Man hatte Lust, ihm zu widersprechen, und fand keine Argumente. Er mußte recht haben, wenn man ihm nicht widersprechen konnte.

Am Abend lag der Ingenieur auf dem Bett in Kleidern und sagte: »Wenn die Grenzen wieder offen sind, fahre ich weit weg. Es wird nichts mehr zu holen sein in Europa.«

»Wenn wir nur den Krieg gewinnen«, sagte Andreas.

»Alle werden ihn verlieren«, erwiderte der Ingenieur. Andreas Pum verstand es nicht, aber er nickte achtungsvoll, als müßte er dem Lang recht geben.

Indessen nahm er sich vor, im Lande zu bleiben und künstlerische Postkarten in einem Museum zu verkaufen. Er sah ja ein, daß für Gebildete vielleicht kein Platz war. Sollte der Ingenieur etwa Parkwächter werden?

Andreas hatte keine Angehörigen. Wenn andere Besuche empfingen, ging er hinaus und las ein Buch aus der Spitalsbibliothek. Er war oft nahe daran gewesen zu heiraten. Aber die Furcht, daß er zu wenig verdiente, um eine Familie zu erhalten, hatte ihn gehindert, um Anny, die Köchin, die Näherin Amalie, das Kindermädchen Poldi anzuhalten.

Er war mit allen drei nur »gegangen«. Sein Beruf war allerdings auch nicht für junge Frauen. Andreas war Nachtwächter in einem Holzlager außerhalb der Stadt und nur einmal in der Woche frei. Seine eifersüchtige Natur hätte ihm die ruhige Freude am gewissenhaft ausgeführten Dienst gestört oder diesen ganz unmöglich gemacht.

Einige schliefen und schnarchten. Der Ingenieur Lang las. »Soll ich abdrehen?« fragte Andreas.

»Ja«, sagte der Ingenieur und legte das Buch weg.

»Gute Nacht, Doktor«, erwiderte Andreas. Er knipste das Licht ab. Er zog sich im Dunkeln aus. Seine Krücke lehnte an der Wand zur rechten Seite.

Andreas denkt, ehe er einschläft, an die Prothese, die ihm der Oberarzt versprochen hat. Es wird eine tadellose Prothese sein, wie sie der Hauptmann Hainigl trägt. Man merkt gar nicht, daß ihm ein Bein fehlt. Der Hauptmann geht frei, ohne Stock durchs Zimmer, als hätte er nur ein kürzeres Bein. Die Prothesen sind eine großartige Erfindung der hohen Herren, der Regierung, die es sich wirklich etwas kosten läßt. Das muß man sagen.

 

Kap. 2

Die Prothese kam nicht. Statt ihrer kam die Unordnung, der Untergang, die Revolution. Andreas Pum beruhigte sich erst zwei Wochen später, nachdem er aus den Zeitungen, den Vorgängen, den Reden der Menschen entnommen hatte, daß auch in Republiken Regierungen über die Schicksale des Landes walteten. In den großen Städten schoß man auf die Empörer. Die heidnischen Spartakisten gaben keine Ruhe. Wahrscheinlich wollten sie die Regierung abschaffen. Sie wußten nicht, was dann folgen würde. Sie waren schlecht oder töricht, sie wurden erschossen, es geschah ihnen recht.