Sie müssen mich schon auf Treu und Glauben über Nacht behalten, und morgen werden Sie Beweise genug haben, daß da eine Leiche ist.«
Ich überlegte einen Augenblick. »Also gut. Ich vertraue Ihnen für heute nacht. Ich schließe Sie in diesem Zimmer ein und ziehe den Schlüssel ab. Nur eins, Mr. Scudder. Ich glaube, daß Sie in Ordnung sind; aber sollten Sie es nicht sein, so nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich mit einer Schußwaffe gut umgehen kann.«
»Klar doch«, sagte er und sprang mit einiger Munterkeit auf die Füße. »Ich habe nicht den Vorzug, Sie mit Namen zu kennen, aber ich darf Ihnen versichern, daß ich Sie für einen Ehrenmann halte. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie mir ein Rasiermesser leihen könnten.«
Ich führte ihn in mein Schlafzimmer und überließ ihn sich selbst. Nach einer halben Stunde kam eine Gestalt zum Vorschein, die ich kaum erkannte. Nur seine scharfen, hungrigen Augen waren noch dieselben. Er war glattrasiert, das Haar war in der Mitte gescheitelt, er hatte sich die Augenbrauen beschnitten. Auch hielt er sich so stramm, als sei er beim Militär gedrillt worden, sogar das Gesicht war sonnenverbrannt - er war das leibhaftige Ebenbild eines britischen Offiziers, der lange in Indien gedient hat. Sogar ein Monokel hatte er, das er ins Auge klemmte, und selbst die leiseste Andeutung von amerikanischem Tonfall war aus seiner Sprache verschwunden.
»Ach du Dunnerlittchen! Mr. Scudder -« stotterte ich.
»Nicht Mr. Scudder«, verbesserte er mich. »Captain Theophilus Digby vom 40. Gurkha-Regiment, augenblicklich auf Urlaub zu Hause. Wollen Sie sich das gefälligst merken, mein Herr.«
Ich machte ihm im Rauchzimmer ein Bett zurecht und verzog mich auf meine eigene Couch, vergnügter, als ich es seit einem Monat gewesen war. Gelegentlich passierte doch wirklich etwas, selbst in dieser gottverlassenen Weltstadt.
Am nächsten Morgen wachte ich davon auf, daß Paddock, mein Diener, an der abgeschlossenen Tür zum Rauchzimmer fürchterlichen Radau machte. Diesem Paddock hatte ich in Südafrika während des Burenkrieges einen Gefallen getan, und gleich nach meiner Ankunft in England hatte ich ihn mir als Diener gesichert. Seine Zungenfertigkeit war etwa die eines Flußpferdes, und zum Kammerdiener taugte er genauso wenig, aber ich wußte, daß ich mich absolut auf ihn verlassen konnte.
»Hör auf mit dem Krach, Paddock«, sagte ich. »Da drinnen schläft ein Freund von mir, Captain - Captain -« der Name fiel mir nicht ein. »Mach Frühstück für zwei, und dann komm her, ich muß mit dir reden.«
Ich erzählte Paddock eine lange Geschichte, was für ein bedeutender Mann mein Freund sei, seine Nerven seien infolge von Überarbeitung völlig zerrüttet, und er brauche absolute Ruhe. Niemand dürfe wissen, daß er hier sei, sonst würden die Leute vom India Office dauernd gelaufen kommen, und dann wäre der Ministerpräsident samt seiner Ruhekur ruiniert. Ich muß schon sagen, Scudder machte prächtig mit, als er zum Frühstück erschien. Genau wie ein britischer Offizier fixierte er Paddock durch sein Monokel, fragte ihn über den Burenkrieg aus und verpaßte mir einen Haufen Zeugs über nicht existierende gemeinsame Freunde. Paddock konnte es sich nicht angewöhnen, mich mit >Sir< anzureden, aber Scudder gegenüber beobachtete er diese Anrede so peinlich, als hinge sein Leben davon ab.
Ich überließ Scudder der Zeitungslektüre und einem Kistchen Zigarren und ging bis zum Mittag in die Stadt. Als ich zurückkam, machte der Liftmann ein wichtiges Gesicht.
»Böse Sache hier heute morgen, Sir. Der Herr von Nr.
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