Können Sie mich aufnehmen?«

In seinem Eifer packte er mich am Ellbogen und zog mich zum Hause hin. »Hier können Sie so bequem unterkriechen wie in einem Dachsbau. Ich sorge auch dafür, daß niemand schwatzt. Und Sie erzählen mir doch noch mehr von Ihren Abenteuern?«

Als ich unter den Türbogen trat, hörte ich Motorengeräusch. Am dämmernden westlichen Himmel erschien die Silhouette meines Freundes, des Eindeckers.

Er gab mir ein Zimmer hinten im Hause und stellte mir sein Studierzimmer zur Verfügung, das vollgestopft war mit billigen Ausgaben seiner Lieblingsschriftsteller. Die Großmutter bekam ich nicht zu sehen, darum nahm ich an, daß sie bettlägerig war. Eine alte Frau, die Margit hieß, brachte mir die Mahlzeiten, und der Inhaber war zu jeder Tageszeit um mich herum. Ich wollte etwas Zeit für mich selbst haben, darum erfand ich einen Auftrag für ihn. Er hatte ein Motorrad, und am nächsten Morgen schickte ich ihn nach der Tageszeitung aus, die gewöhnlich mit der Post erst spät am Nachmittag kam. Ich bat ihn, die Augen offenzuhalten und es sich gut zu merken, falls er irgendeinen Fremden sah, und besonders scharf nach Autos und Flugzeugen auszuschauen. Dann machte ich mich ernstlich an Scudders Notizbuch.

Mittags kam er mit dem Scotsman zurück. Es stand nichts darin als einige weitere Aussagen von Paddock und dem Milchmann und die Wiederholung der Feststellung von gestern, daß der Mörder London in nördlicher Richtung verlassen habe. Aber ein langer Artikel war aus der Times nachgedruckt über Karolides und die Entwicklung auf dem Balkan; von einem Besuch in London war allerdings nicht die Rede. Es gelang mir, meinen Wirt für den Nachmittag loszuwerden, denn auf meiner Suche nach dem Code hatte ich jetzt eine heiße Spur.

Wie ich schon sagte, war es ein Zahlencode, und mit Hilfe eines umständlichen Systems von Experimenten hatte ich ziemlich genau herausgebracht, wo die Nullen und die Satzzeichen waren. Die Schwierigkeit war das Schlüsselwort, und wenn ich an die Million und mehr Wörter dachte, die Scudder angewandt haben konnte, war ich einigermaßen hoffnungslos. Aber gegen drei Uhr ging mir plötzlich ein Licht auf.

Der Name >Julia Czechenyi< blitzte in meinem Gedächtnis auf. Scudder hatte gesagt, er sei der Schlüssel zu der Karolides-Affäre, und ich kam auf die Idee, ihn an diesem Code auszuprobieren.

Es klappte. Die fünf Buchstaben >Julia< gaben mir die Stellung der Vokale an. A war J, der zehnte Buchstabe des Alphabets, und darum im Code durch X vertreten. E war U, also XXI, und so weiter. >Czechenyi< gab mir die Zahlen für die wichtigsten Konsonanten. Dieses Schema kritzelte ich auf einen Zettel und machte mich daran, Scudders Notizen zu lesen.

Nach einer halben Stunde las ich mit erblaßtem Gesicht, und meine Finger trommelten auf den Tisch.

Ich blickte aus dem Fenster und sah einen großen Tourenwagen das Tal heraufkommen zu meiner Herberge. Er hielt vor der Tür, und ich hörte Leute aussteigen. Es schienen zwei zu sein, Männer in Regenhäuten und Tweedmützen.

Zehn Minuten später schlüpfte der Wirt ins Zimmer mit vor Aufregung blitzenden Augen.

»Unten sind zwei, die suchen Sie«, flüsterte er. »Sie sitzen im Speiseraum und trinken Whisky-Soda. Sie fragten nach Ihnen und sagten, sie hätten gehofft, Sie hier anzutreffen. Oh! Und wie gut sie Sie beschrieben haben, sogar die Stiefel und das Hemd. Ich habe ihnen gesagt, Sie seien gestern abend hier gewesen und heute morgen auf einem Motorrad weggefahren, daraufhin fluchte der eine wie ein Matrose.«

Ich ließ sie mir genau beschreiben. Der eine war ein Dünner mit dunklen Haaren und buschigen Augenbrauen, der andere lächelte immerfort und lispelte. Keiner war ein Ausländer irgendwelcher Art, dessen war mein junger Freund ganz sicher.

Ich nahm einen Zettel und schrieb folgende Worte auf deutsch, als sei es ein Stück von einem Brief:

»...