Sie sind Heiden! – frohlockte Andreas und setzte den Teller ab.
Das Dörrgemüse, das die anderen »Drahtverhau« nannten, schmeckte ihm weniger. Dennoch leerte er den Teller. Er hatte dann das befriedigende Gefühl, eine Pflicht erfüllt zu haben, wie wenn er ein rostiges Gewehr blank geputzt hätte. Er bedauerte, daß kein Unteroffizier kam, um die Geschirre zu kontrollieren. Sein Teller war sauber, wie sein Gewissen. Ein Sonnenstrahl fiel auf das Porzellan, und es glänzte. Das nahm sich aus wie ein offizielles Lob des Himmels.
Am Nachmittag kam die längst angekündigte Prinzessin Mathilde in einer Krankenschwestertracht. Andreas, der in seiner Abteilung das Zimmerkommando führte, stand stramm an der Tür. Die Prinzessin gab ihm die Hand, und er verneigte sich, wider Willen, obwohl er sich vorgenommen hatte, stramm zu bleiben. Seine Krücke fiel zu Boden, die Begleiterin der Prinzessin Mathilde bückte sich und hob sie auf.
Die Prinzessin ging, hinter ihr die Oberschwester, der Oberarzt und der Priester. »Alte Nutte!« sagte ein Mann von der zweiten Bettreihe. »Unverschämt!« schrie Andreas. Die anderen lachten. Andreas wurde zornig. Er befahl: Betten in Ordnung bringen, obwohl alle Decken sauber und vorschriftsmäßig dreimal gefaltet waren. Niemand rührte sich. Einige begannen, ihre Pfeifen zu stopfen.
Da kam der Gefreite Lang, ein Ingenieur, dem der rechte Arm fehlte und vor dem auch Andreas Respekt hatte, und sagte: »Reg dich nicht auf, Andreas, wir sind ja alle arme Teufel!«
Es wurde sehr still in der Baracke; alle sahen den Ingenieur an, Lang stand vor Andreas und sprach. Man wußte nicht, ob er zu Andreas oder zu den anderen oder auch nur für sich selbst sprach. Er blickte zum Fenster hinaus und sagte: »Die Prinzessin Mathilde wird jetzt sehr zufrieden sein. Auch sie hat einen schweren Tag hinter sich. Sie besucht jeden Sonntag vier Krankenhäuser. Denn es gibt, müßt ihr wissen, schon mehr Krankenhäuser als Prinzessinnen und mehr Kranke als Gesunde. Auch die scheinbar Gesunden sind krank, viele wissen es nur nicht. Vielleicht machen sie bald Frieden.«
Einige räusperten sich. Der Mann in der zweiten Bettreihe, der vorher »alte Nutte« gesagt hatte, hustete laut. Andreas humpelte zu seinem Bett, nahm vom Kopfbrett eine Schachtel Zigaretten und rief den Ingenieur herbei. »Gute Zigarette, Herr Doktor!« sagte Andreas. Er nannte den Ingenieur »Doktor«.
Lang sprach wie ein Heide, aber auch wie ein Geistlicher. Vielleicht, weil er so gebildet war. Aber immer hatte er recht.
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