Was Teufel, sprich, Carissimo, wie steht's mit dir? Vertraue mir, was dich drückt! Die böse Nachricht aus der Westerschelde ist's nicht; – vertraue mir, sollte es wirklich Wahrheit sein, was ich für Scherz nahm und scherzhaft behandelte? Solltest du im Ernst den Banden der blonden Zauberin verfallen sein?«

Der Kapitän Antonio seufzte hier recht tief, ohne zu antworten, und Leone fuhr fort:

»Und sie spielt die Grausame gegen dich, gegen dich, den Liebling aller Damen in der Strada Balbi und in allen übrigen Straßen, Gassen und Sackgassen unserer lieben Vaterstadt Genova superba? Bei der Beherrscherin von Paphos, das verdient Strafe, die härteste Strafe. O diese liebreizende Barbarin! ... Antonio Valani, Vorgesetzter und Freund, mit Schwert, Herz und Kopf steh ich zu deiner Hülfe neben dir. Was wollen wir tun, das süße Kind dir zu gewinnen?«

Was darauf gesprochen wurde zwischen dem Kapitän und seinem Leutnant, wurde unterbrochen und ging verloren in dem Anruf des wachhabenden Schiffssoldaten an der Laufplanke. Trommelwirbel erschallte vom Kai herüber, Fackeln leuchteten, Waffen blitzten. Der Admiral Friedrich Spinola kam nachzuschauen, wie es aussah auf dem Andrea Doria und den übrigen Schiffen seiner Flotte unter den Mauern von Antwerpen. Er befand sich in der übelsten Stimmung, wie Antonio und Leone wohl merkten, als sie zu seinem Empfange herbeieilten. Sehr grimmig stapfte der Signore Federigo einher im Kreise seiner Kapitäne, die sich an Bord des Andrea Doria um ihn versammelten. Der unglückliche Kampf der letzten Nacht lag ihm schwer auf der Seele. Ging das so fort, so fiel das Geschäft keineswegs so lohnend aus, wie es aussah auf dem Pergament, auf dem Vertrage, auf welchem Don Philipp der Dritte von Hispanien sein Yo el Rey über die Unterschrift des Genueser Nobiles gesetzt hatte.

»Hinaus mit euch allen!« schrie Don Federigo im Kreise seiner Kapitäne wütend, »hinaus in die See, und fangt mir diese verruchte schwarze Galeere. An ihre eigenen Rahn knüpft mir die ganze Mannschaft, und die Hölle habe ihre Seelen. Cospetto, morgen mit Tagesanbruch lichten die Anker die vier Galeeren, die hier noch vor Anker liegen. Hört ihr, Signori? Der Andrea Doria bleibt allein noch hier und erwartet nähere Befehle. Hört ihr, ihr Herren von den Galeeren – morgen früh. Botschaft ist schon nach Sluis an die dortigen Befehlshaber gegeben, ebenfalls mit allen freien Schiffen in See zu gehen. Die schwarze Galeere – bringt mir die schwarze Galeere, oder der Satan –«

Ab stapfte der Admiral, den Rest seiner Rede verschluckend, und die Kapitäne schauten sich gegenseitig mit Grimassen an und dem Admiral nach:

»Diavolo – das war spanischer Pfeffer! – Auch eine Arbeit, die leichter zu bereden als zu tun ist! – Nun, ihr Herren? – Die schwarze Galeere! – Gestern habt Ihr ja wohl Euern Koch gehängt, Francisco? – Jawohl, schade drum! – Sluis! – Spinola! – Schwarze Galeere!« so ging das an Bord des Andrea Doria durcheinander, bis endlich ein Befehlshaber nach dem andern sich entfernte, um die Vorbereitungen für die morgende Abfahrt zu treffen.

Antonio Valani und Leone della Rota fanden sich erst nach geraumer Zeit wieder allein auf ihrem Verdeck.

