Formalitäten weg!

Fürs Erste hat besagter Torrigiano sich

Als Rohling an dem Künstler Michelangelo

Buonarotti, den der Papst aus eigenem

Verkehre kennt, vergangen, und fürs Zweite hat

Er ein Marienbild in Spanien geschändet.

Er wird sich schwerlich unterfangen, seine Schuld

Mir abzuleugnen.

TORRIGIANO.

Um Gehör! Es würde sonst

Durch ein Versäumnis meinerseits das Rechtsverfahrn

Gefährdet. Ich besitze einen Schutzbrief,

 

Er zieht ihn hervor.

 

den

Mir Englands König gab, als ich vor Monaten

Hierher mich wandte.

MICHELANGELO greift darnach.

Diesen Brief – –

TORRIGIANO.

Zerreiße ich!

 

Aufsehen.

 

DER PAPST.

Das gibt zu denken,

 

Zu Cellini.

 

Doch fahr fort! Zu welcher Zeit

Verübte er, weß du ihn schuldig hältst? Sodann:

Was hat ein roh Vergehn an einem Malersmann

Mit Gotteslästerung zu tun? Mir scheint, du bringst

Uns nur verwirrtes Zeug hier vor.

CELLINI.

Was kümmert mich

Die Zeit! Obs sieben oder siebzig Jahre sind,

Seitdem geschah, was hier verurteilt werden muß,

Ist gänzlich einerlei.

DER PAPST.

Gut! Du willst sagen, daß

Das Außerordentliche nicht verjährt. Wie stehts

Nun mit der ersten Lästerung?

CELLINI.

Man überführ

Ihn erst der zweiten! Flieht er doch schon seit dem Tod

Des Cäsar Borgia vorm Gericht! In Spanien

Hat er ein Marmorbild Mariens, an der Wand

Zerschmissen, daß die Stücke sprühten, und verrucht

Die Stücke noch zu Staub zertreten, sage ich.

Die Zeugen –

 

Zwei Männer in fremder Tracht treten vor.

 

DER PAPST zu Torrigiano.

Antwort!

TORRIGIANO.

Es bedarf der Zeugen nicht!

Ich habs getan, doch wars mein eigen Werk. Man bot

Mir einen Schandpreis, weil ich Flüchtling war, und ich

Zerschlugs.

MICHELANGELO.

Ich kanns bestätigen. Auch hätt ichs selbst

Getan.

DER PAPST.

Gleichviel! Man nahm ein Ärgernis daran,

Der Mann beweists. Die Frage drängt sich vor, wieweit

Und ob man vom Beklagten sich der Ketzerei

Versehen muß!

 

Sieht sich nach den Schöffen um, die nicken.

 

MICHELANGELO halb für sich.

Jetzt, Torrigiano, ists um dich

Geschehn.

DER PAPST fortfahrend.

Da mein ich denn, ist es von Wichtigkeit,

Daß jener Schutzbrief, den er vorhin noch zerriß,

Von einem Ketzerkönig stammte.

MICHELANGELO nur halb unterdrückt.

Heuchelei!

DER PAPST.

Ich komme auf die Muttergottesschändung noch

Zurück! Jetzt zu der andern Freveltat,

 

Zu Cellini.

 

Wie machst

Du sie plausibel? Wie und wo ward sie verübt?

CELLINI.

Zuerst das Letztere. Die Tat als solche ist

Mein Haupt- und Kardinalpunkt der Beschuldigung.

Sie ist bekannt von einem Pol zum anderen.

Daß ich es bin, den das Geschick erkoren hat,

Im Angesichte einer ganz verrohten Zeit

Hier vor dem Papst nichts weniger als Blutesbuße

Durchs Rad dafür zu fordern, darauf bin ich stolz;

Wenns mich auch schmerzen muß, so lächerlich verkehrt

Gerade den, um dessentwillen ich hier stehe,

Auf seilen seines Feindes als Verteidiger

Zu sehn. Doch habt Geduld und ich erklär es euch. –

Derselbe Torrigiano, der sich später auch

Am Muttergottesbild vergriff, hat zu Florenz,

Das Werkzeug war die Faust, dem Michelangelo

Buonarotti so das Nasenbein zerschlagen,

Wie man zum Trum entstellt, es heut noch sehen kann.

 

Man drängt sich neugierig hinzu.

 

DER PAPST.

Wenns ans Zertrümmern geht, dann scheinst du groß zu sein!

MICHELANGELO.

Verfluchtes Pack!

CELLINI.

Wie das mit Gotteslästerung

Zusammenhängt?

DER PAPST.

Du hast schon Recht, mein Sohn; denn ich

Errate dich!

CELLINI.

Muß ich das Fundament aufgraben,

Das uns zusammenhält? Der Papst ist, denke ich,

Der Stellvertreter Gottes; sein Gesetz die Kirche,

Die Sitte uns und Recht bedeutet, Ordnung und

Vernunft.

