Zum erstenmal durchdrang ihn eine Erkenntnis von der Ungerechtigkeit derjenigen, die zu befehlen und zu bestimmen hatten. Plötzlich fühlte er, daß seine Muskeln zuckten, sein Mund sich verschob, sein rechtes Augenlid zu flackern begann. Ein freudiger Schrecken überfiel ihn. Er humpelte davon. Seine Muskeln beruhigten sich. Sein Augenlid flackerte nicht mehr.
Er schlief nicht ein. Im Finstern kleidete er sich an, und ohne Krücken, um die Schlafenden nicht zu wecken, die Hände auf den Kopf des Bettes und auf den Tisch stützend, schwang er sein Bein zum Fenster und ließ den Oberkörper nachfolgen. Er sah ein Stück der nächtlichen Wiese und das schimmernde, weiß gestrichene Gitter. Länger als eine Stunde stand er so und dachte an einen Leierkasten.
Es ist ein heller Sommernachmittag. Andreas steht im Hof eines großen Hauses, im Schatten eines alten, breiten Baumes. Es mag eine Linde sein. Andreas dreht die Kurbel seines Kastens und spielt: »Ich hatt' einen Kameraden«. Oder: »Draußen vor dem Tore« oder die Nationalhymne. Er ist in Uniform. Er trägt sein Kreuz. Aus allen offenen Fenstern fliegen Münzen, in Seidenpapier eingewickelte. Man hört den gedämpften Metallklang des fallenden Geldes. Kinder sind da. Dienstmädchen lehnen über die Fensterbrüstungen. Sie achten der Gefahr nicht. Andreas spielt.
Der Mond kam über den Rand des Waldes, der vor den Baracken lag. Es wurde hell. Andreas fürchtete, seine Kameraden könnten ihn entdecken. Er wollte nicht mitten in der fahlen Helle stehen. Er schwang sich wieder ins Bett.
Zwei Tage lebte er still und versonnen.
Die Kommission kam. Jeder wurde einzeln hereingerufen. Ein Mann stand an der Portiere, welche die Kommission vor den Augen der wartenden Invaliden verbarg. Der Mann schlug jedesmal die Portiere zurück und warf einen Namen hinaus. Jedesmal löste sich ein gebrechlicher Körper aus der Reihe der anderen, schwankte, humpelte, polterte und verschwand hinter dem Vorhang.
Die gemusterten Invaliden kamen nicht mehr zurück. Sie mußten den Saal durch einen anderen Ausgang verlassen.
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