Krause Haare prächtige Ware!«

»Halt das Maul, Drud!« schrie dem Mütterchen der Knecht Dionys ins Ohr, »es ist der Bruder!« und sie versetzte »Das sage ich ja, Dionys: der Gnadenreich ist ein tröstlicher und auferbaulicher Herr, aber der da ist ein gewaltiger stürmender Krieger! O du glückseliges Pälmchen!« und so unziemlich schwatzte sie noch lange, wenn man sie nicht zurückgedrängt und ihr den frechen Mund verhalten hätte. Denn die Morgenandacht begann und von einer entfernteren Gruppe wurde schon die Litanei angestimmt. Wie von selbst ordnete sich der Frühdienst, einen Halbkreis bildend, in dessen Mitte die Richterin den schleppenden Gesang leitete, der dieselben Rhythmen und Satze immer dringender und leidenschaftlicher wiederholend den Himmel über Malmort anrief.

Wulfrin, welcher er wußte nicht wie an das eine Ende des andächtigen Kreises geraten war, erblickte sich gegenüber die Schwester. Alles hatte sich niedergeworfen, er und die Richterin ausgenommen. Seine Blicke hingen an Palma. Auf beiden Knieen liegend, die Hände im Schoß gefaltet, sang sie eifrig mit den jungen rätischen Mägden. Aber das Freudefest, das sie in der vollen Brust mit dem endlich erlangten Bruder, dem neuen und guten Gesellen feierte, strahlte ihr aus den Augen und jubelte ihr auf den Lippen, daß die Litanei darüber verstummte. Die geöffneten gaben durch die Lüfte den Kuß des Bruders zurück Und jetzt sich halb erhebend, streckte sie auch die Arme nach ihm. Nur eine flüchtige Gebärde, doch so viel Glut und Jugend ausströmend, daß Wulfrin unwillkürlich eine abwehrende Bewegung machte, als würde ihm Gewalt angetan. »Der Wildling!« lachte er heimlich. »Aber die wird dem wackern Gnadenreich zu schaffen machen! Ich muß ihm noch das wilde Füllen zähmen und schulen, daß es nicht ausschlage gegen den frommen Jüngling! Warte du nur!«

Und um die Erziehung zu beginnen, wendete er sich, da die Richterin das Amen sprach und Palma gegen ihn aufsprang, von ihr ab, geriet aber an Frau Stemma, die seine Hand ergriff, ihn feierlich in die Mitte führte und mit eherner Stimme zu reden begann: »Meine Leute! Wer von euch, Mann oder Weib, so alt ist, daß er vor jetzt sechzehn Jahren hier stand, während ich den Comes empfing, der davon herkam euren erschlagenen Herrn den Judex zu rächen – wer so alt ist und dabei gegenwärtig war, der bleibe! Ihr Jüngern, lasset uns, auch du, Palma!«

Sie gehorchten. Palma zog sich schmollend in den äußersten Burgwinkel zurück, eine halbrunde Bastei, die, ein paar Stufen tiefer als der Hof, über dem senkrechten Abgrunde ragte, durch welchen die Bergflut in ungeheurem Sturze zu Tale fiel. Sie setzte sich auf die breite Platte der Brüstung, blickte, den Arm vorgestützt, in den schneeweißen Gischt hinein, der ihr mit seinem feinen Regen die Wange kühlte, und hörte in dem Tumulte der Tiefe nur wieder den Jubel und die Ungeduld des eigenen Herzens.

Im Hofe hinter ihr ging inzwischen die rechtliche Handlung ihren Schritt und Rede und Gegenrede folgte sich, rasch und doch gemessen, nach dem Winke der Richterin.

»Hier steht der Sohn des Comes. Ihr seid ihm die Wahrheit schuldig. Saget sie. Habet ihr das Bild jener Stunde?«

»Als wäre es heute« – »Ich sehe den Comes vom Rosse springen« – »Wir alle« – »Dampfend und keuchend« – »Du kredenztest« – »Drei lange Züge« – »Mit einem leerte er den Becher« – »Er sank« – »Wortlos« – »Er lag.«

»Bei eurem Anteil am Kreuze?« fragte sie.

»So und nicht anders. Bei unserm Anteil am Kreuze!« antwortete der vielstimmige Schwur.

»Wulfrin, ich bitte dich, du blickst zerstreut! Wo bist du? Nimm dich zusammen!«

Hastig und unwillig erhob er die Hand.

Die Richterin faßte ihn am Arm. »Kein Leichtsinn!« warnte sie. »Frage, untersuche, prüfe, ehe du mich freigibst! Du begehst eine ernste, eine wichtige Tat!«

Wulfrin machte sich von ihr los. »Ich gebe die Richterin frei von dem Tode des Comes und will verdammt sein, wenn ich je daran rühre!« schwur er zornig.

Der Burghof begann sich zu leeren. Wulfrin starrte vor sich hin und vernahm, so überzeugt er von der Unschuld der Richterin war und so erleichtert, mit einer häßlichen Sache fertig zu sein – dennoch vernahm er aus seinem Innern einen Vorwurf, als hätte er den Vater durch seinen Unmut und seine Hast preisgegeben und beleidigt. So stand er regungslos, während die Richterin langsam auf ihn zutrat, sich an seiner Brust emporrichtete und ihm Kette und Hifthorn leicht über das Haupt hob.

»Als Pfand meiner Freigebung und unsers Friedens«, sagte sie freundlich. »Ich kann seinen Ton nicht leiden.« Und sie schritt durch den Hof die Stufen hinunter und hinaus auf die Bastei und schleuderte das Hifthorn mit ausgestreckter Rechten in die donnernde Tiefe.

Jetzt kam Wulfrin zur Besinnung und eilte ihr nach, das väterliche Erbe zurückzufordern. Er kam zu spät. In den betäubenden Abgrund blickend, der das Horn verschlungen hatte, hörte er unten einen feindlichen Triumph wie Tuben und Rossegewieher. Sein Ohr hatte sich in den Ebenen der lauten Rede entwöhnt, welche die Bergströme führen. Als er wieder aufschaute, war die Richterin verschwunden. Nur Palma stand neben ihm, die ihn umhalste und herzlich auf den Mund küßte.

»Laß mich!« schrie er und stieß sie von sich.

 

Drittes Kapitel

 

An einem Fenster von Malmort, durch welches der Talgrund mit seinen Türmen und Weilern als duftige Ferne hereinschimmerte, stand die Richterin mit Wulfrin und zeigte ihm die Größe ihres Besitzes. »Das beherrsche ich«, sagte sie, »und Palma nach mir. Dich aber, Wulfrin, habe ich schon ehevor dazu ausersehen – wie es auch deine brüderliche Pflicht ist – der Schwester, wenn ich stürbe, dieses weite Erbe zu sichern.«

»Planvoll, aber ferneliegend«, sagte er.

»Fern oder nahe.