»Also die andern segeln, und wir bleiben hier? Auch gut!« sagte Leone. »Gehen wir also auf unsere eigene Jagd aus, Antonio, vor allem aber gehen wir jetzt zur Taverne. Ausführlich sollst du mir dort alles erzählen, was dein Verhältnis zu der holden Flamländerin betrifft.«

»O nicht doch, Leone, laß mich!«

»Nein, nein: du sollst und mußt. Ich will dich heilen, Carino; ich bin ein guter Arzt in solchen Leiden. Manch einer hat's erfahren, und du sollst es auch erfahren, Tonino.«

Widerwillig ließ sich der Kapitän fortziehen von seinem Schiff. Unmutig folgte er dem Luogotenente durch die Gassen von Antwerpen zur Taverne Zum Wappen von Alkantara, wo die dicke Wirtin sich in den lustigen Leone della Rota verliebt hatte und der Schatz freie Zeche und – freies Quartier hatte, sooft es ihm angenehm schien. Es war ihm aber sehr oft angenehm und gelegen.

 

III

Jan und Myga

 

In einem der hohen Giebelhäuser hinter der Stadtmauer am Kai von Antwerpen saß am folgenden Abend Myga van Bergen neben ihrer kleinen Lampe, ganz in Trauer gekleidet – die Tochter des weiland so reichen und angesehenen Kaufmanns Michael van Bergen, von dem es jetzt heißen konnte: Supremum diem obiit, senex et pauper.

Wie wenn ein Sack voll neugeprägter Goldstücke ausgeschüttet wird, so klang vor fünfzehn oder zwanzig Jahren die Firma van Bergen und Norris jedermann ins Ohr. Eins der reichsten Häuser des reichen Antwerpens repräsentierte diese Firma. Auf allen Meeren schwammen ihre Schiffe, ihre Warenhäuser waren voll der köstlichsten Schätze Indiens und Amerikas; ihre Schreibstube war voll emsiger Schreiber. Ja, vor zwanzig Jahren hättet ihr auf der Börse oder im Haus der Oosterlinge, der großen Hansaniederlage, nach der Firma van Bergen und Norris fragen sollen; wahrlich guter Bescheid würde euch zuteil geworden sein.

Nun aber war Johann Geerdes Norris längst gestorben zu Amsterdam, und vor vierzehn Tagen war ihm zu Antwerpen sein ehemaliger Kompagnon in das Grab gefolgt, ein Bettler.

Hättet ihr jetzt an der Börse oder im Hause der Hansa nach der Firma van Bergen und Norris gefragt, man hätte euch eure Frage vielleicht mehr als einmal wiederholen lassen und dann den Kopf geschüttelt. Wer kannte jetzt noch die Firma van Bergen und Norris? Nur die ältesten Kaufleute und Makler wußten sich ihrer noch zu erinnern.

Wie war das gekommen?

Die Antwort darauf ist leicht zu finden. Als das Haus van Bergen und Norris in seinem höchsten Glanze strahlte, regten sich tätig zweimalhunderttausend Einwohner in den Mauern von Antwerpen; jetzt waren dieselben auf achtzigtausend zusammengeschmolzen. Genügt euch das?

Werfen wir einen Blick zurück in die vergangenen Tage!

Das war am zwanzigsten August des bösen Jahres fünfzehnhundertfünfundachtzig. An diesem Tage hielten die Reformierten ihren letzten Gottesdienst in der Kathedrale. Nach der Kapitulation, welche die Stadt mit ihrem gewaltigen Dränger, dem Prinzen Alexander von Parma, abgeschlossen hatte, sollte am folgenden Tage der Katholizismus wieder Besitz nehmen von dem Heiligtum Unserer Lieben Frau, das er so lange den Ketzern hatte überlassen müssen.

Es war ein feierlicher, seltsamer Augenblick, als nun an diesem zwanzigsten August nach der letzten protestantischen Predigt die Tonwogen der protestantischen Orgel verrollten.