Auf Standard-Island existiert auch eine Polizei – nur einige schwache Rotten, die aber völlig hinreichen für die Sicherheit einer Stadt in der keine Ursache vorliegt, diese Sicherheit gestört zu sehen. Es bedarf ja stets besondrer Genehmigung der obersten Verwaltungsbehörde, um sich hier häuslich niederzulassen. Die »Küsten« sind Tag und Nacht durch eine Abtheilung Zollbeamter überwacht. Nur in den Häfen ist eine Landung überhaupt möglich. Wie sollten Uebelthäter also Eingang finden? Was etwa Leute beträfe, die sich erst hier Ungebührlichkeiten zu Schulden kommen ließen, so würden solche kurzer Hand verhaftet, abgeurtheilt und im Westen oder Osten des Großen Oceans irgendwo an der Neuen oder Alten Welt ausgesetzt werden, so daß sie nach Standard-Island niemals zurückkehren könnten.
Wir bedienten uns des Ausdrucks: Die Häfen von Standard-Island; deren giebt es in der That zwei, und zwar an beiden Enden der kurzen Durchschnittslinie des Ovals, das die Schraubeninsel bildet. Der eine heißt Steuerbord-, der andre Backbordhafen, entsprechend den im Seewesen gebräuchlichen Bezeichnungen.
Auf keinen Fall ist eine Unterbrechung der regelmäßigen Zufuhren zu befürchten. Das kann nicht vorkommen, weil jene Häfen auf einander entgegengesetzten Seiten liegen. Sollte nun der eine in Folge schlechter Witterung unzugänglich sein, so steht doch der andre den Schiffen offen, die die Insel also bei jeder Windrichtung anlaufen können. Entweder im Backbord-oder im Steuerbordhafen treffen also die verschiednen, nothwendigen Waaren ein, das Petroleum mit Specialdampfern, Mehl und Feldfrüchte, Wein, Bier und andre beliebte Getränke, ferner Thee, Kaffee, Chocolade, Gewürze, Conserven u. s. w. – Hier landet man auch Rinder, Hammel und Schweine von den besten Märkten Amerikas, wodurch der Bedarf an frischem Fleisch gedeckt wird, und überhaupt alles, was selbst die verwöhntesten Feinschmecker von Nahrungs-und Genußmitteln nur wünschen können. Ebenso erfolgt hier der Import von Stoffen, Leinenwaaren und Modeartikeln, wie sie der raffinierteste Dandy und die eleganteste Weltdame nur verlangen können. Alle diese Gegenstände kauft man dann bei den Zwischenhändlern auf Standard-Island… zu welchem Preise, wollen wir lieber verschweigen, um nicht die Ungläubigkeit des freundlichen Lesers zu erwecken.
Dagegen liegt die Frage nahe, wie ein regelmäßiger Dampferverkehr möglich war zwischen der Küste Amerikas und einer Insel mit Propellern, die sich selbst fortbewegte und sich heute in dieser Gegend, und morgen zwanzig Meilen weiter befand?
Die Antwort ist sehr einfach. Standard-Island segelt nicht aufs Geradewohl umher. Die Ortsveränderung der Insel erfolgt nach einem von der obersten Verwaltungsbehörde festgesetzten Programme, nachdem darüber die Anschauung der Meteorologen des Observatoriums eingeholt war. Ihre Fahrt ist ein Spaziergang mit nur geringen gelegentlichen Abweichungen durch den Theil des Stillen Oceans, der die herrlichsten Inselgruppen umschließt, und unter möglichster Vermeidung schroffen Witterungswechsels, dieser mächtigsten Ursache für vielerlei Lungenkrankheiten. Deshalb konnte Calistus Munbar auch auf eine diesbezügliche Frage antworten:
»Winter?. Kennen wir nicht!« Standard-Island bewegt sich nur zwischen fünfunddreißig Grad nördlicher und fünfunddreißig Grad südlicher Breite. Bei siebzig Breitengraden oder etwa vierzehnhundert Seemeilen steht ihm ein prächtiges Wassergebiet offen. Die andern Schiffe wissen also das Juwel des Großen Oceans stets zu finden, da seine Ortsveränderung zwischen jenen reizenden Inseln, die ebensoviele Oasen in der grenzenlosen Wasserwüste des Großen Oceans bilden, stets im voraus festgestellt ist.
Doch auch ohnedem wären andre Schiffe nicht darauf hingewiesen, die Schraubeninsel hier oder dort auf gutes Glück zu sachen, obwohl die Compagnie deshalb nicht die fünfundzwanzig – sechzehntausend Meilen langen – Kabel in Anspruch nahm, die der Eastern Extension Australasia and China Co. gehören. Nein, die Schraubeninsel darf von niemand abhängig sein! Das erreichte man durch Vertheilung von mehreren hundert Bojen auf den befahrenen Meerestheilen, Bojen, die das Ende elektrischer Kabel tragen, welche mit der Madeleinebucht in Verbindung stehen. Diese Bojen läuft man an, verbindet deren Kabel mit den Apparaten des Observatoriums und sendet nun die nöthigen Depeschen ab.
Dadurch werden die Vertreter der Compagnie in der Madeleinebucht bezüglich geographischer Länge und Breite der Lage von Standard-Island immer auf dem Laufenden erhalten. So erkärt es sich, daß der Dienst der Proviantschiffe mit wirklicher »Eisenbahnverläßlichkeit« von statten geht.
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