»Wenn nicht der beiden Welten,« setzt Yvernes hinzu.

In der Erwartung, sich hiervon noch später zu überzeugen, läßt sich zwei Minuten nach drei Viertel acht Uhr in englischer Sprache folgende telephonische Mittheilung vernehmen:

»Calistus Munbar entbietet seinen Guten Morgen allen verehrlichen Mitgliedern des Concert-Quartetts und ersucht sie, sobald sie dazu fertig sind, herunter zu kommen, um im Dining-room des Excelsior-Hôtels das erste Frühstück einzunehmen.

– Excelsior-Hôtel! rief Yvernes. Der Name dieser Caravanserei klingt vielversprechend!

– Calistus Munbar, das ist unser so ungemein zuvorkommender Amerikaner, bemerkt Pinchinat, und der Name ist großartig!

– Liebe Freunde, ruft der Violoncellist, dessen Magen ebenso selbstwillig ist wie sein Eigenthümer, da der Morgenimbiß aufgetragen ist, wollen wir frühstücken, und nachher…

– Nachher… spazieren wir durch die Stadt, fällt Frascolin ein. Doch welche Stadt in aller Welt kann das sein?«

Da unsre Pariser ihre Morgentoilette schon so ziemlich vollendet haben, antwortet Pinchinat telephonisch, daß sie sich binnen fünf Minuten die Ehre geben werden, Herrn Calistus Munbar’s Einladung nachzukommen.

Bald darauf begeben sie sich nach dem Personenaufzug, der sich sofort in Bewegung setzt und sie in die monumentale Vorhalle des Hôtels hinunter befördert. An der Rückseite der Flur liegt die Thür nach dem Dining-room, einem großen, in reichem Goldschmuck erglänzenden Saale.

»Ganz zu Ihren Diensten, meine Herren, ganz zu Ihrem Befehl!«

Der Herr vom vorigen Abend ist es, der diesen Satz von zehn Wörtern ausspricht. Er gehört dem Typus von Persönlichkeiten an, von denen man sagen kann, daß sie sich gleich selbst vorstellen. Erscheint es nicht, als ob man mit ihnen schon lange oder richtiger, schon »von jeher« bekannt wäre?

Calistus Munbar kann zwischen fünfzig und sechzig Jahre zählen, sieht aber höchstens wie ein mittlerer Vierziger aus. Er ist über mittelgroß, ziemlich beleibt und hat starke Gliedmaßen. Gesund und kräftig, zeigt er sichre Bewegungen –

kurz, er »platzt« vor Gesundheit, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist.

Dem Sebastian Zorn und seinen Collegen sind solche Leute –

deren giebt es ja in den Vereinigten Staaten nicht so wenige –

schon oft in den Weg gelaufen. Der gewaltige, kugelrunde Kopf Calistus Munbar’s strotzt von noch blondem, üppigem Haar, das auf- und abschwankt, wie Baumlaub unter dem Winde; sein Teint ist recht frisch; der ziemlich lange, rothgelbe Bart läuft in zwei Spitzen aus; den Schnurrbart hat er wegrasiert; der an den Lippenwinkeln etwas hinausgezogene Mund erscheint lächelnd, sogar scherzhaft; die Zähne gleichen blendendweißem Elfenbein; die an der Spitze etwas verdickte Nase, mit leicht beweglichen Flügeln und mit zwei lothrechten Falten unter der Stirn solid befestigt, trägt einen Klemmer, der von einer seinen, gleich einem Seidenfaden schmiegsamen silbernen Schnur gehalten wird. Hinter den Gläsern des Klemmers blitzt ein bewegliches Auge mit grünlicher Iris auf, deren Pupille wie von Kohlengluth erleuchtet aussieht. Dieser Kopf ist mit den Schultern durch einen wirklichen Stiernacken verbunden und der Rumpf auf fleischigen Ober-, nebst tüchtigen Unterschenkeln über etwas großen Füßen aufgebaut.

Calistus Munbar trägt ein weites, katechufarbenes Jacket von Diagonalstoff. Aus der Tasche an der Seite lugt der Zipfel des Taschentuchs hervor. Die stark ausgeschnittne Weste wird von drei goldnen Knöpfen geschlossen gehalten. Von einer Tasche derselben zur andern hängt bogenförmig eine schwere Kette, die an dem einen Ende einen Chronometer, am andern einen Pedometer trägt, ohne die Breloques, die in ihrer Mitte klimpern und klirren. Dieser Goldschmuck wird noch vervollständigt durch einen wahren Rosenkranz von Ringen, womit die vollen, rosenrothen Finger verziert sind. Das tadellos weiße, steife und glanzgeplättete Hemd läßt drei schöne Diamanten sehen und läuft in einen breit zurückgeschlagenen Kragen aus, unter dem eine nicht recht zu bezeichnende Cravatte, mehr nur ein braunrother Galon, herabhängt. Das Beinkleid aus streifigem Stoffe mit weiten Falten verengert sich nur über den mit Aluminiumagraffen geschlossenen Schuhen.

Die Physiognomie dieses Yankee ist im höchsten Maße ausdrucksvoll – die Physiognomie der Leute, die an nichts zweifeln und »die noch ganz andre Dinge gesehen haben«, wie man zu sagen pflegt. Der brave Mann weiß offenbar, was er will, und ist obendrein energisch, was man an der Spannkraft seiner Muskeln und an der sichtbaren Zusammenziehung seines Masseters erkennt. Endlich lacht er gern, und das recht laut, doch mehr durch die Nase als durch den Mund, also in einer Art Kichern, einem hennitus, wie es die Physiologen nennen.

Das ist dieser Calistus Munbar. Beim Eintritt des Quartetts lüftet er den breitkrämpigen Hut, dem eine Feder à la Ludwig XIII. nicht übel angestanden hätte. Er drückt den vier Künstlern die Hände und führt sie dann nach einer Tafel, worauf der Theekessel siedet und der landesübliche Braten dampft.