So verhandeln sie denn auch nur auf englisch mit dem Führer der Coach.
Dieser brave Mann hat am schlimmsten zu leiden, da er, als die Vorderachse des Wagens brach, von seinem erhöhten Sitz heruntergeschleudert wurde. Zum Glück beschränkte sich das auf verschiedne mehr schmerzhafte als ernste Contusionen.
Immerhin kann er in Folge einer Verstauchung nicht auftreten und also nicht gehen, und daraus ergibt sich die Nothwendigkeit, ein Hilfsmittel zu finden, um den Mann wenigstens bis ins nächste Dorf zu schaffen.
Es ist wirklich ein Wunder zu nennen, daß bei dem Unfall niemand das Leben eingebüßt hat. Der Weg schlängelt sich nämlich durch eine sehr bergige Gegend, streift da und dort an schroffe Abgründe oder wird von rauschenden Bergströmen begleitet und häufig durch kaum zu passirende Furthen unterbrochen. Wäre der Bruch am Vordertheil des Wagens nur eine kurze Strecke weiter oben erfolgt, so wäre das Gefährt ohne Zweifel über das Felsengeröll des Abhangs hinuntergestürzt und vielleicht wäre bei dieser Katastrophe keiner mit dem Leben davongekommen.
Jedenfalls war die Coach jetzt aber nicht weiter zu benutzen.
Dazu liegt eines der beiden Pferde, das sich mit dem Kopfe an einen spitzen Stein gestoßen hat, röchelnd am Boden. Das andre ist an der Hanke ziemlich schwer verletzt. Da fehlte es nun an einem Wagen ebenso wie an einem Gespann dafür.
Die vier Künstler waren auf dem Boden Nieder-Californiens überhaupt von einem seltenen Pech verfolgt worden und hatten binnen vierundzwanzig Stunden nun zwei Unfälle erlitten.
Wenn man da aber nicht gerade Philosoph ist…
Zu jener Zeit stand San Francisco, die Hauptstadt des Staates, schon durch einen Schienenstrang in unmittelbarer Verbindung mit San Diego, das fast an der Grenze der alten Provinz Californien liegt. Nach dieser bedeutenden Stadt begaben sich die vier Künstler, die dort am übernächsten Tage ein vielfach angezeigtes und mit Spannung erwartetes Concert geben sollten. Am Tage vorher von San Francisco abgefahren, befand sich der Zug kaum noch fünfzig (amerikanische) Meilen von San Diego, als sich zuerst ein »aus dem Tempo kommen«
ereignete.
Jawohl, ein aus dem Tempo kommen, wie der Lustigste der kleinen Gesellschaft sagte, und diesen Ausdruck wird man einem alten Schüler des Noten-abc schon freundlich nachsehen.
An der Station Paschal hatte es einen unfreiwilligen Aufenthalt, nämlich deshalb gegeben, weil der Bahndamm durch ein plötzliches Hochwasser auf eine Strecke von drei bis vier Meilen zerstört worden war. Erst zwei Meilen weiter hin konnte man die Eisenbahn wieder besteigen, und eine Ueberführung der Reisenden war auch noch nicht eingerichtet, weil sich der Unfall erst vor wenigen Stunden ereignet hatte.
Nun gab es nur eine Wahl: entweder zu warten, bis die Bahn wieder fahrbar war, oder in der nächsten Ortschaft einen Wagen bis San Diego zu miethen.
Das Quartett hatte den zweiten Ausweg gewählt. In einem benachbarten Dorfe entdeckten sie glücklich eine Art alten Landauers mit rasselndem Eisenwerk, dessen Inneres von Motten zerfressen und alles andre als einladend war. Mit dem Besitzer um den Fahrpreis einig geworden, hatten sie den Kutscher noch durch das Versprechen eines reichlichen Trinkgeldes bestochen und waren nur mit den Instrumenten, ohne das übrige Reisegepäck, wohlgemuth davongerollt. Das war gegen zwei Uhr Nachmittag, und bis sieben Uhr ging die Fahrt auch ohne große Schwierigkeit und Anstrengung von statten. Dann sollten sie aber zum zweiten Male »aus dem Tempo kommen«, indem die alte Kutsche umstürzte, und zwar so unglücklich, daß sich eine Weiterbenutzung derselben ganz von selbst verbot.
Jetzt befand sich das Quartett noch reichlich zwanzig Meilen von San Diego entfernt.
Ja, warum hatten sich denn die vier Musiker – von Nation Franzosen und, was noch mehr sagen will, von Geburt Pariser
– in diese unwirthlichen Gebiete Nieder-Californiens verirrt?
Warum?… Das werden wir sofort kurz mittheilen und werden dabei mit einigen Zügen die vier Virtuosen abmalen, die der Zufall, der phantastische Rollenvertheiler, den Persönlichkeiten der nachfolgenden merkwürdigen Geschichte zugesellen sollte.
Im Laufe des betreffenden Jahres – wir können es nur auf etwa dreißig Jahre genau bestimmen – hatten die Vereinigten Staaten von Amerika die Zahl der Sterne in ihrer Bundesflagge verdoppelt. Sie stehen in der vollen Entfaltung ihrer industriellen und commerciellen Macht, nachdem sie das Dominium von Canada bis zur äußersten Grenze am Polarmeere, doch auch die Gebiete von Mexiko, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Costarica bis zum Panamacanale ihrem Bundesstaate einverleibt hatten. Gleichzeitig hatte sich bei den länderraubenden Yankees die Neigung für die Kunst entwickelt, und wenn auch ihr eignes Schaffen im Gebiete des Schönen noch recht beschränkt blieb, wenn der Nationalgeist sich gegen die Malerei, die Bildhauerkunst und die Musik noch etwas widerstrebend erwies, so hatte sich der Geschmack an den Werken der schönen Künste bei ihnen doch allgemein verbreitet. Dadurch, daß sie die Gemälde alter und neuer Meister mit Gold aufwogen, um private oder öffentliche Sammlungen zu füllen, und daß sie berühmte lyrische oder dramatische Künstler, ebenso wie die besten Instrumentalisten oft für unerhörte Preise heranzogen, hatten sie sich endlich den ihnen so lange mangelnden Sinn für schöne und edle Dinge allmählich eingeimpft.
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