
MICHELANGELO.
Wir werden drüber reden.
Sag, was du willst!
CELLINI.
Dich selbst!
MICHELANGELO.
Sonst nichts?
CELLINI.
Dich selbst, sonst nichts!
Und ich umarmte dich, verbot es nicht die Scheu.
So wunderbar führt jeder Weg zu dir zurück.
MICHELANGELO.
Solange meine Türen nicht verschlossen sind.
CELLINI.
Wozu der Spott? Noch weißt du nichts, als daß das Volk
Mit mir in die Sixtina drang. Vernimm zuerst,
Wie mir geschah! Wohl ging ich, um die Aufregung
Zu dämpfen; doch den Groll trug ich nicht minder noch
Im Herzen gegen den Verstümmler, wie zuvor.
Ich suche zu beschwichtigen. Man höhnt mich aus
Voll Ungeduld und Neugier und Soldatenhaß.
Ich rufe: »Michelangelo hat mich geschickt!«
Mit Schlägen stößt man mich zur Seite. »Drauf und dran!«,
So schrei ich denn, »ich prüft euch nur. In Dreck die Wachen!«
Doch wie man nun dein Werk vor mir entkleidete,
Vergaß ich alles, was da um mich wob und stob:
Den Torrigiano und den Nasenstreit; das Blut,
Das von mir rann; die Welt und allen Zubehör.
Mach, was du willst mit ihm; mach ihn zum Freund und setz
Ihn über mich, nur gönn mir ein vergebend Wort!
MICHELANGELO.
Ein andrer ists, der Aufruhr zu vergeben hat.
Daß du mein Werk enthülltest und die höchste Lust
Daran mir raubtest – seis drum! Was den Torrigiano
Betrifft, so geh ich dir sogar das Wort zurück,
Das du im Überschwange sprachst. Der Papst –
CELLINI sieht den Papst erst jetzt.
Der Papst?
MICHELANGELO.
Nahm sich des Streits inzwischen an und hat den Mann
In alle seine Rechte wieder eingesetzt.
Dir selber als dein Ruhestörer hat zunächst
Er Schloß und Riegel zugedacht. Hör mich zu End!
Wenn du nicht neue Torheit nun begehst, nein frisch
Dich fügst, um wie gesagt mit mir um Torrigiano
Vorm Richterstuhl zu stehn, – du freilich jetzt in Haft,
Und er als freier Mann, – so bist du mehr wie je
Mein Freund, und in der Kasematte teilen wir
Den Wasserkrug und auch die Pritsche. Sonst jedoch –
War dies mein letztes Wort zu dir.
DER PAPST.
Verhaftet ihn!
CELLINI zieht den Degen.
Wer wagt, sich mir zu nähern?
MICHELANGELO.
Ich wags und zwar so!
Schlägt ihm den Degen aus der Faust.
CELLINI.
Was widerfährt mit hier? Was hab ich Niedrieges
Getan? Ists Sünde, vor der Menschheit Höchstem so
Zu glühn, daß die Umgebung davon mitentbrennt?
Mich selber überwinde ich am End, und wie
Ichs tu, und bring mein Herz, von Schönheit ganz zerknirscht,
Als Opfergab auf offner Hand, da schlägt man es
Mir auf den Boden hin. Der Rohling, der er ist,
Soll frei sein, ich in Ketten! Nein!
MICHELANGELO.
Ich warnte dich.
CELLINI.
Mich steckt man in die Kasematte, jener soll
Beileibe nicht dem Urteilsspruch entgehn, wenn er
Auch erst dem jüngsten Richter in die Hände fällt!
DER PAPST.
Cellini Benvenuto, du gibst zu: Du hast
Das Volk, anstatt es zu zerstreuen, zur Sixtina
Geführt und am Portal die Truppen weggedrängt?
CELLINI trotzig.
Und wenn ich mich zum Haupt des Frevels machte, den
Du Aufruhr nennst, ich aber nur Begeisterung?
DER PAPST.
Du gibst auch zu, als sichs um die Durchstöberung
Der Katakomben handelte, jüngst den Krawall
Erregt zu haben?
CELLINI.
Wenn ichs einräum? wer glaubt, daß
Er in Italien dann die Verzückung, die
Vom Musendienste ausgeht, als ein Staatsvergehn
Behandeln darf?
DER PAPST.
Du kennst die Strafe, die in Rom
Nach Stadtgesetzen auf dem Aufruhr steht. Zwiefach
Bist du des Aufruhrs überführt. Beantwort mir
Ein drittes: Wenn ich dir nun als dein Oberhaupt
Gestählte Fesseln an die Hände legen ließe,
Du würdest dich mit deinem Anhang wider mich,
Das Oberhaupt, empören?
CELLINI.
Grausamkeit und Hohn!
DER PAPST.
Sags klar!
MICHELANGELO.
Entscheide!
CELLINI.
Märtyrer, ein Märtyrer
Der Freundschaft bin ich! Weil ich nimmer dulden kann,
Daß man ihm ungestraft zu nahe trat, verrät
Er seine eigne Sache und wird mir zum Feind!
