Darf ich erfahren, von welchem Stamme?«

»Von dem der Homr.«

»Allah kerihm – Gott ist gnädig, aber die Homr sind es nicht. Erlaube, daß wir fern von Euch bleiben.«

»Warum ?«

»Weil wir euch nicht trauen dürfen.«

Er hielt den Fremden auch für einen Homr, ja für den Anführer derselben. Um so mutiger war es von ihm, daß er so aufrichtig sprach. Der Europäer antwortete:

»Hältst du uns für Diebe?«

»Die Homr sind Feinde der Schilluk, in deren Gebiete wir uns hier befinden,« meinte der Dschelabi ausweichend. »Wie leicht kann es zu einem Kampfe kommen, und da ziehen wir es vor, fern zu bleiben.«

»Dein Herz scheint keinen großen Mut zu besitzen. Wie ist dein Name?«

Der Kleine richtete sich im Sattel höher auf und antwortete:

»Ob ich furchtsam bin, das geht dich gar nichts an. Wenn du meinen Namen wissen willst, so steige ab und hole dir ihn!« Er sprang von seinem Esel, warf das Gewehr weg und zog das Messer. Die Homr waren weiter geritten. Die Dschelaba hielt noch am Platze. Hinter dem bisherigen Sprecher befand sich ein ebenso kleiner Bursche, welcher befürchten mochte, daß die Scene sich zum Schlimmen wenden könne. Er wollte dem vorbeugen, indem er sagte:

»Verzeihe, Herr, dieser Mann hat stets einen großen Mund und ist doch nur ein kleiner Mensch, der nichts versteht. Er wird von uns Ibn el dschidri oder wohl auch Abu el hadaschtscharin genannt.«

»Warum dieser letztere Name?« erkundigte sich der Fremde.

»Weil sein Schnurrbart nur aus elf Haaren besteht, rechts sechs und links fünf. Und doch ist er außerordentlich stolz auf ihn, so daß er ihn gerade so sorgfältig pflegt wie eine Nuer-Negerin ihr Durrhafeld.«

Er bemühte sich, dem drohenden Konflikte eine heitere Bahn zu brechen, kam aber bei seinem Kollegen schlecht an, denn dieser rief ihm zornig zu:

»Schweig, du Vater des Unverstandes! Mein Schnurrbart ist hundertmal mehr wert als dein ganzer Kopf. Du selbst hast den großen Mund. Du rühmst dich deines Stammbaumes, aber niemand glaubt an ihn!«

Das war eine Beleidigung, welche den andern nun auch in Harnisch brachte. Er antwortete:

»Was weißt du von meinem Stammbaum! Wie lautet mein Name, und wie klingt der deine!«

Und sich zu dem Fremden wendend, fuhr er fort:

»Herr, erlaube mir, dir zu sagen, wer ich bin! Ich heiße nämlich Hadschi Ali ben Hadschi Ishak al Faresi Ibn Hadschi Otaiba Abu 'l Ascher ben Hadschi Marwan Omar el Gandesi Hafid Jacub Abd' Allah el Sandschaki.«

Je länger der Name eines Arabers, desto mehr ehrt ihn derselbe. Von berühmten Vätern abzustammen, geht ihm über alles. Darum reiht er ihre Namen bis ins dritte und vierte Glied aufwärts aneinander und bringt so eine Riesenschlange fertig, über welche der Europäer heimlich lächelt.

Dieser Hadschi Ali blickte den Fremden erwartungsvoll an, was er zu dem berühmten Namen sagen werde.

»Also Hadschi Ali heißt du?« fragte der 'Vater der vier Augen'. »Dein Vater war Hadschi Ishak al Faresi?«

»Ja. Hast du von ihm gehört?«

»Nein. Dein Großvater hieß also Hadschi Otaiba Abu 'l Oscher?«

»So ist es. Ist dieser dir bekannt?«

»Auch nicht. Und dein Urgroßvater war Hadschi Marwan Omar el Gandesi?«

»So ist es. Von ihm hast du doch jedenfalls vernommen?«

»Leider nicht! Und endlich war dieser letztere der Urenkel und Nachkomme von Jacub Abd' Allah el Sandschaki, also des Fahnenträgers?«

»Ja, er trug den Sandschak des Propheten in den Kampf.«

»Diesen Namen habe ich allerdings gelesen. Jacub Abd' Allah soll ein mutiger Streiter gewesen sein.«

»Ein Held war er, von dem noch heute die Lieder erzählen!« stimmte Ali stolz bei.

»Aber dein Ahne ist er nicht!« fiel der erste Dschelabi ein. »Du hast ihn dir unrechtmäßigerweise angeeignet!«

»Bringe mir nicht immer diesen Vorwurf! Ich muß doch besser als du wissen, von wem ich stamme!«

»Und mit eben solchem Unrechte nennst du dich Hadschi Ali. Wer da sagt, daß er ein Hadschi sei, der muß doch Mekka zur Zeit der Pilgerfahrt besucht haben. Du aber warst nie dort!«

»Etwa du?«

»Nein. Ich rühme mich dessen nicht, denn ich mache keine Lügen.«

»Du könntest dich auch gar nicht rühmen, denn du bist ein Christ, und Christen ist der Zutritt in Mekka bei Todesstrafe verboten!«

»Wie? Du bist ein Christ?« fragte der Fremde den ersten Dschelabi.

»Ja, Herr,« antwortete dieser. »Ich mache kein Hehl daraus, denn es ist eine Sünde, seinen Glauben zu verleugnen.