Aber in der nächsten Woche brach es wieder aus, und das Unheil griff auf zwei oder drei weitere Pfarrsprengel über, nämlich: St. Andrew in Holborn und St. Clement Danes; und, was ein schwerer Schlag für die City war, einer starb innerhalb der Stadtmauern, in der Pfarre St. Mary Woolchurch, das heißt, an der Bearbinder Lane, nicht weit von Stocks Market; im ganzen waren neun an der Pest und sechs an Fleckfieber gestorben. Es stellte sich allerdings bei näherer Untersuchung heraus, daß der Franzose, der an der Bearbinder Lane verstorben war, vorher am Long Acre gewohnt hatte, also in der Nähe des infizierten Hauses, und aus Angst vor der Krankheit verzogen war, nicht ahnend, daß er bereits angesteckt war. Dies war Anfang Mai, doch das Wetter hielt sich mäßig, veränderlich und ziemlich kühl, so daß die Leute wieder Hoffnung schöpften.
Was ihnen Mut machte, war, daß die City gesund blieb; die siebenundneunzig Stadtpfarren begruben zusammen nur vierundfünfzig Tote, und wir setzten schon darauf, daß das Übel, da es sich doch hauptsächlich unter den Menschen jener Vorstadt gezeigt hatte, nicht weiter um sich greifen werde; und das um so eher, als in der folgenden Woche, das heißt, vom 9. bis 16. Mai, nur drei Personen starben, und davon nicht eine einzige innerhalb der City oder der Stadtfreiheit; und St. Andrew begrub nur fünfzehn, was sehr wenig war. Zwar begrub St. Giles dreiunddreißig, aber da nur einer davon ein Pestkranker war, begannen die Leute aufzuatmen. Das Gesamtregister hatte einen ebenfalls sehr niedrigen Stand; in der voraufgehenden Woche war er nur 347 gewesen, in der erwähnten Woche nur 343. Wir blieben einige Tage lang in der zuversichtlichen Stimmung, aber es waren nicht viele Tage, denn die Leute ließen sich jetzt nicht mehr so leicht täuschen. Sie drangen in die Häuser ein und mußten die Feststellung machen, daß die Seuche sich in Wirklichkeit überallhin ausgebreitet hatte und daß Tag für Tag viele an ihr starben. So war alle unsere Schönfärberei dahin, und es ließ sich nichts mehr verbergen; ja, es wurde sehr rasch offenbar, daß die Anstekkung so weit vorgedrungen war, daß die Hoffnung auf ein Zurückgehen nicht mehr bestand; in der St. Giles Pfarre herrschte sie schon in einer ganzen Reihe von Straßen, und manchmal lagen ganze Familien miteinander darnieder; und dementsprechend zeigte sich der Verlauf der Dinge nun auch im wöchentlichen Totenregisterauszug. Zwar gab man da nur vierzehn Pestfälle an, aber das war natürlich alles abgefeimte Irreführung, denn in der St. Giles Pfarre allein begruben sie vierzig im ganzen, von denen es feststand, daß die meisten an der Pest gestorben waren, obwohl für sie andere Todesursachen angegeben wurden; und mochte auch die Zahl aller Beerdigungen dort nicht mehr als zweiunddreißig betragen und die Gesamttotenziffer bei nur 385 stehen, so waren doch vierzehn Fleckfieberfälle darunter und an Pestfällen waren es ebenfalls vierzehn; und so nahmen wir es als ausgemacht hin, daß insgesamt mindestens fünfzig Personen in der Woche an der Pest verstorben waren.
Der nächste Registerauszug war für die Zeit vom 23. bis 30. Mai, und die Zahl der Pestkranken betrug siebzehn.
Aber Beerdigungen waren in St. Giles dreiundfünfzig, eine erschreckliche Zahl! – von denen man nur neun für die Pest angab; aber als auf Ersuchen des Lordbürgermeisters die Friedensrichter der Sache genauer auf den Grund gingen, stellte sich heraus, daß in Wahrheit zwanzig Personen mehr in der Pfarre an der Pest verschieden waren, jedoch als Fleckfieber- oder andere Krankheitsfälle angegeben worden waren, neben weiteren, die man überhaupt unterschlagen hatte.
Aber dies waren noch Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was gleich nachkam; denn jetzt setzte heißes Wetter ein, und von der ersten Juniwoche an griff die Ansteckung in schrekkenerregender Weise um sich, und die Zahlen im Totenregister stiegen. Die verschiedenartigsten Fieberkrankheiten, Fleckfieber und Mundfäule wurden sehr häufig; denn jeder, der seine Krankheit verbergen konnte, tat es, damit nicht seine Nachbarn sich von ihm abwandten und sich weigerten mit ihm zu verkehren, auch damit nicht die Behörden ihn in seinem Hause einschlössen, was, obwohl noch nicht durchgeführt, so doch bereits angedroht war.
Schon der Gedanke daran brachte die Leute in äußerstes Entsetzen.
In der zweiten Woche im Juni begrub St. Giles, der Sprengel, in dem immer noch das Hauptgewicht der Verseuchung lag, 120 Tote, von denen, obwohl das Register nur achtundsechzig zugab, wie jedermann wußte mindestens 100 Pesttote waren, wenn man es sich nach der sonst in der Pfarre üblichen Zahl von Beerdigungen wie oben ausrechnete.
Bis zu diesem Zeitpunkt war die City verschont geblieben; in allen siebenundzwanzig Pfarren war niemand gestorben, wenn man von dem einen Franzosen, den ich vorher erwähnte, absieht.
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