Denn wahrlich: auch empören würd ich mich für ihn,
Und hier ganz Rom, das einstimmt, sagt: Er ist im Recht!
Zurufe und Johlen der Menge.
MICHELANGELO tritt zurück und zu Torrigiano.
Ich nicht! Von heut an bin ich einsamer als je!
DER PAPST indem er die Tiara an einen Kardinal gibt.
So nehm ich die Tiara ab, als wär es schon
Geschehen und geglückt.
Für sich.
Ein Bürschlein, das man, wie
Den Schmetterling, mit Daum und Zeigefinger schon
Zerdrückt, hat es gewagt, mir zu begegnen!
Zu Cellini.
Sag,
Was du nun forderst!
CELLINI zu Michelangelo.
Bleib! Du nimmst mein Leben mit!
Ich liebte dich wie eine Braut den Bräutigam,
Wenn sie zum ersten Male liebt! Du machst mich toll!
Du reißest mir die Zunge aus!
MICHELANGELO.
Es ist vorbei!
CELLINI.
Gericht!
Ich will Gericht! Wen haß ich nicht? Vernimm noch Eins,
Buonarotti! Wenn du mich nun von dir stößt,
So fall ich unterm Henkerschwert, das mir bestimmt ist,
Wie ein Stück Schlachtvieh unterm Beile fällt. Aufs Volk
Ist kein Verlaß. – Doch ehs mir so ergeht, reiß ich
Dich mit!
MICHELANGELO.
Der Satan mag dir Herz und Hirn beschneiden!
CELLINI.
Halloh, du großer Michelangelo! So sag
Mir doch: Wie kommt es denn, daß du den Torrigiano
Einmal verfolgen konntest bis aufs Blut, und nun
Ihn schonst und hegst?
MICHELANGELO.
Was kümmerts dich?
CELLINI.
Die rechte Lust
Von früher an der Grausamkeit schwand dir dahin!
Und sag mir doch, was ists, daß du den Jammermann,
Der dich verspottete, röch er erst freie Luft –
TORRIGIANO.
Das ist nichtswürdige Verleumdung!
CELLINI.
Daß du ihn,
Pietro Torrigiano, diesen Jammermann,
Nicht einmal mehr verachten konntest, als er kam?
MICHELANGELO.
Ich weiß es nicht!
CELLINI.
Ich weiß es, und ich ahnte es!
Ists das: Daß du in jenem Sagenvolk, das Mann
Und Greis zwar kennt, jedoch kein Mittelding davon,
Zu denen zählen würdest, die man vor dem Krieg
Auf einen Baum läßt klettern, um zu sehn, ob sie
Beim Schütteln noch sich droben halten können?
MICHELANGELO.
Sieh
Dich vor, daß dich mein Faustschlag nicht, den Kopf voran,
Durchs Schuhwerk unten treibt!
DER PAPST zu Cellini.
Du hast Gericht verlangt.
CELLINI.
Hei, ich bin mitten drin!
Zu Michelangelo.
Zu dir nichts mehr! Du zuckst
Ja nur noch, statt zu leben; denn mein Wort war Gift.
In stillen Stunden schleichts dich an. Ich kenne dich.
Gegen Torrigiano.
Doch nun zu dem!
DER PAPST von einem Podium herab, auf das man einen Stuhl gestellt hat.
Wohlan! Doch Eins zuvor! Wer mich
Verstand, wenn ich jetzt sprach, erhebe seinen Arm!
Ich stehe nicht aus freier Selbstverfügung hier,
Vielmehr gezwungen durch revoltenhaft Benehmen
Des Edelmanns Cellini. Ich bezähmte mich,
Weil ich den offenen Skandal mir ins Gesicht
Hinein um eine Sache, die dem Tollhaus eher
Als der Vernunft entsprang, des eignen Ansehns wegen,
Und auch dem Staat zulieb verhüten mußte. 's ist
Ein Bruch geschehn. Bei meinem Stab: Ich werde ihn
Verkitten. Wann, womit und wie, das hört ihr noch.
Pause. Cellini erbleicht. Alle, außer ihm, seinem Anhang und Torrigiano erheben den Arm.
Der Papst ist abgesetzt. Zugleich jedoch verlangt
Man, daß ich Richter sei als Papst. Man sieht: es soll
Ein Zwischenzustand sein. Wohlan! Was gibt es nun?
Ich schwöre, daß ich soll und will nach peinlichem
Verhör urteilen, wie Gewissen es und Recht
Verlangen. Schöffe ist mein Kardinalgefolge
Und Auditorium ganz Rom.
Er setzt sich.
CELLINI.
So sprech ich denn!
Ich hier, Cellini Benvenuto, Edelmann,
Geh einem höchsten Richteramte gegen einen
Gewissen Peter Torrigiano zu bedenken
Und zu verfolgen: Daß ich doppelten Verbrechens
Der Gotteslästrung ihn beschuldige: daß ich
Dasselbe Hochgericht ersuche, ihn darnach
Zu fragen, für den Fall der Überführung aber
Die Strafe ihm erwarte, die ich selbst verwirkt,
Wenn ich ihn fälschlich nur der Gotteslästerung
Bezichtigte.
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