Du bist ihr natürlicher Beschützer. Ich kann mein Kind keinem Mächtigen dieses Landes vermählen, denn sie sind ein zuchtloses und sich selbst zerstörendes Geschlecht. Ich bände sie an den Schweif eines gepeitschten Rosses! Ringsherum keine Burg, an der nicht Mord klebte! Soll mir mein Kind in einem Hauszwist oder in einer Blutrache untergehen? Ja, fände ich für sie einen Guten und Starken wie du bist, dann wäre ich ruhig und könnte dich freigeben, du hättest weiter keine Pflicht an ihr zu erfüllen. Ich weiß ihr keinen Gatten als allein Gnadenreich, und der besitzt das Land, nach der Verheißung, als ein Sanftmütiger, kann es aber gegen die Gewalttätigen nicht behaupten, deren Zahl hier Legion ist. Erst seine Söhne werden kraft meines Blutes Männer sein. Bis diese kommen und wachsen, wirst du schon deine gepanzerte Hand über Gnadenreich und Palma halten und die Herrschaft führen müssen. Denn ewig reitest du nicht mit dem Kaiser. Vielleicht auch, wer weiß, erhebt er dich zum Grafen über diesen Gau, oder dann erhältst du von mir eine Burg, jene« – sie wies auf einen Turm am Horizonte – »oder eine andere, nach deinem Gefallen. Oder du hausest hier auf meinem eigenen festen Malmort.« Sie legte ihm vertrauend die Hand auf die Schulter.

»Aber, Frau«, sagte er, »du lebst!« und sie erwiderte: »Solang ich lebe, herrsche ich.«

»Dann hat es keine Eile«, antwortete er. »Daß der Schwester nichts geschehen darf, versteht sich und gelobe ich dir. Doch jetzt muß ich reiten, heute! in einer Stunde!«

»Zum Kaiser? Du hast ihm bereits meinen ortserfahrenen Rudio geschickt mit der sichern Kundschaft, daß die Lombarden sich am Mons Maurus befestigen und dort noch ein blutiger Sturm wird gegen sie geführt werden müssen. Herr Karl sitzt in Mediolanum, wie wir wissen. So braucht es dir nicht zu eilen.«

»Ich lag schon zu lange hier, mich verlangt in den Bügel«, sagte der Höfling und die Richterin erwiderte nachgiebig: »Dann schenkst du mir noch diesen Tag. Ich sähe es gerne, wenn du Palma verlobtest. Warum Gnadenreich sich hier nicht blicken läßt? Er hält sich wohl in seinem Pratum eingeschlossen, der Lombarden halber, vorsichtig wie er ist, obschon, wie ich glaube, diese hier verstoben sind. Weißt du was? Geh und bring ihn. Oder wüßtest du deiner Schwester einen bessern Mann?«

»Nein, Frau, wenn sie ihn mag! Doch was habe ich dabei zu raten und zu tun? Das ist deine Sache und die des Pfaffen, der sie zusammengibt. Ich will den Rappen satteln gehen, den du mir geschenkt hast.«

Sie blickte ihn mit besorgten Augen an. »Was ist dir, Wulfrin? Du siehst bleich! Ist dir nicht wohl hier? Und mit Palma gehst du um wie mit einer Puppe, du stößest sie weg und dann hätschelst du sie wieder. Du verdirbst mir das Mädchen. Wo hast du solche Sitte gelernt?«

»Sie ist aufdringlich«, sagte er. »Ich liebe freie Ellbogen und kann es nicht leiden, daß man sich an mich hängt. Sie läuft mir nach, und wenn ich sie schicke, weint sie. Dann muß ich sie wieder trösten. Es ist unerträglich! Ich habe die Gewohnheit breiter Ebenen und großer Räume – auf diesem Felsstück ist alles zusammengeschoben. Das Gebirge drückt, der Hof beengt, der Strom schüttert – an jeder Ecke, auf jeder Treppe dieselben Gesichter! Verwünschtes Malmort! Hier hältst du mich nicht. Hier lasse ich mich nicht einmauern. Mache dir keine Rechnung, Frau.«

»Du tust mir wehe«, sagte sie.

Die harte Rede reute ihn. »Frau, laß mich ziehen!« bat er. »Und daß du dich zufriedengebest, hole ich dir heute noch den Gnadenreich und wir verloben die Schwester.