– Also abgemacht! erwidert der Amerikaner. Wir brechen sofort auf, sind binnen zwanzig Minuten am Ziele, und ich weiß, daß Sie mir dafür Dank wissen werden.«
Selbstverständlich hatten sich nach den Hurrahs, die der executierten Katzenmusik folgten, die Fenster der Häuser sogleich wieder geschlossen. Die Lichter erloschen und Freschal verfiel aufs neue in tiefen Schlaf.
Von dem Amerikaner geführt, begeben sich die Musiker nach dem Kremser, bringen darauf ihre Instrumente unter und nehmen im hintern Theile des Gefährtes Platz, während sich ihr gefälliger Führer ganz vornhin neben den Mechaniker setzt.
Dann wird ein Hebel umgelegt, die elektrischen Accumulatoren treten in Wirkung, der Wagen rückt von der Stelle und kommt sehr bald in rasche Bewegung nach Westen hinaus.
Nach einer Viertelstunde leuchtet ein ausgebreiteter weißlicher Schein auf, ein die Augen blendendes Durcheinander von leuchtenden Strahlen. Da liegt also eine Stadt, von deren Vorhandensein unsre Pariser gar keine Ahnung hatten.
Der Kremser hält an und Frascolin sagt:
»Aha, da wären wir ja an der Küste.
– An der Küste… nein, entgegnet der Amerikaner. Das ist nur ein Strom, den wir zu überschreiten haben.
– Doch auf welche Weise? fragt Pinchinat.
– Mittelst der Fähre hier, die gleich unsern Wagen aufnimmt.«
In der That liegt vor ihnen eines der in den Vereinigten Staaten so häufigen Ferry-boats, auf das der Wagen sammt Insassen hinüberrollt. Ohne Zweifel wird dieses Ferry-boat durch Elektricität angetrieben, denn es stößt keinen Dampf aus, und schon zwei Minuten später legt es nach Ueberschreitung des Wassers an der Quaimauer eines Bassins im Hintergrunde eines Hafens an.
Der Kremser rollt nun durch über Land führende Alleen weiter und dringt in eine Parkanlage ein, über die hoch oben angebrachte elektrische Lampen helles Licht ausgießen.
Am Gitter dieses Parks öffnet sich ein Thor, der Zugang zu einer breiten und langen, mit tönenden Platten belegten Straße.
Fünf Minuten später steigen unsre Künstler am Vorbau eines eleganten Hôtels aus, wo sie auf ein Wort des Amerikaners hin mit vielversprechender Zuvorkommenheit empfangen werden.
Man geleitet sie sofort nach einer luxuriös ausgestatteten Tafel, und sie nehmen – wie sich wohl voraussetzen läßt, mit bestem Appetit – ein reichliches Abendessen ein.
Nach Beendigung desselben führt sie der Oberkellner nach einem sehr geräumigen Zimmer mit mehreren Glühlampen, die durch niederzulassende Schirme in mild leuchtende Nachtlampen verwandelt werden können. Die Erklärung aller dieser Wunder von dem kommenden Morgen erwartend, schlummern sie endlich in den die vier Zimmerecken einnehmenden bequemen Betten ein und schnarchen mit der außergewöhnlichen Uebereinstimmung, der das Concert-Quartett seinen künstlerischen Ruhm verdankt.
Drittes Capitel
Ein redseliger Cicerone
Am frühen Morgen, gegen sieben Uhr, erschallen nach täuschender Nachahmung des Tones einer Trompete – gleich dem ersten Signal bei der Reveille eines Regiments – im gemeinschaftlichen Zimmer folgende Worte oder richtiger Rufe:
»Allons!… Hopp!… Auf die Füße… und in zwei Tempos!«… womit Pinchinat den jungen Tag einleitet.
Yvernes, das bequemste Mitglied des Quartetts, hätte gewiß drei, oder noch lieber vier, Tempos vorgezogen, um sich aus den molligen Hüllen des Bettes zu schälen. Doch auch er muß dem Beispiele seiner Kameraden folgen und die horizontale Lage gegen die verticale Haltung vertauschen.
»Wir haben keine einzige Minute zu verlieren! bemerkt Seine Hoheit.
– Freilich, schließt Sebastian Zorn sich ihm an, denn morgen müssen wir unbedingt in San Diego sein.
– Schon recht, erwidert Yvernes, ein halber Tag wird ja ausreichen, die Stadt unsers liebenswürdigen Amerikaners zu besuchen.
– Was mich verwundert, läßt sich Frascolin vernehmen, ist, daß überhaupt eine so bedeutende Stadt in der Nähe von Freschal liegt!… Wie mocht’ es nur kommen, daß unser Coachman davon kein Sterbenswörtchen gesagt hat?
– Die Hauptsache bleibt doch, daß wir hier sind, alter G-Schlüssel,« bemerkt Pinchinat.
Durch zwei große Fenster dringt reichliches Licht ins Zimmer, das auf etwa eine Meile Länge Aussicht nach einer schönen, mit doppelter Baumreihe geschmückten Straße bietet.
Die vier Freunde beginnen nun in einem behaglichen Nebenraume ihre Toilette, übrigens eine kurze und leichte Arbeit, denn alles ist hier nach den neuesten Verbesserungen eingerichtet: Drehhähne für warmes und kaltes Wasser zur beliebigen Mischung, Waschgeschirre, die sich durch Achsendrehung selbstthätig entleeren, Fuß- und Handwärmer, Zerstäuber mit wohlriechenden Flüssigkeiten, die nach Belieben in Function treten, durch den elektrischen Strom bewegte Ventilatoren, mechanisch bewegte Bürsten, so daß man an die einen nur den Kopf, an die andern die Kleidung oder die Stiefeln zu halten braucht, um erstere gereinigt, letztere blank gewichst zu bekommen.
Des weiteren, ohne die elektrische Uhr und die elektrischen Oelfläschchen, die sich durch einen Fingerdruck nach Bedarf ergießen, zu rechnen, setzen Klingeltasten oder Telephone die verschiednen Theile der ganzen Anlage mit dem Zimmer in sofortige Verbindung.
Und Sebastian Zorn nebst seinen Kameraden kann von hier aus nicht allein mit dem Hôtel sprechen, sondern auch mit den verschiednen Theilen der Stadt, ja vielleicht gar – das ist wenigstens Pinchinat’s Ansicht – mit jeder beliebigen Stadt der Vereinigten Staaten.
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