Alle Körperfunktionen waren auf das zum Überleben erforderliche Minimum herabgesetzt worden, konnten jedoch durch einen PSI-Impuls sofort wieder zu voller Leistungsfähigkeit erwachen. Nur Ladina Volstojs Verstand arbeitete wie immer. Sie konnte absolut klar denken und hörte jedes Wort, das in ihrer Gegenwart gesprochen wurde. Und alles, was in das Blickfeld ihrer starren Augen gelangte, konnte sie auch sehen.

Das jedoch wußten die beiden Gardistinnen nicht. Für sie war »Corporal Ras« tot.

Und hoffentlich auch für diejenigen, die bald kommen würden, um nachzusehen, was die Alarmrufe der beiden Grauen zu bedeuten hatten!

Noch aber kam niemand. Protop war völlig schallundurchlässig, und aus der Erfahrung der letzten Tage wußten alle Gefangenen, daß die in den Hafträumen installierten Mikros und Überwachungskameras praktisch überhaupt nicht kontrolliert wurden. Die neuen Herren Oglallahs hatten einfach zu wenige Leute dafür. Ihnen genügte es, die Häftlinge auf Nummer Sicher zu wissen. Was diese in ihren Räumen taten, war ohne Belang.

Es vergingen fast zwei Stunden, bis draußen von der »Toten« Notiz genommen wurde. Mehrere Bundarmisten, mit schußbereiten Schockern bewaffnet, betraten den Haftraum. Einer von ihnen beugte sich über Ladina Volstoj, tastete sie ab und kam zu derselben Diagnose wie die beiden Grauen.

»Tatsächlich tot! Aber wieso?« wunderte er sich.

Einer der anderen Armisten meinte:

»Habe gehört, daß höhere Chargen bei den Grauen so eine Art Selbstmordschaltung im Gehirn haben. Die soll wirksam werden, wenn sie sich in einer ausweglosen Situation befinden.«

Du bist schlecht informiert, Freundchen, dachte Ladina Volstoj. Eine derartige Selbstmordschaltung hatte es zwar mal gegeben. Aber das war inzwischen etliche Jahre her. Auch Graue waren Menschen, die an ihrem Leben hingen, selbst wenn die meisten Außenstehenden der irrigen Meinung waren, daß Gardisten keine Gefühle und persönlichen Wünsche kannten. Früher hatte man geglaubt, daß diejenigen die besten Kämpfer waren, die furchtlos in den Tod marschierten. Dann aber war die Kosmoralität auf Shondyke zu der Überzeugung gelangt, daß der Lebenserhaltungstrieb Kampfkraft und Zielstrebigkeit weitaus positiver beeinflußte als blinde Todesverachtung. Wenn die Bundarmisten jedoch etwas anderes glaubten … Ladina Volstoj konnte es nur recht sein.

Die anderen beiden Grauen gaben auf Fragen der Männer des Bundes keine erschöpfende Antwort. Sie erklärten lediglich, daß die Armisten doch gefälligst selbst herausfinden sollten, was passiert war.

Wenig später wurde eine Pneumobahre herbeigeholt und die »Tote« darauf gebettet. Dann trugen die Armisten sie aus dem Haftraum hinaus.

Ladina Volstoj triumphierte innerlich.

 

*

 

Die LASSALLE trat im äußersten Randbezirk des Wischnu-Systems wieder in den Normalraum ein und nahm dann mit dem herkömmlichen Triebwerk Kurs auf Aqua.

Kurz nach der Rückkehr ins Normaluniversum fand sich Edison Tontor, der die Reise durch Weltraum II wie immer im Tiefschlaf verbracht hatte, in der Zentralebene ein. Er machte einen ausgesprochen mißvergnügten Eindruck.

Dem Riemenmann entging das nicht.

»War Ihre Abschirmung nicht perfekt, General-Manag?« erkundigte er sich. »Sind Ihnen während der Transition einige Wesenheiten aus der anderen Dimension erschienen?«

»Nein«, antwortete Tontor kurz und knapp. Mit unfreundlichem Blick musterte er den zentralen Bildschirm, auf dem sich der Planet Aqua noch als kleiner, scheinbar unbedeutender Punkt präsentierte.

»Sondern?« setzte Llewellyn nach. »Irgend etwas hat doch Ihre Laune getrübt, oder?«

»Man sollte meinen, Sie lesen meine Gedanken«, knurrte der Erste Vertreter des Bunds der Freien Welten.

Llewellyn lachte. »Erstens wäre dies unmoralisch, weshalb ich so etwas niemals tun würde. Und zweitens käme ich gegen Ihre Immunisierung ohnehin nicht an. Aber ich bin Menschenkenner und sehe auf Anhieb, wenn einen der Rynx kratzt! Also, nun sagen Sie schon, was Ihnen nicht paßt.«

»Das da paßt mir nicht!« sagte Edison Tontor und deutete mit dem Zeigefinger auf den Schirm.

»Aqua?«

»Genau! Ich kann beim besten Willen nicht einsehen, warum wir nicht nach Tamerlan geflogen sind, um die Queen und die Centurios zu verhören. Schließlich ist nicht Aqua, sondern Tamerlan offizieller Regierungssitz des Bunds.«

Jetzt machte auch Llewellyn ein ärgerliches Gesicht, was sein Gegenüber allerdings wegen der goldenen Riemen nicht erkennen konnte.

»Fangen Sie wieder damit an, Tontor? Ich dachte, wir hätten diesen Punkt ausdiskutiert!«

»Davon kann keine Rede sein, Llewellyn. Ich habe nur klein beigegeben, weil mir nichts anderes übrigblieb. Schließlich ist das hier Ihr Schiff.«

»Ganz recht«, sagte der Riemenmann.