DER PAPST tückisch.

Was du da sagst, ist tief gedacht, doch sprich

Nur zu!

CELLINI.

Wer leugnet nun, daß eine Kunst, die längst

Der Papst in seinen Dienst gestellt hat, unfehlbar

Auch dessen würdig war, somit ihr Schöpfer aber

Als eine heilige Person dastand? Ich weiß,

Er wills nicht sein. Drum eben sieht man ihn statt hier

Beim Gegner stehen.

DER PAPST.

Daß man auch in diesem Fall

Nach Gotteslästrung untersuchen muß, steht fest.

Nun kommts auch hier auf die Gesinnung an, in der

Er handelte. Es ist ein Unterschied, ob er

Dabei als Wüstling oder Ketzer sich entpuppt.

MICHELANGELO.

Was jetzt hier vorgeht, ist so unerhört, als wenn

Ein Faun mit der Gerechtigkeit in Beischlaf läg!

DER PAPST zu Torrigiano.

Zunächst: Hast dus getan?

MICHELANGELO.

Ja wohl. Er hats getan.

DER PAPST.

Ihn fragte ich. Sprich selbst!

TORRIGIANO.

Wozu! Was solls? Ich soll

Hier nicht gerichtet, hingerichtet soll ich werden.

Was änderts da, wenn ich mich wehre? Schwiege ich,

So säh es aber wie ein Zugeständnis aus.

Ich will es euch gestehn, worin ich schuldig bin!

Ich kam nach Rom, nicht um zu leben, sondern um

Zu sterben. Ich wars, den nach Abrechnung verlangte,

Abrechnung mit euch allen, wie ihr auch hier steht.

Doch, hatte ich mein Recht erlangt, so wollt ich selbst

Mich töten. So Stands fest bei mir, noch hier in Rom.

Ich war verhetzt und müde, krank von Lebensneid;

Statt eines Herzens spürt ich einen Ziegel in

Der Brust, und Lumpen hüllten einen siechen Leib.

Mir ziemte nur der Tod, Und das ist nun die Schuld,

Von der ich sprach: Daß ich, als Michelangelo

Mir neue Lebenshoffnung weckte, als der Papst

Mir seinen Bann abnahm, mich doch verführen ließ,

Mein mir gegebnes Wort für nichts zu achten, um

Mit frommer Selbsttäuschung mich drüberwegzusetzen.

So kams, daß ich nun euer Angeklagter bin,

Als ob zu Recht bestünde, daß man mich verfolgt.

Da raffe ich mich mit dem letzten Rest von Kraft,

Und wärs nur so viel, als den Toten, wie man sagt,

Die Nägel und das Haar noch etwas weitertreibt,

Zusammen, und schreis noch einmal hinaus: mir soll

Ein lebenslänglich Unrecht widerfahren sein.

Mich riß man wie ein Unkraut aus der Welt heraus.

Mich will man nun, trotzdem mir Michelangelo

Vergab, trotzdem der Papst den Streit für lachhaft hielt,

Und mich restituierte in mein Bürgerrecht,

Auch noch zertreten, weil man fürchtet, daß ich mir

Mit einem Weibe oder Steine einen Sohn

Noch zeugen möchte, der den Namen weiterträgt.

Ja, ich zerschlug einmal dem Michelangelo

Den Nasenknorpel, daß sein Antlitz Krüppel ward.

Doch führt ich jenen Hieb nur, weil man meinen Fleiß

Verspottete. So ists, und so war ich gesinnt.

Von einer Gotteslästrung kann schon deshalb nicht

Die Rede sein, weil Michelangelo damals

Noch erst ein Knabe war. – Der Künstler selbst bezeugt

Das eine wie das andere.

MICHELANGELO.

Nehmt euch in Acht

Und pfuscht mir nicht! Ich sage mehr: Er hat gebüßt

Wie keiner noch für einen Knabenstreich. Mehr war

Das nicht, was zu Florenz geschah. Ich selbst, indem

Ich ihn verfolgte, bauschte unsern Zwist erst auf.

DER PAPST.

Cellini, wirst du dich verteidigen?

 

Indem er auf einen Schöffen zeigt.

 

Dem dünkt,

Daß Michelangelo damals noch Knabe war,

Das werfe die Bezichtigung ins Nichts zusammen.

MICHELANGELO.

Das ist hier ein Verfahren, wies die Wilden pflegen,

Wenn Kläger und wenn Richter sich verschwägert sind.

Wer hat da noch Geduld?

DER PAPST zu Michelangelo.

Die Unterbrechung ist

Mir stark zuwider,

 

Zu Cellini.

 

Sprich nur zu, mein Sohn!

Wie wirst

Du dich verteidigen? Du weißt, wenn dirs nicht glückt,

Ists um dich selbst geschehn.