Das Elend dieser Familien ist nicht zu schildern; und aus solchen Häusern hörten wir immer wieder die schaurigsten Aufschreie; vor Entsetzen brüllten diese armen Menschen, zu Tode erschrocken über den Anblick des Zustands ihrer teuersten Lieben und durch die Gefangenschaft, in der sie sich befanden, außer Fassung gebracht.

Ich erinnere mich – und während ich dies schreibe, dünkt es mich, ich höre alles wieder lebendig – an eine gewisse Dame, die ein recht beträchtliches Vermögen besaß, und an ihre einzige Tochter, ein junges Mädchen von etwa neunzehn Jahren. Sie waren Alleinbewohner des Hauses, in dem sie lebten. Das junge Mädchen, ihre Mutter und eine Magd waren aus irgendeinem Anlaß, ich weiß nicht mehr, aus welchem, außerhalb gewesen, ihr Haus war also nicht verschlossen; aber etwa zwei Stunden, nachdem sie heimgekommen waren, klagte die junge Dame, ihr sei nicht wohl; in einer weiteren Viertelstunde mußte sie sich erbrechen und hatte einen heftigen Kopfschmerz. »Geb’s Gott«, sagte die Mutter, furchtbar erschrocken, »das Kind wird doch nicht die Seuche haben!« Der Kopfschmerz steigerte sich, die Mutter ließ das Bett wärmen und beschloß, sie ins Bett zu tun, und bereitete alles für eine Schwitzkur vor, welches gewöhnlich die Maßnahme war, die man ergreifen mußte, wenn die ersten Zeichen einer Ansteckung sich einstellten.

Während das Bett auslüftete, entkleidete die Mutter das junge Mädchen, und eben als man es ins Bett legte, entdeckte sie, mit einer Kerze den Körper der Tochter ableuchtend, plötzlich auf der Innenseite der Schenkel die tödlichen Zeichen. Die Mutter, nicht fähig, an sich zu halten, warf die Kerze zu Boden und stieß einen so markerschütternden Schrei aus, daß es genügt hätte, das stumpfeste Herz der Welt mit Grauen zu erfüllen; und es blieb nicht bei einem Aufschreien, sondern da der Schrecken sich ihrer Geister bemächtigt hatte, fiel sie erst in Ohnmacht, faßte sich darauf wieder, rannte durch das ganze Haus, die Treppen hinauf und die Treppen hinunter, wie eine Wahnsinnige, und wahnsinnig war sie in der Tat auch wirklich und hörte einige Stunden nicht zu schreien und zu heulen auf, so vollständig war sie von Sinnen oder zumindest außer Gebrauch ihrer Vernunft; und wie man mir sagte, ist sie nie wieder ganz zur Besinnung gekommen. Was das junge Mädchen angeht, so war es von dem Augenblick an so gut wie eine Leiche, denn der Brand, welcher die Flecken hervorruft, hatte sich über den ganzen Körper ausgebreitet, und sie starb in weniger denn zwei Stunden. Aber die Mutter hörte immer noch nicht zu heulen auf, obwohl sie von ihrem Kind nichts mehr wußte, bis mehrere Stunden nach dessen Tod. Es ist schon so lange her, daß ich nicht mehr ganz sicher bin, aber ich glaube, die Mutter erholte sich nicht wieder, sondern starb zwei oder drei Wochen danach.

Dies war ein außergewöhnlicher Fall, und ich bin deshalb mehr auf seine Einzelheiten eingegangen, weil ich mit ihnen so nahe in Berührung gekommen bin; aber solch ähnlicher Fälle gab es unzählige, und es war selten, daß das wöchentliche Sterberegister erschien, ohne daß darauf zwei oder drei verzeichnet waren, die am Schreck gestorben waren. Da konnte man also wirklich von zu Tode Erschrockenen sprechen. Aber außer denen, die so erschraken, daß sie auf der Stelle starben, gab es viele, die der Schreck auf andere Art außer sich gebracht hatte; manche waren von Sinnen, manche verloren das Gedächtnis, manche den Verstand. Aber ich kehre zu dem Schließen der Häuser zurück.

Wie einige Leute also aus ihren Häusern, nachdem sie eingeschlossen waren, durch List entkamen, so taten andere es, indem sie die Wachleute bestachen und ihnen Geld gaben, daß sie sie heimlich in der Nacht hinausgehen ließen. Ich muß gestehen, ich hielt dies seiner Zeit für die unschuldigste Art von Bestechung, deren jemand sich schuldig machen konnte, und fühlte deshalb nur Mitleid mit den armen Kerlen, und sah es als sehr hart an, als drei solcher Wachmänner öffentlich durch die Straßen gepeitscht wurden, weil sie Leute hatten aus gesperrten Häusern entweichen lassen.

