Therese aber las weiter:
»... >Vier Uhr nachmittags bist du da, benimmst dich nett und
hilfst am andern Morgen den Geburtstag mitfeiern. Nach Kaisers Geburtstag kommt Mamas Geburtstag. Das
ist Poggenpuhlscher Katechismus. Und nun zieh dich an und geh eine Stunde spazieren. Denn du stehst
da wie Silvester in seiner letzten Stunde.
Die beiden jüngeren Schwestern klatschten in die Hände,
ja, selbst Therese, soviel sie an diesem Übermut auszusetzen
hatte, freute sich des Besuchs. Nur die Mutter sagte: »Ja,
da soll ich mich nun freuen. Aber kann ich mich freuen? Herkommen
wird er ja wohl gerade mit dem Geld, aber wenn er hier ist, müssen
wir ihm doch ein paar gute Tage machen, und wenn er auch bescheiden
in seinen Ansprüchen ist, so muß er doch den dritten
Tag wieder zurück, und dafür müssen wir aufkommen.«
»Sprich doch nicht immer davon«, sagte Therese.
»Ja, Therese, du denkst immer, ein Livreediener wird dir eine Kassette bringen mit der
Aufschrift >Dem tapferen Hause
Poggenpuhl
»Ach, Mama«, sagte Sophie, »damit mußt du
dir die Vorfreude nicht verderben. Es geschehen noch Zeichen und
Wunder, so hat er geschrieben, und wenn sie nicht geschehen, so
laß ich mir auf meine letzten Bilder einen Vorschuß
geben, und wenn auch das nicht geht, so... «
»Nun, so haben wir immer noch die Zuckerdose«, warf
Manon ein.
»Ja, die soll jedesmal aushelfen. Aber mit einemmal ist sie
doch weg.«
»Was schließlich auch nichts täte«, fuhr Manon beschwichtigend fort.
»Dann schenken uns Bartensteins eine neue; Frau Bartenstein sagte mir noch neulich:
>Liebe Manon, haben Sie denn gar keinen
Wunsch?
»Du vergißt immer, daß er des Königs Rock
trägt.«
»Ach, Therese, das ist ja kleinlich und altmodisch und ganz
überholt. Unser Kronprinz ist Kronprinz und trägt auch
des Königs Rock, und wenn er noch nicht bei Bartensteins
war, so war er doch woanders. Aber ebenso.«
»Nun, wir werden ja sehen«, sagte Therese, die zwar
kritisch zu den Bartensteins stand, aber schließlich auch
froh war, daß sie existierten.
Drittes Kapitel
Der nächste Tag kam. Als es am Nachmittag schon dämmerte,
hielt eine Droschke vor dem Hause, und Mutter und Töchter
sahen alsbald vom Fenster aus, wie Friederike nach vergnüglicher
Begrüßung mit Leo den kleinen Offizierskoffer vom Kutscherbock
nahm und an Agnes Nebelung vorbei - die, weil sie den Leutnant
gern sehen wollte, dicht neben dem Trottoir Aufstellung genommen
- auf die Haustür zuschritt. Leo folgte. Schon auf der von
den Schwestern en échelon besetzten Treppe wurden Küsse
gewechselt, oben aber stand die Mama. »Tag, meine gute Alte«,
und nun wieder ein Kuß. Allerhand konfuse Sätze, die
gar nicht paßten, flogen hin und her, und nun trat Leo von
der guten Stube her in das einfensterige Wohnzimmer, legte Paletot
und Säbel ab, zupfte vor dem Spiegel seinen etwas raufgerutschten
Waffenrock zurecht und sagte, während er sich mit einem strammen
Ruck vom Spiegel her umdrehte: »Na, Kinder, da wär ich
mal wieder. Wie findet ihr mich?«
»Oh, wundervoll.«
»Danke schön. So was tut immer wohl, wenn's auch nicht
wahr ist, man kann beinahe sagen, es erquickt. Aber apropos, Erquickung.
Trotz der frischen Luft, ich bin kolossal durstig; seit sieben
Stunden nichts als eine Sardellensemmel; wenn ihr ein Glas Bier
hättet.«
»Gewiß, gewiß. Friederike kann ein Seidel echtes
holen.«
»Nein, nein; nichts holen. Und wozu? Wasser tut's auch«,
und er stürzte mit einem Zug ein Glas Wasser hinunter, das
ihm Manon gereicht hatte. »Brr. Aber gut.«
»Du bist so hastig«, sagte Manon. »Das bekommt
dir nicht. Ich denke, du trinkst nun erst eine Tasse Kaffee. Wir
haben jetzt halb fünf. Und um sieben dann einen Imbiß.«
»Sehr gut, Manon, sehr gut. Nur die Reihenfolge läßt
sich vielleicht ändern.
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