Andreas hatte niemals an die Möglichkeit solcher Ereignisse in der wirklichen Welt gedacht. Weil er aber das Bildnis häufig betrachten mußte, wurde es ihm vertraut und glaubhaft wie irgendein anderer täglich genossener Anblick. Es war fast nichts mehr Märchenhaftes an solch einer Verzauberung. Wunderbarer als der Vorgang selbst waren die bunten Farben, in denen er dargestellt erschien. Andreas' Augen tranken die ölige Sattheit dieser Farben, und es berauschte sich seine Seele an der klangvollen Harmonie, mit der ein blutendes Rot in ein sehnsüchtiges Orange des Abendhimmels im Hintergrund verfloß.

Zeit zu solchen Betrachtungen hatte er zu Hause genug. Allerdings war sein Heim nicht eines jener Art, in dem der Mensch etwa den ganzen Tag verweilen kann. Es bestand vielmehr aus einer Bettstelle in einem, wie es Andreas vorkam, geräumigen Zimmer. In diesem schliefen außer Andreas noch ein Mädchen und ihr Freund. Sie hieß Klara und er Willi. Sie war stellvertretende Kassierin in einem kleinen Kaffeehaus und er ein arbeitsloser Metalldreher. Willi arbeitete nur einmal in der Woche und auch dann nicht in seinem Berufe. Er führte einen Handwagen durch die Straßen, um Zeitungspapier einzukaufen. Am Abend brachte er seine Waren dem Althändler. Von jedem Pfund erhielt Willi ein Drittel. Denn auch das geringe Betriebskapital lieh ihm der Althändler. Es war klar, daß Willi von seinen Einnahmen nicht leben konnte. Er lebte von Klara. Sie hatte Nebenverdienste. Er war eifersüchtig. Aber in der Nacht, wenn sie sich beide unter der dünnen Decke fanden, suchte er zu vergessen, wovon er lebte, und es gelang ihm. Am nächsten Morgen blieb er liegen, wenn Klara und Andreas längst aufgestanden waren. Er blieb den ganzen Tag zu Hause und ließ Andreas nicht vor dem Anbruch der Nacht ins Zimmer. Das begründete er immer mit dem Wort: »Ordnung muß sein!« Denn er war weit davon entfernt, Andreas, den Krüppel, etwa zu hassen. Er liebte die Ordnung. Andreas Pum hatte eine Schlafstelle, aber keine Wohnung. Es ist so in der Welt eingerichtet, daß jeder nur das genießen darf, was er bezahlen kann.

Auch Andreas war mit dieser Ordnung zufrieden und kam pünktlich nach Anbruch der Dämmerung. Er kochte Tee auf einer Spiritusmaschine. Willi trank den in einem Wasserglas verdünnten Spiritus, Andreas den Tee. Er aß dazu ein Brot. Willi lieferte manchmal die Wurst.