Aber trotz dieser Strenge verfehlte Geld bei den armen Männern seine Wirkung nicht, und viele Familien fanden einen Weg, sich auf solche Art davonzuschleichen, nachdem man sie eingeschlossen hatte; aber dies waren für gewöhnlich solche, die einen Ort hatten, zu dem sie ihre Zuflucht nehmen konnten; und obschon es nach dem 1. August nicht mehr leicht war, in irgendeiner Richtung die Straßen zu passieren, so gab es immer noch viele Wege des Durchkommens; und insbesondere hatten manche Leute, wie ich es schon andeutete, Zelte und stellten sie im Freien auf, brachten Betten mit oder Stroh, um darauf zu liegen, und Vorräte zum Essen, und so lebten sie wie die Einsiedler in der Klause, denn niemand hätte sich ihnen zu nähern getraut; und verschiedene Geschichten wurden über solche Leute erzählt, einige komisch, einige tragisch; manche lebten wie die wandernden Pilger in der Wüste und kamen nur davon, indem sie auf eine Weise das Leben von Verbannten führten, wie man es kaum für möglich halten möchte, und doch genossen sie mehr Freiheit, als unter den Umständen zu erwarten gewesen wäre.

Ich habe die Geschichte zweier Brüder und ihres Vetters vorliegen, die unverheiratet, aber zu lange in der Stadt zurückgeblieben waren, um hinauszukommen, und auch durchaus nicht gewußt hätten, wo sie eine Bleibe hätten finden können, noch die Mittel besaßen, um weit zu reisen; diese verfielen auf einen Ausweg zur Selbsterhaltung, der, obschon er an sich zuerst verzweifelt erschien, doch so natürlich war, daß man sich wundern mag, warum nicht mehr Menschen ihn zu der Zeit beschritten. Sie waren nicht besonders vermögend, aber auch nicht so ganz arm, daß sie sich nicht einige der kleinen Annehmlichkeiten hatten verschaffen können, die dazu dienen, Leib und Seele zusammenzuhalten; und als sie die Seuche so erschreckend um sich greifen sahen, beschlossen sie sich zu helfen, so gut es ging, und zu verschwinden.

Einer von ihnen war in den letzten Kriegen Soldat gewesen und zuvor schon in den Niederlanden, und da er außer dem Waffenhandwerk keinen eigentlichen Beruf erlernt hatte und zudem verwundet gewesen war und deshalb keine schwere Arbeit verrichten konnte, hatte er eine Zeitlang bei einem Schiffszwieback-Bäcker in Wapping eine Stelle gehabt.

Der Bruder dieses Mannes war wohl ein Seemann, aber auf diese oder jene Art war er am Bein verletzt worden, so daß er nicht auf See gehen konnte, und hatte bei einem Segelmacher in Wapping oder nahebei sein Brot verdient; und da er gut haushalten konnte, hatte er etwas Geld gespart und war von den dreien der reichste.

Der dritte, der Vetter, war Zimmermann oder Schreiner von Beruf, ein geschickter Bursche, und er besaß nichts als seinen Kasten oder Korb mit Werkzeugen, mit deren Hilfe er zu jeder Zeit überall seinen Lebensunterhalt verdienen konnte, ausgenommen eine Zeit wie damals, und er wohnte in der Nähe von Shadwell.

Sie gehörten alle zu der Pfarre Stepney, und da dies der letzte Sprengel war, der von der Seuche ergriffen wurde, jedenfalls mit Heftigkeit, blieben sie dort, bis sie deutlich sahen, daß die Pest im Westen der Stadt nachließ und auf den Osten zukam, wo sie wohnten.
Die Geschichte dieser drei Männer – wenn der Leser einverstanden ist, daß ich sie in deren eigenem Wortlaut wiedergebe, ohne für die Einzelheiten zu bürgen oder mich für Fehler verantwortlich zu wissen – will ich in aller Ausführlichkeit bringen, da ich glaube, sie ist ein sehr gutes Beispiel, dem jeder Unbemittelte folgen könnte, wenn die gleiche allgemeine Katastrophe wieder einmal hier bei uns hereinbrechen sollte; und wenn keine solche Notwendigkeit, vor der Gott in seiner unendlichen Güte uns bewahren wolle, vorliegt, so mag die Geschichte trotzdem auf so vielerlei Art von Nutzen sein, daß niemand, so hoffe ich, je sagen kann, ihre Erzählung sei ohne Gewinn gewesen.

Dies alles schicke ich der Geschichte voraus, doch bevor ich meinen eigenen Part aufgebe, habe ich fürs erste noch eine Menge mehr zu sagen.

Die ganze Anfangszeit über ging ich unbesorgt in den Straßen umher, obwohl nicht so unbedacht, daß ich mich in eine offenbare Gefahr gestürzt hätte, ausgenommen als sie die große Grube auf dem Friedhof in unserer Pfarre Aldgate aushoben. Eine mächtige Grube war das, und ich konnte meiner Neugier nicht widerstehen, sie mir anzusehen.

Soweit ich es abschätzen konnte, maß sie etwa vierzig Fuß in der Länge, etwa fünfzehn bis sechzehn Fuß in der Breite und, zu der Zeit, wo ich sie zum erstenmal anschaute, ungefähr neun Fuß in der Tiefe; aber es heißt, sie gruben sie auf der einen Seite später bis auf zwanzig Fuß tief, bis sie des Grundwassers wegen nicht mehr tiefer gehen konnten; sie hatten nämlich, so scheint es, schon mehrere Gruben vorher ausgehoben. Obwohl die Pest auf unseren Sprengel lange genug in Anmarsch war, so gab es doch, als sie dann da war, keine Pfarre in oder um London, wo sie mit solcher Heftigkeit wütete wie in den beiden Pfarren Aldgate und Whitechapel.