– Das kann uns auch gleichgiltig sein, meint Frascolin.

– Frage lieber, nimmt Sebastian Zorn wieder das Wort, ob sich in dem Neste, dem Freschal, ein Gasthaus vorfindet.

– Ja wohl, das giebt’s; dort hätten wir einen kurzen Halt gemacht.

– Und um nach diesem Dorfe zu gelangen, brauchen wir nur der Landstraße zu folgen?

– Ganz gradeaus.

– Dann also marsch! befiehlt der Violoncellist.

– Es wäre doch grausam, den wackern Mann hier in seiner Noth liegen zu lassen, bemerkt Pinchinat. He, guter Freund, wenn wir Sie nun unterstützten, könnten Sie dann nicht…

– Ganz unmöglich! antwortet der Kutscher. Uebrigens ziehe ich es vor, hier, bei meinem Wagen zu bleiben. Wenn’s erst wieder Tag wird, werd’ ich schon sehen, wie ich fortkomme.

– Wenn wir in Freschal sind, bemerkt Frascolin, könnten wir Ihnen ja Hilfe schicken.

– Ja, der dortige Gastwirth kennt mich und wird mich nicht in der Noth sitzen lassen.

– Geht’s nun fort? mahnt der Violoncellist, der seinen Instrumentenkasten schon aufgerichtet hat.

– Sofort, erwidert Pinchinat. Vorher wollen wir unsern Kutscher nur dort an die Erdwand hinüberschaffen.«

Natürlich war es einfache Menschenpflicht, den Mann von der Landstraße wegzubringen, und da er sich seiner schwerverletzten Beine nicht bedienen konnte, hoben Pinchinat und Frascolin ihn auf, trugen ihn nach der Seite des Weges und lagerten ihn zwischen die oberirdischen Wurzeln eines dicken Baumes, dessen herabhängende, unterste Zweige fast eine Blätterlaube bildeten.

»Na, wird’s nun endlich? drängt Sebastian Zorn zum dritten Male, nachdem er sich den Violoncellkasten schon mittelst mehrerer Riemen so gut wie möglich auf den Rücken geschnallt hatte.

– So, das wäre geschehen,« sagte Frascolin gelassen.

Dann wendet er sich noch einmal an den Wagenführer.

»Es bleibt also dabei; der Gastwirth von Freschal sendet Ihnen Hilfe. Haben Sie bis dahin vielleicht noch ein besonderes Bedürfniß, guter Freund?

– Ach ja, antwortet der Mann, nach einem tüchtigen Schluck Gin, wenn in Ihren Korbflaschen davon noch etwas übrig ist.«

Pinchinat’s Flasche ist noch ganz voll, und Seine Hoheit bringt willig das kleine Opfer.

»Nun, Männchen, sagt er lächelnd, damit werden Sie die Nacht über wenigstens innerlich nicht frieren!«

Eine letzte dringliche Mahnung des Violoncellisten bestimmt seine Gefährten endlich, sich in Bewegung zu setzen. Es ist ein Glück, daß deren sonstiges Gepäck im Güterwagen des Zugs geblieben ist, statt daß sie es mit auf die Coach verladen hätten.

Trifft dasselbe in San Diego auch mit einiger Verspätung ein, so bleibt unsern Musikern doch die Beschwerde erspart, es jetzt nach dem Dorfe Freschal zu befördern. Es ist schon genug an den Violinenkästen, und an dem Violoncellkasten mehr als genug. Ein seines Namens würdiger Instrumentalist trennt sich freilich niemals von seinem Instrumente – so wenig, wie ein Soldat von seinen Waffen oder eine Schnecke von ihrem Hause.

Zweites Capitel

Die Wirkung einer kakophonischen Sonate

Im Finstern und zu Fuß auf unbekannter Straße hinzuziehen, obendrein inmitten einer fast öden Gegend, wo Uebelthäter im allgemeinen weniger selten sind als Reisende, hat immer etwas Beunruhigendes an sich. In dieser Lage befand sich nun unser Quartett. Franzosen sind ja am Ende muthig, und die hier sind es in besonderm Maße. Doch zwischen dem Muthe und der Furchtsamkeit verläuft noch eine Scheidelinie, die von der gesunden Vernunft nicht übersehen werden darf. Wäre die Eisenbahn nicht durch eine von plötzlichem Hochwasser überfluthete Gegend verlaufen und wäre die Coach fünf Meilen vor Freschal nicht umgestürzt, so hätte sich unsre kleine Künstlerschaar nicht in die Zwangslage versetzt gesehen, des Nachts auf dieser verdächtigen Straße hinzuwandern. Hoffen wir indeß, daß ihr dabei kein Unheil zustößt.